Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.SECTIO VI. SECTIO VI. Ob ein stieff-vater des stieff-sohns wittwe hey- rathen könne. Bedencken. Auf die vorgelegte frage: Ob in casu, da ein stieff-vater seines stieff-sohns wittib heyrathen wolle/ die dispensation statt finde. zu antworten/ habe die sache in der forcht des HErrn erwogen/ und finde am 1. Jst diese heyrath in göttlichen rechten nicht verboten: weder mit das U u u 2
SECTIO VI. SECTIO VI. Ob ein ſtieff-vater des ſtieff-ſohns wittwe hey- rathen koͤnne. Bedencken. Auf die vorgelegte frage: Ob in caſu, da ein ſtieff-vater ſeines ſtieff-ſohns wittib heyrathen wolle/ die diſpenſation ſtatt finde. zu antworten/ habe die ſache in der forcht des HErrn erwogen/ und finde am 1. Jſt dieſe heyrath in goͤttlichen rechten nicht verboten: weder mit das U u u 2
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SECTIO VI.
SECTIO VI.
Ob ein ſtieff-vater des ſtieff-ſohns wittwe hey-
rathen koͤnne.
Bedencken.
Auf die vorgelegte frage:
Ob in caſu, da ein ſtieff-vater ſeines ſtieff-ſohns wittib heyrathen
wolle/ die diſpenſation ſtatt finde.
zu antworten/ habe die ſache in der forcht des HErrn erwogen/ und finde am
bequemſten und deutlichſten/ meine meinung in gewiſſe ſaͤtze einzutheilen.
1. Jſt dieſe heyrath in goͤttlichen rechten nicht verboten: weder mit
klahren worten/ noch durch eine nothwendige folge. Daß mit klahren wor-
ten der caſus nicht ausgetrucket ſeye/ davon kan kein zweiffel ſeyn. Denn
wenn 3. Moſ. 18/ 8. ſtehet/ du ſolt deines vaters weibs ſchaam nicht bloͤſſẽ/
wird ohne allen zweiffel der rechte vater/ und alſo die eigenliche ſtieff-mutter
verſtanden. Auffs wenigſte laͤßt ſich ein mehrers aus dem wort nicht zwin-
gen. Was die folge anlangt/ kan auch keine gezeiget werden/ indem unter
den verbotenen graden kein einiger iſt/ der mit dieſem uͤbereinkaͤme/ oder in
das ſecundum genus affinitatis einlieffe/ da man nach der angenommenen
regel/ non perſonas ſed gradus prohiberi, auch auf dieſen gradum ſchlieſſen
moͤchte. Vielmehr wo wir auf die allgemeine regel v. 6. gehen/ da es heiſſet/
niemand ſolle ſich zu ſeiner nechſten bluts-freundin thun/ eigenlich ad
carnem (ſ. reliquias) carnis ſuæ: So iſt das ſecundum genus affinitatis al-
lerdings zugelaſſen: Dann es werden nicht mehr als diejenige perſonen ein-
ander verboten/ da eine das fleiſch der andern fleiſches iſt; oder deutlicher/ mir
wird niemand weiter verboten als mein fleiſch/ und alſo meine eltern/ und
vor-eltern/ kinder und nachkoͤmlinge/ und geſchwiſtern/ ſo dann deroſelben
fleiſch/ entweder nach der bluts-freundſchafft oder ſchwaͤgerſchafft/ nemlich
derſelbigen geſchwiſtern und ehegatten. Was aber weiter gehet/ und muͤſte
heiſſen/ caro carnis carnis meæ, und eine doppelte ehe dazwiſchen kommet/ wie
das ſecundum genus affinitatis mit ſich bringt/ (indem des ſtieff-vaters
fleiſch iſt ſeine verſtorbene hauß frau/ dero fleiſch ihr auch verſtorbener ſohn/
da hingegen deſſen wittwe nunmehr des fleiſches fleiſches fleiſch ſeyn wuͤrde)
ſtecket nicht mehr in dieſem allgemeinen verbot GOttes durch Moſen/ und
kan alſo auch nicht von GOttes ſeiten vor verboten geachtet werden. Da-
bey wol zu mercken iſt/ weil GOTT ſein ſonderbares mißfallen an den ehen
bezeuget/ welche zu nahe in das gebluͤt gehen/ alſo gar/ daß er auch trohet/ daß
das
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/531>, abgerufen am 22.02.2025. |