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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel
zum exempel nach GOttes willen einigen schaden oder kranckheit bekommen
solte/ welche entweder ungemein oder doch vermuthung wäre/ daß nach dem
todt die inspection meines cörpers solte andern/ sonderlich medicis, zu ihrem
unterricht/ davon künfftig auch andere in curen nutzen haben könten/ diensam
erachtet werden/ würde ich die öffnung eher selbs befehlen als verbieten/ und
solte mir lieb seyn/ nachdem ich nach meinem todt sonst mit meinem leibe nie-
mand nutzen kan/ wo auffs wenigste dessen untersuchung dem nechsten nutzete.
Daß ich also davor halte/ wie den todten cörpern an sich selbs damit nichts
unrechts oder schaden geschihet/ daß auch die lebende/ wo sie wissen solten/ daß
mit ihren leibern etwas dergleichen vor wäre/ sich dessen mit gutem fug nicht
zu beschwehren: Worinnen ich niemand nichts auffbürde/ welches ich nicht
auch eben so wol selbs an mir zu geschehen zu frieden wäre: Welcherley zumu-
thungen am allerwenigsten verdächtig zu achten sind. 6. Wie es also zwahr
einen schein einer grausamkeit hat/ auch noch dazu nicht ohne grosse schmer-
tzen abgehet/ daß man einem lebenden einen arm/ schenckel oder dergleichen
glied ablöset/ wo es schneidens und brennens gibet/ so aber alles gerechtferti-
get wird durch die erhaltung des lebens bey demjenigen/ dem solches abgelö-
set wird: Also wird auch aller schein der grausamkeit/ so sich bey dem zerflei-
schen der todten und unempfindlichen cörper findet/ meines erachtens gnug-
sam damit purgiret/ weil die erhaltung der gesundheit bey mehrern lebenden/
die dardurch gesucht wird/ dessen wol würdig ist. 7. Jndessen sollen doch
diejenige/ so damit umgehen/ auch sich so darbey bezeugen/ daß sie gedencken/
es seyen cörper ihrer art/ kein gespött darmit treiben/ und insgesamt nichts
anders darinnen suchen/ als was der wahre zweck ist. Welchen vor augen
habende sie so gar auch bey solchem werck zu unterschiedlichen guten betrach-
tungen gelegenheit finden können/ und sie nicht zu versäumen haben. Die-
ses wären meine gedancken über diese fragen. Der HErr aber mache un[s]
selbs in allem seines willens gewiß. 1691.

SECTIO XVI.
Uber das pactum eines Advocati mit seinem
Clienten wegen seiner belohnung.

JN der sache Sempronii, so Lucio in einer zweiffelhafftigen rechts-sa-
che gedienet/ und noch mehr als Lucii hoffnung gewesen/ erhalten hat/
ist unterschiedliches zu mercken:

1. Das erste pactum, so mit Lucio, welcher denselben dazu bewogen/
für seine bemühung eine gewisse summa von jeglichem tausend/ so er erhal-
ten würde/ sich versprechen zu lassen/ gemacht worden/ ist unrecht und dem
gewissen zuwider gewesen; weil es ein pactum de quota litis, welcherley in

den

Das dritte Capitel
zum exempel nach GOttes willen einigen ſchaden oder kranckheit bekommen
ſolte/ welche entweder ungemein oder doch vermuthung waͤre/ daß nach dem
todt die inſpection meines coͤrpers ſolte andern/ ſonderlich medicis, zu ihrem
unterricht/ davon kuͤnfftig auch andere in curen nutzen haben koͤnten/ dienſam
erachtet werden/ wuͤrde ich die oͤffnung eher ſelbs befehlen als verbieten/ und
ſolte mir lieb ſeyn/ nachdem ich nach meinem todt ſonſt mit meinem leibe nie-
mand nutzen kan/ wo auffs wenigſte deſſen unterſuchung dem nechſten nutzete.
Daß ich alſo davor halte/ wie den todten coͤrpern an ſich ſelbs damit nichts
unrechts oder ſchaden geſchihet/ daß auch die lebende/ wo ſie wiſſen ſolten/ daß
mit ihren leibern etwas dergleichen vor waͤre/ ſich deſſen mit gutem fug nicht
zu beſchwehren: Worinnen ich niemand nichts auffbuͤrde/ welches ich nicht
auch eben ſo wol ſelbs an mir zu geſchehen zu frieden waͤre: Welcherley zumu-
thungen am allerwenigſten verdaͤchtig zu achten ſind. 6. Wie es alſo zwahr
einen ſchein einer grauſamkeit hat/ auch noch dazu nicht ohne groſſe ſchmer-
tzen abgehet/ daß man einem lebenden einen arm/ ſchenckel oder dergleichen
glied abloͤſet/ wo es ſchneidens und brennens gibet/ ſo aber alles gerechtferti-
get wird durch die erhaltung des lebens bey demjenigen/ dem ſolches abgeloͤ-
ſet wird: Alſo wird auch aller ſchein der grauſamkeit/ ſo ſich bey dem zerflei-
ſchen der todten und unempfindlichen coͤrper findet/ meines erachtens gnug-
ſam damit purgiret/ weil die erhaltung der geſundheit bey mehrern lebenden/
die dardurch geſucht wird/ deſſen wol wuͤrdig iſt. 7. Jndeſſen ſollen doch
diejenige/ ſo damit umgehen/ auch ſich ſo darbey bezeugen/ daß ſie gedencken/
es ſeyen coͤrper ihrer art/ kein geſpoͤtt darmit treiben/ und insgeſamt nichts
anders darinnen ſuchen/ als was der wahre zweck iſt. Welchen vor augen
habende ſie ſo gar auch bey ſolchem werck zu unterſchiedlichen guten betrach-
tungen gelegenheit finden koͤnnen/ und ſie nicht zu verſaͤumen haben. Die-
ſes waͤren meine gedancken uͤber dieſe fragen. Der HErr aber mache un[s]
ſelbs in allem ſeines willens gewiß. 1691.

SECTIO XVI.
Uber das pactum eines Advocati mit ſeinem
Clienten wegen ſeiner belohnung.

JN der ſache Sempronii, ſo Lucio in einer zweiffelhafftigen rechts-ſa-
che gedienet/ und noch mehr als Lucii hoffnung geweſen/ erhalten hat/
iſt unterſchiedliches zu mercken:

1. Das erſte pactum, ſo mit Lucio, welcher denſelben dazu bewogen/
fuͤr ſeine bemuͤhung eine gewiſſe ſumma von jeglichem tauſend/ ſo er erhal-
ten wuͤrde/ ſich verſprechen zu laſſen/ gemacht worden/ iſt unrecht und dem
gewiſſen zuwider geweſen; weil es ein pactum de quota litis, welcherley in

den
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[368/0376] Das dritte Capitel zum exempel nach GOttes willen einigen ſchaden oder kranckheit bekommen ſolte/ welche entweder ungemein oder doch vermuthung waͤre/ daß nach dem todt die inſpection meines coͤrpers ſolte andern/ ſonderlich medicis, zu ihrem unterricht/ davon kuͤnfftig auch andere in curen nutzen haben koͤnten/ dienſam erachtet werden/ wuͤrde ich die oͤffnung eher ſelbs befehlen als verbieten/ und ſolte mir lieb ſeyn/ nachdem ich nach meinem todt ſonſt mit meinem leibe nie- mand nutzen kan/ wo auffs wenigſte deſſen unterſuchung dem nechſten nutzete. Daß ich alſo davor halte/ wie den todten coͤrpern an ſich ſelbs damit nichts unrechts oder ſchaden geſchihet/ daß auch die lebende/ wo ſie wiſſen ſolten/ daß mit ihren leibern etwas dergleichen vor waͤre/ ſich deſſen mit gutem fug nicht zu beſchwehren: Worinnen ich niemand nichts auffbuͤrde/ welches ich nicht auch eben ſo wol ſelbs an mir zu geſchehen zu frieden waͤre: Welcherley zumu- thungen am allerwenigſten verdaͤchtig zu achten ſind. 6. Wie es alſo zwahr einen ſchein einer grauſamkeit hat/ auch noch dazu nicht ohne groſſe ſchmer- tzen abgehet/ daß man einem lebenden einen arm/ ſchenckel oder dergleichen glied abloͤſet/ wo es ſchneidens und brennens gibet/ ſo aber alles gerechtferti- get wird durch die erhaltung des lebens bey demjenigen/ dem ſolches abgeloͤ- ſet wird: Alſo wird auch aller ſchein der grauſamkeit/ ſo ſich bey dem zerflei- ſchen der todten und unempfindlichen coͤrper findet/ meines erachtens gnug- ſam damit purgiret/ weil die erhaltung der geſundheit bey mehrern lebenden/ die dardurch geſucht wird/ deſſen wol wuͤrdig iſt. 7. Jndeſſen ſollen doch diejenige/ ſo damit umgehen/ auch ſich ſo darbey bezeugen/ daß ſie gedencken/ es ſeyen coͤrper ihrer art/ kein geſpoͤtt darmit treiben/ und insgeſamt nichts anders darinnen ſuchen/ als was der wahre zweck iſt. Welchen vor augen habende ſie ſo gar auch bey ſolchem werck zu unterſchiedlichen guten betrach- tungen gelegenheit finden koͤnnen/ und ſie nicht zu verſaͤumen haben. Die- ſes waͤren meine gedancken uͤber dieſe fragen. Der HErr aber mache uns ſelbs in allem ſeines willens gewiß. 1691. SECTIO XVI. Uber das pactum eines Advocati mit ſeinem Clienten wegen ſeiner belohnung. JN der ſache Sempronii, ſo Lucio in einer zweiffelhafftigen rechts-ſa- che gedienet/ und noch mehr als Lucii hoffnung geweſen/ erhalten hat/ iſt unterſchiedliches zu mercken: 1. Das erſte pactum, ſo mit Lucio, welcher denſelben dazu bewogen/ fuͤr ſeine bemuͤhung eine gewiſſe ſumma von jeglichem tauſend/ ſo er erhal- ten wuͤrde/ ſich verſprechen zu laſſen/ gemacht worden/ iſt unrecht und dem gewiſſen zuwider geweſen; weil es ein pactum de quota litis, welcherley in den

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/376>, abgerufen am 30.12.2024.