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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. IV. SECTIO II.
seines eigenen glaubens leben muß. Oder so ich hierinnen das rechte for-
male
nicht treffe/ möchte ich gern informiret seyn/ welches es dann seye/ ge-
wißlich kan ich es nicht anders/ als eine geistliche illusion halten/ wann man
die über ihren glauben angefochtene beredet/ daß sie den glauben haben/ dar-
um weil sie ein verlangen nach demselben tragen.

Antwort.
1. ES scheinet/ es werde in dieser frage zweyerley glaube/ oder zweyerley
absicht des glaubens/ mit einander consundiret/ auffs wenigste solle
zum grunde des übrigen/ was wir hievon zu reden haben/ eine distinction
nothwendig gemacht werden/ unter dem seligmachenden glauben/ als fern
derselbe seligmachend ist/ und unter dem glauben/ wie er das principium unse-
rer werck ist. An sich selbs ists wol ein glaube/ oder einerley liecht in der sache
selbs/ jedoch finden sich auch gewisse unterscheid unter diesen beyden conside-
ratio
nen: Der seligmachende glaube kan wol bey einem menschen wahrhafftig
und also derselbe in göttlicher gnade seyn/ da hingegen es ihm in gewissen stü-
cken und handlungen/ wegen beywohnender scrupel und zweiffel/ an demjeni-
gen glauben manglet/ aus welchem er etwas thun solte.
2. Scheinet es/ es werde vornemlich von der letzten art oder considera-
tion
des glaubens gefraget/ als worauf die meiste wort gerichtet sind/ indes-
sen glaube ich doch/ daß auch insgesamt die frage die versicherung des selig-
machenden glaubens mit meine/ und verlanget werde/ worinnen man sich des-
sen am gewissesten versichern könne/ daher wir auf denselben eben so wol un-
sere reflexiones diesesmal machen wollen.
3. Wo ich nun von dem hindersten oder letzten in der frage anfange/ weil
solches zu dem seligmachenden glauben gehöret/ so kan ich nicht dafür halten/
daß es eine geistliche illusion seye/ wo man die angefochtene auf das verlangen
des glaubens weiset/ welches ich nicht nur allein mehrmal gethan zu haben/
sondern meine gewöhnliche art zu seyn/ gern bekenne. Jedoch muß es nicht
so crude angenommen werden/ daß man jedes verlangen des glaubens stracks
vor einen glauben halte: Welches sonder zweiffel falsch seyn würde/ und also
gewiß ist/ daß ein verlangen des glaubens seyn kan/ ja bey vielen sichern her-
tzen/ die nach dem glauben auch verlangen tragen/ ob sie wol weder dessen
früchte würcklich haben/ noch auchsich resolviren können/ dasjenige abzulegen/
was dem H. Geist/ von dessen wirckung der glaube herkommen muß/ bekant-
lich entgegen ist/ sich würcklich befindet/ die doch sehr fern von dem glauben
seynd und bleiben. Wo aber geredet wird von solchen hertzen/ 1. die bekant-
lich in wahrer buß stehen/ ihre sünden erkennen und von grund der seelen has-
sen/ auch wol offt schwehre ängsten und traurigkeit darüber ausstehen. 2. Bey
denen
C c c 2

ARTIC. IV. SECTIO II.
ſeines eigenen glaubens leben muß. Oder ſo ich hierinnen das rechte for-
male
nicht treffe/ moͤchte ich gern informiret ſeyn/ welches es dann ſeye/ ge-
wißlich kan ich es nicht anders/ als eine geiſtliche illuſion halten/ wann man
die uͤber ihren glauben angefochtene beredet/ daß ſie den glauben haben/ dar-
um weil ſie ein verlangen nach demſelben tragen.

Antwort.
1. ES ſcheinet/ es werde in dieſer frage zweyerley glaube/ oder zweyerley
abſicht des glaubens/ mit einander conſundiret/ auffs wenigſte ſolle
zum grunde des uͤbrigen/ was wir hievon zu reden haben/ eine diſtinction
nothwendig gemacht werden/ unter dem ſeligmachenden glauben/ als fern
derſelbe ſeligmachend iſt/ und unter dem glauben/ wie er das principium unſe-
rer werck iſt. An ſich ſelbs iſts wol ein glaube/ oder einerley liecht in der ſache
ſelbs/ jedoch finden ſich auch gewiſſe unterſcheid unter dieſen beyden conſide-
ratio
nen: Der ſeligmachende glaube kan wol bey einem menſchen wahrhafftig
und alſo derſelbe in goͤttlicher gnade ſeyn/ da hingegen es ihm in gewiſſen ſtuͤ-
cken und handlungen/ wegen beywohnender ſcrupel und zweiffel/ an demjeni-
gen glauben manglet/ aus welchem er etwas thun ſolte.
2. Scheinet es/ es werde vornemlich von der letzten art oder conſidera-
tion
des glaubens gefraget/ als worauf die meiſte wort gerichtet ſind/ indeſ-
ſen glaube ich doch/ daß auch insgeſamt die frage die verſicherung des ſelig-
machenden glaubens mit meine/ und verlanget werde/ worinnen man ſich deſ-
ſen am gewiſſeſten verſichern koͤnne/ daher wir auf denſelben eben ſo wol un-
ſere reflexiones dieſesmal machen wollen.
3. Wo ich nun von dem hinderſten oder letzten in der frage anfange/ weil
ſolches zu dem ſeligmachenden glauben gehoͤret/ ſo kan ich nicht dafuͤr halten/
daß es eine geiſtliche illuſion ſeye/ wo man die angefochtene auf das veꝛlangen
des glaubens weiſet/ welches ich nicht nur allein mehrmal gethan zu haben/
ſondern meine gewoͤhnliche art zu ſeyn/ gern bekenne. Jedoch muß es nicht
ſo crudè angenommen werden/ daß man jedes verlangen des glaubens ſtracks
vor einen glauben halte: Welches ſonder zweiffel falſch ſeyn wuͤrde/ und alſo
gewiß iſt/ daß ein verlangen des glaubens ſeyn kan/ ja bey vielen ſichern her-
tzen/ die nach dem glauben auch verlangen tragen/ ob ſie wol weder deſſen
fruͤchte wuͤrcklich haben/ noch auchſich reſolviren koͤnnen/ dasjenige abzulegen/
was dem H. Geiſt/ von deſſen wirckung der glaube herkommen muß/ bekant-
lich entgegen iſt/ ſich wuͤrcklich befindet/ die doch ſehr fern von dem glauben
ſeynd und bleiben. Wo aber geredet wird von ſolchen hertzen/ 1. die bekant-
lich in wahrer buß ſtehen/ ihre ſuͤnden erkennen und von grund der ſeelen haſ-
ſen/ auch wol offt ſchwehre aͤngſten und traurigkeit daruͤber ausſtehen. 2. Bey
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C c c 2
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[387/0395] ARTIC. IV. SECTIO II. ſeines eigenen glaubens leben muß. Oder ſo ich hierinnen das rechte for- male nicht treffe/ moͤchte ich gern informiret ſeyn/ welches es dann ſeye/ ge- wißlich kan ich es nicht anders/ als eine geiſtliche illuſion halten/ wann man die uͤber ihren glauben angefochtene beredet/ daß ſie den glauben haben/ dar- um weil ſie ein verlangen nach demſelben tragen. Antwort. 1. ES ſcheinet/ es werde in dieſer frage zweyerley glaube/ oder zweyerley abſicht des glaubens/ mit einander conſundiret/ auffs wenigſte ſolle zum grunde des uͤbrigen/ was wir hievon zu reden haben/ eine diſtinction nothwendig gemacht werden/ unter dem ſeligmachenden glauben/ als fern derſelbe ſeligmachend iſt/ und unter dem glauben/ wie er das principium unſe- rer werck iſt. An ſich ſelbs iſts wol ein glaube/ oder einerley liecht in der ſache ſelbs/ jedoch finden ſich auch gewiſſe unterſcheid unter dieſen beyden conſide- rationen: Der ſeligmachende glaube kan wol bey einem menſchen wahrhafftig und alſo derſelbe in goͤttlicher gnade ſeyn/ da hingegen es ihm in gewiſſen ſtuͤ- cken und handlungen/ wegen beywohnender ſcrupel und zweiffel/ an demjeni- gen glauben manglet/ aus welchem er etwas thun ſolte. 2. Scheinet es/ es werde vornemlich von der letzten art oder conſidera- tion des glaubens gefraget/ als worauf die meiſte wort gerichtet ſind/ indeſ- ſen glaube ich doch/ daß auch insgeſamt die frage die verſicherung des ſelig- machenden glaubens mit meine/ und verlanget werde/ worinnen man ſich deſ- ſen am gewiſſeſten verſichern koͤnne/ daher wir auf denſelben eben ſo wol un- ſere reflexiones dieſesmal machen wollen. 3. Wo ich nun von dem hinderſten oder letzten in der frage anfange/ weil ſolches zu dem ſeligmachenden glauben gehoͤret/ ſo kan ich nicht dafuͤr halten/ daß es eine geiſtliche illuſion ſeye/ wo man die angefochtene auf das veꝛlangen des glaubens weiſet/ welches ich nicht nur allein mehrmal gethan zu haben/ ſondern meine gewoͤhnliche art zu ſeyn/ gern bekenne. Jedoch muß es nicht ſo crudè angenommen werden/ daß man jedes verlangen des glaubens ſtracks vor einen glauben halte: Welches ſonder zweiffel falſch ſeyn wuͤrde/ und alſo gewiß iſt/ daß ein verlangen des glaubens ſeyn kan/ ja bey vielen ſichern her- tzen/ die nach dem glauben auch verlangen tragen/ ob ſie wol weder deſſen fruͤchte wuͤrcklich haben/ noch auchſich reſolviren koͤnnen/ dasjenige abzulegen/ was dem H. Geiſt/ von deſſen wirckung der glaube herkommen muß/ bekant- lich entgegen iſt/ ſich wuͤrcklich befindet/ die doch ſehr fern von dem glauben ſeynd und bleiben. Wo aber geredet wird von ſolchen hertzen/ 1. die bekant- lich in wahrer buß ſtehen/ ihre ſuͤnden erkennen und von grund der ſeelen haſ- ſen/ auch wol offt ſchwehre aͤngſten und traurigkeit daruͤber ausſtehen. 2. Bey denen C c c 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/395>, abgerufen am 21.11.2024.