Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

Das dritte Capitel.
mittel desselben/ davon deswegen allezeit nicht mehr erfordert wird/ als so
viel jene heiligung bedarff/ so fället die gantze kraft des arguments weg/ indem
die arbeit der Priester bey den opffern/ und die beschneidung/ mit zu den geist-
lichen verrichtungen gehören/ und dieselbe nicht stöhren. Was aber die noth-
wercke anlanget/ als das ausrauffen der ähren bey den jüngern/ die ziehung.
des ochsen aus einem brunnen/ stöhren auch dieselbe das haupt-werck nicht/
ob sie wol die ruhe etzlicher massen unterbrechen. Wie also das gebet und die
predigt göttlichen worts ohne zweiffel zu den moral- wercken gehören/ und
doch niemand sagen wird/ wo zum exempel eine gantze gemeinde in solcher hei-
ligen handlung begriffen wäre/ oder jemand in dem gebet vor GOTT läge/
und geschähe indessen ein grosses unglück/ das schleunige rettung bedörffte/
daß man nicht auch solche heilige wercke unterbrechen und zu jenem liebes-
werck schreiten dörffte. Also dörfften wir doch nicht sagen/ daß der dienst
GOttes an sich dem liebes-dienst des nechsten weiche: sondern GOtt hat al-
le seine gebot also weißlich in einander gegattet/ daß dero wercke neben ein-
ander stehen/ und allezeit getrachtet werden solle/ dem einen also abzuwarten/
daß das andere nicht gar auffgehoben werde. Solches aber heißt nicht eigen-
lich ein weichen/ dadurch des einen verbindlichkeit auffhörte/ indem nur
beider gehorsam klüglich zusammen gesetzt wird. Hiemit hoffe ich einer see-
le/ dero es bloß um die erkäntnüß göttlichen willens/ und wie göttlicher zweck
am besten zu erhalten seye/ zu thun ist/ zu ihrer beruhigung gnug zu gesche-
hen: ob aber leuten/ welche gern in allem widersprechen/ jemal mit etwas
gnug geschehe/ stehet dahin. Der HErr gebe uns selbs das liecht/ zu prüfen/
welches in allem uns nöthigem seye der gute/ der wolgefällige und der voll-
kommene wille GOttes und denselben treulich zu vollbringen. 1690.

SECTIO XI.
Von der sabbaths-feyr.

BEtreffend die sabbaths-feyr/ expedire ich mich mit wenigen.

1. Die feyer gehet nicht nur auff etliche wenige stunden/ vor- oder
nachmittag/ sondern es wird der tag gemeldet/ und also erfordern wir
mit recht einen gantzen tag: so sind also die abend-stunden nicht ausgeschlos-
sen/ um so vielmehr/ weil dafern in denselben das gemüth in weltliche und
fleischliche ergötzungen gezogen/ dadurch alles gutes/ so etwa durch be-
trachtung göttlichen worts des tages war gewircket/ wiederum ausgelöschet
wird.

2. Jch erkenne uns in dem N. T. an die feyer des sabbaths nicht weni-
ger/ sondern wegen mehrer wolthaten und reicheren gnaden-maasses/ eher
mehr/ als die in dem A. T. verbunden; aber mit inachtnehmung des unter-

scheids

Das dritte Capitel.
mittel deſſelben/ davon deswegen allezeit nicht mehr erfordert wird/ als ſo
viel jene heiligung bedarff/ ſo faͤllet die gantze kꝛaft des arguments weg/ indem
die arbeit der Prieſter bey den opffern/ und die beſchneidung/ mit zu den geiſt-
lichen verrichtungen gehoͤren/ und dieſelbe nicht ſtoͤhren. Was aber die noth-
wercke anlanget/ als das ausrauffen der aͤhren bey den juͤngern/ die ziehung.
des ochſen aus einem brunnen/ ſtoͤhren auch dieſelbe das haupt-werck nicht/
ob ſie wol die ruhe etzlicher maſſen unterbrechen. Wie alſo das gebet und die
predigt goͤttlichen worts ohne zweiffel zu den moral- wercken gehoͤren/ und
doch niemand ſagen wird/ wo zum exempel eine gantze gemeinde in ſolcher hei-
ligen handlung begriffen waͤre/ oder jemand in dem gebet vor GOTT laͤge/
und geſchaͤhe indeſſen ein groſſes ungluͤck/ das ſchleunige rettung bedoͤrffte/
daß man nicht auch ſolche heilige wercke unterbrechen und zu jenem liebes-
werck ſchreiten doͤrffte. Alſo doͤrfften wir doch nicht ſagen/ daß der dienſt
GOttes an ſich dem liebes-dienſt des nechſten weiche: ſondern GOtt hat al-
le ſeine gebot alſo weißlich in einander gegattet/ daß dero wercke neben ein-
ander ſtehen/ und allezeit getrachtet werden ſolle/ dem einen alſo abzuwarten/
daß das andere nicht gar auffgehoben werde. Solches aber heißt nicht eigen-
lich ein weichen/ dadurch des einen verbindlichkeit auffhoͤrte/ indem nur
beider gehorſam kluͤglich zuſammen geſetzt wird. Hiemit hoffe ich einer ſee-
le/ dero es bloß um die erkaͤntnuͤß goͤttlichen willens/ und wie goͤttlicher zweck
am beſten zu erhalten ſeye/ zu thun iſt/ zu ihrer beruhigung gnug zu geſche-
hen: ob aber leuten/ welche gern in allem widerſprechen/ jemal mit etwas
gnug geſchehe/ ſtehet dahin. Der HErr gebe uns ſelbs das liecht/ zu pruͤfen/
welches in allem uns noͤthigem ſeye der gute/ der wolgefaͤllige und der voll-
kommene wille GOttes und denſelben treulich zu vollbringen. 1690.

SECTIO XI.
Von der ſabbaths-feyr.

BEtreffend die ſabbaths-feyr/ expedire ich mich mit wenigen.

1. Die feyer gehet nicht nur auff etliche wenige ſtunden/ vor- oder
nachmittag/ ſondern es wird der tag gemeldet/ und alſo erfordern wir
mit recht einen gantzen tag: ſo ſind alſo die abend-ſtunden nicht ausgeſchloſ-
ſen/ um ſo vielmehr/ weil dafern in denſelben das gemuͤth in weltliche und
fleiſchliche ergoͤtzungen gezogen/ dadurch alles gutes/ ſo etwa durch be-
trachtung goͤttlichen worts des tages war gewircket/ wiederum ausgeloͤſchet
wird.

2. Jch erkenne uns in dem N. T. an die feyer des ſabbaths nicht weni-
ger/ ſondern wegen mehrer wolthaten und reicheren gnaden-maaſſes/ eher
mehr/ als die in dem A. T. verbunden; aber mit inachtnehmung des unter-

ſcheids
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0046" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi></fw><lb/>
mittel de&#x017F;&#x017F;elben/ davon deswegen allezeit nicht mehr erfordert wird/ als &#x017F;o<lb/>
viel jene heiligung bedarff/ &#x017F;o fa&#x0364;llet die gantze k&#xA75B;aft des <hi rendition="#aq">arguments</hi> weg/ indem<lb/>
die arbeit der Prie&#x017F;ter bey den opffern/ und die be&#x017F;chneidung/ mit zu den gei&#x017F;t-<lb/>
lichen verrichtungen geho&#x0364;ren/ und die&#x017F;elbe nicht &#x017F;to&#x0364;hren. Was aber die noth-<lb/>
wercke anlanget/ als das ausrauffen der a&#x0364;hren bey den ju&#x0364;ngern/ die ziehung.<lb/>
des och&#x017F;en aus einem brunnen/ &#x017F;to&#x0364;hren auch die&#x017F;elbe das haupt-werck nicht/<lb/>
ob &#x017F;ie wol die ruhe etzlicher ma&#x017F;&#x017F;en unterbrechen. Wie al&#x017F;o das gebet und die<lb/>
predigt go&#x0364;ttlichen worts ohne zweiffel zu den <hi rendition="#aq">moral-</hi> wercken geho&#x0364;ren/ und<lb/>
doch niemand &#x017F;agen wird/ wo zum exempel eine gantze gemeinde in &#x017F;olcher hei-<lb/>
ligen handlung begriffen wa&#x0364;re/ oder jemand in dem gebet vor GOTT la&#x0364;ge/<lb/>
und ge&#x017F;cha&#x0364;he inde&#x017F;&#x017F;en ein gro&#x017F;&#x017F;es unglu&#x0364;ck/ das &#x017F;chleunige rettung bedo&#x0364;rffte/<lb/>
daß man nicht auch &#x017F;olche heilige wercke unterbrechen und zu jenem liebes-<lb/>
werck &#x017F;chreiten do&#x0364;rffte. Al&#x017F;o do&#x0364;rfften wir doch nicht &#x017F;agen/ daß der dien&#x017F;t<lb/>
GOttes an &#x017F;ich dem liebes-dien&#x017F;t des nech&#x017F;ten weiche: &#x017F;ondern GOtt hat al-<lb/>
le &#x017F;eine gebot al&#x017F;o weißlich in einander gegattet/ daß dero wercke neben ein-<lb/>
ander &#x017F;tehen/ und allezeit getrachtet werden &#x017F;olle/ dem einen al&#x017F;o abzuwarten/<lb/>
daß das andere nicht gar auffgehoben werde. Solches aber heißt nicht eigen-<lb/>
lich ein <hi rendition="#fr">weichen/</hi> dadurch des einen verbindlichkeit auffho&#x0364;rte/ indem nur<lb/>
beider gehor&#x017F;am klu&#x0364;glich zu&#x017F;ammen ge&#x017F;etzt wird. Hiemit hoffe ich einer &#x017F;ee-<lb/>
le/ dero es bloß um die erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß go&#x0364;ttlichen willens/ und wie go&#x0364;ttlicher zweck<lb/>
am be&#x017F;ten zu erhalten &#x017F;eye/ zu thun i&#x017F;t/ zu ihrer beruhigung gnug zu ge&#x017F;che-<lb/>
hen: ob aber leuten/ welche gern in allem wider&#x017F;prechen/ jemal mit etwas<lb/>
gnug ge&#x017F;chehe/ &#x017F;tehet dahin. Der HErr gebe uns &#x017F;elbs das liecht/ zu pru&#x0364;fen/<lb/>
welches in allem uns no&#x0364;thigem &#x017F;eye der gute/ der wolgefa&#x0364;llige und der voll-<lb/>
kommene wille GOttes und den&#x017F;elben treulich zu vollbringen. 1690.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XI.</hi><lb/>
Von der &#x017F;abbaths-feyr.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">B</hi>Etreffend die &#x017F;abbaths-feyr/ <hi rendition="#aq">expedi</hi>re ich mich mit wenigen.</p><lb/>
            <p>1. Die feyer gehet nicht nur auff etliche wenige &#x017F;tunden/ vor- oder<lb/>
nachmittag/ &#x017F;ondern es wird der tag gemeldet/ und al&#x017F;o erfordern wir<lb/>
mit recht einen gantzen tag: &#x017F;o &#x017F;ind al&#x017F;o die abend-&#x017F;tunden nicht ausge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ um &#x017F;o vielmehr/ weil dafern in den&#x017F;elben das gemu&#x0364;th in weltliche und<lb/>
flei&#x017F;chliche ergo&#x0364;tzungen gezogen/ dadurch alles gutes/ &#x017F;o etwa durch be-<lb/>
trachtung go&#x0364;ttlichen worts des tages war gewircket/ wiederum ausgelo&#x0364;&#x017F;chet<lb/>
wird.</p><lb/>
            <p>2. Jch erkenne uns in dem N. T. an die feyer des &#x017F;abbaths nicht weni-<lb/>
ger/ &#x017F;ondern wegen mehrer wolthaten und reicheren gnaden-maa&#x017F;&#x017F;es/ eher<lb/>
mehr/ als die in dem A. T. verbunden; aber mit inachtnehmung des unter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;cheids</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0046] Das dritte Capitel. mittel deſſelben/ davon deswegen allezeit nicht mehr erfordert wird/ als ſo viel jene heiligung bedarff/ ſo faͤllet die gantze kꝛaft des arguments weg/ indem die arbeit der Prieſter bey den opffern/ und die beſchneidung/ mit zu den geiſt- lichen verrichtungen gehoͤren/ und dieſelbe nicht ſtoͤhren. Was aber die noth- wercke anlanget/ als das ausrauffen der aͤhren bey den juͤngern/ die ziehung. des ochſen aus einem brunnen/ ſtoͤhren auch dieſelbe das haupt-werck nicht/ ob ſie wol die ruhe etzlicher maſſen unterbrechen. Wie alſo das gebet und die predigt goͤttlichen worts ohne zweiffel zu den moral- wercken gehoͤren/ und doch niemand ſagen wird/ wo zum exempel eine gantze gemeinde in ſolcher hei- ligen handlung begriffen waͤre/ oder jemand in dem gebet vor GOTT laͤge/ und geſchaͤhe indeſſen ein groſſes ungluͤck/ das ſchleunige rettung bedoͤrffte/ daß man nicht auch ſolche heilige wercke unterbrechen und zu jenem liebes- werck ſchreiten doͤrffte. Alſo doͤrfften wir doch nicht ſagen/ daß der dienſt GOttes an ſich dem liebes-dienſt des nechſten weiche: ſondern GOtt hat al- le ſeine gebot alſo weißlich in einander gegattet/ daß dero wercke neben ein- ander ſtehen/ und allezeit getrachtet werden ſolle/ dem einen alſo abzuwarten/ daß das andere nicht gar auffgehoben werde. Solches aber heißt nicht eigen- lich ein weichen/ dadurch des einen verbindlichkeit auffhoͤrte/ indem nur beider gehorſam kluͤglich zuſammen geſetzt wird. Hiemit hoffe ich einer ſee- le/ dero es bloß um die erkaͤntnuͤß goͤttlichen willens/ und wie goͤttlicher zweck am beſten zu erhalten ſeye/ zu thun iſt/ zu ihrer beruhigung gnug zu geſche- hen: ob aber leuten/ welche gern in allem widerſprechen/ jemal mit etwas gnug geſchehe/ ſtehet dahin. Der HErr gebe uns ſelbs das liecht/ zu pruͤfen/ welches in allem uns noͤthigem ſeye der gute/ der wolgefaͤllige und der voll- kommene wille GOttes und denſelben treulich zu vollbringen. 1690. SECTIO XI. Von der ſabbaths-feyr. BEtreffend die ſabbaths-feyr/ expedire ich mich mit wenigen. 1. Die feyer gehet nicht nur auff etliche wenige ſtunden/ vor- oder nachmittag/ ſondern es wird der tag gemeldet/ und alſo erfordern wir mit recht einen gantzen tag: ſo ſind alſo die abend-ſtunden nicht ausgeſchloſ- ſen/ um ſo vielmehr/ weil dafern in denſelben das gemuͤth in weltliche und fleiſchliche ergoͤtzungen gezogen/ dadurch alles gutes/ ſo etwa durch be- trachtung goͤttlichen worts des tages war gewircket/ wiederum ausgeloͤſchet wird. 2. Jch erkenne uns in dem N. T. an die feyer des ſabbaths nicht weni- ger/ ſondern wegen mehrer wolthaten und reicheren gnaden-maaſſes/ eher mehr/ als die in dem A. T. verbunden; aber mit inachtnehmung des unter- ſcheids

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/46
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/46>, abgerufen am 21.11.2024.