Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das dritte Capitel. SECTIO XIX. Als eine mutter einen ungerathenen sohn ins zucht- hauß bringen lassen wolte. JCh habe in der furcht des HErrn der speciei facti und angehängten ra- zu
Das dritte Capitel. SECTIO XIX. Als eine mutter einen ungerathenen ſohn ins zucht- hauß bringen laſſen wolte. JCh habe in der furcht des HErrn der ſpeciei facti und angehaͤngten ra- zu
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Das dritte Capitel.
SECTIO XIX.
Als eine mutter einen ungerathenen ſohn ins zucht-
hauß bringen laſſen wolte.
JCh habe in der furcht des HErrn der ſpeciei facti und angehaͤngten ra-
tionibus pro & contra mit mehrerm nachgedacht/ ſonderlich dieſe gegen
einander erwogen/ da ich denn bekenne/ daß mir die ſache nicht mehr ſo
ſchwehr als bey dem erſten leſen (ohne zweiffel wegen damal ſchwacherer di-
ſpoſition des haupts) vorgekommen/ ſondern ich getraue getroſt zu ſagen/ daß
man mit einſperrung in ein zucht-hauß eines ſolchen menſchen/ bey dem die
boßheit beꝛeits dermaſſen erſtaꝛcket/ daß ſie andeꝛn gelindẽ mitteln nicht mehr
weichet/ und kein ſcheinbarer grund einer guten hoffnung uͤbrig/ vielmehr eine
gerechte ſorge iſt/ daß eine mehrere freyheit auch eine mehrere uͤbung der boß-
heit mit ſich bringen/ ſich nicht verſuͤndigen werde/ ſondern dieſes wol das ei-
nige uͤbrige mittel ſeyn moͤchte/ dardurch er noch erhalten wuͤrde. Man muß
roſſen und maͤulern ein gebiß in das maul legen/ da ſie nicht anders auf den
rechten weg wollen. So ſind die fuͤr ſolche affirmativam angefuͤgte gruͤnde
ſo ſtarck/ daß ſie nicht viel weiter bedoͤrffen bekraͤfftiget zu werden. Was
aber die gegen-gefuͤgte argumenta anlangt/ moͤgen ſie die andern nicht auffhe-
ben. 1. Daß der menſch nur 20. jahr alt. Dann dieſes alter ſchon genug/ von
der gleichen offenbaren laſtern abzuſtehen/ welche nicht nur in einer jeweiligen
jugendlichen uͤbereilung/ da man mit dem alter gedult tragen/ und von dem-
ſelben nicht eben eine ſolche behutſamkeit in allem ſich zu verwahren fordern
kan/ beſtehen/ ſondern eine tieff-eingeſeſſene und eingewurtzelte boßheit an-
deuten: Dero zunehmung ordentlicher weiß mit den jahren eher zu ſorgen/ als
die abnehmung zu hoffen iſt. 2. Daß er ſich beſſern koͤnne/ welches zwahr
nicht zu leugnen/ aber dabey auch vernuͤnfftig zu bedencken/ ob man ſolches zu
geſchehen gegruͤndete hoffnung habe: Welche ich gleichwol betrachtet/ daß
bißhero alle zuſpruͤche vergebens geweſen/ noch nicht ſehe/ es ſeye dann ſache/
daß ein kraͤfftigeres mittel/ als das vorige geweſen/ gegen einen ſolchen har-
ten kopff gebrauchet wuͤrde; desgleichen noch kein fuͤglichers/ als eben dieſe
coercition in dem zucht-hauß abſehe oder vorgeſchlagen finde. Dahero die
muͤglichkeit ſeiner beſſerung dieſem mittel nicht entgegen gehalten werden
ſoll/ ſondern zu deſſen ergreiffung anleitung geben mag. Um ſo vielmehr/
weil die Academien jetzt durch und durch/ ob wol in unterſchiedlichem grad/
dermaſſen bewandt/ daß eher zu ſorgen/ daß durch die uneingeſchren ckte frey-
heit/ taͤglich vor augen ſchwebende aͤrgernuͤſſen und boͤſe geſellſchafft/ auch bey
noch feinen gemuͤthern/ und die ſich zu hauß wol gehalten/ der boͤſe ſaame/ ſo
zu
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