Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das dritte Capitel. ist/ und es ihnen also nicht an demselbigen selbs/ sondern nur gewisser derofühlung mangelt. Die achte Frage. Ob führende rechts-processe und feindschafft mit dem nechsten uns entschuldigen? ES ist das heilige Abendmahl ein mahl der liebe/ nicht nur/ daß in dem- weise
Das dritte Capitel. iſt/ und es ihnen alſo nicht an demſelbigen ſelbs/ ſondern nur gewiſſer derofuͤhlung mangelt. Die achte Frage. Ob fuͤhrende rechts-proceſſe und feindſchafft mit dem nechſten uns entſchuldigen? ES iſt das heilige Abendmahl ein mahl der liebe/ nicht nur/ daß in dem- weiſe
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Das dritte Capitel.
iſt/ und es ihnen alſo nicht an demſelbigen ſelbs/ ſondern nur gewiſſer dero
fuͤhlung mangelt.
Die achte Frage.
Ob fuͤhrende rechts-proceſſe und feindſchafft mit dem nechſten
uns entſchuldigen?
ES iſt das heilige Abendmahl ein mahl der liebe/ nicht nur/ daß in dem-
ſelben Gottes liebe gegen uns ſich herrlich bezeuget/ und die unſere gegen
ihn geuͤbet und geſtaͤrcket wird: ſondern auch/ weil darinne unſere liebe gegen
den nechſten ſich weiſen/ und mehr und mehr anflammen ſolle. Daher wir
nicht anders/ als in hertzlicher liebe hinzugehen doͤrffen/ und dennoch vorher
verbunden ſind/ allen denen/ die uns jemals auffs hefftigſte beleidiget haben/
ſo wahr und vollkommen zu vergeben/ als wir von GOTT die vergebung
bitten und erwarten. Woraus leicht erhellet/ daß tragender groll und
feindſchafft gegen unſern neben-menſchen freylich den menſchen untuͤchtig
zum gebrauch des heiligen Abendmahls mache/ als ein ſtuͤck der in der 3ten
frage beſchriebenen unwuͤrdigkeit. Ob aber ſchon hiedurch ein menſch von
dem heiligen Abendmahl ausgeſchloſſen wird/ wird er darum dadurch nicht
entſchuldiget/ daß er davor halten koͤnte/ daß denn/ weil er mit guten gewiſſen
nicht hinzugehen koͤnne/ er hingegen mit guten gewiſſen davon bleiben moͤge.
Solches folget nicht. Sondern der menſch iſt ſchuldig mit ablegung der
feindſchafft und hertzlichen verſoͤhnung mit dem neben-menſchen/ ſich wuͤrdig
zu machen/ will er GOttes zorn nicht durch ſolche unterlaſſung auff ſich zie-
hen. Es mag ja die ſuͤnde nicht dieſes privilegium haben/ daß ſie uns frey
machte vom goͤttlichen gebot: auch weil ſolcher hartnaͤckiger haß und feind-
ſchafft gegen den nechſten an ſich ſelbs eine todt- und verdammende ſuͤnde iſt/
ſo iſt abermal der menſch/ ſo lange er in derſelben ſtecket/ im verdammlichen
ſtande/ da ihn wiederum ſeine enthaltung des heiligen Abendmahls/ dafern
er dadurch ſeine ſache meinete wieder gut zu machen/ nicht entſchuldigen/
oder goͤttlichem gerichte entziehen kan. Was aber proceſſe anlanget/ ſoiſt
mit unterſcheid davon zu reden. Man ſiehet leider/ daß gewoͤhnlich heuti-
ges tages die ſachen und proceſſe nicht mit der chriſtlichen beſcheidenheit
und maͤßigung der affecten gefuͤhret werden/ wie es ſich geziemete/ daß nem-
lich man die ſachen gegeneinander bis auff richterlichen ausſpruch ſtreiten
lieſſe/ und indeſſen mit der perſon des gegentheils liebreiche freundſchafft
pflegete; ſo gehets aber alles an den meiſten orten mit ſolcher verbitterung
daher/ daß einige gar meinen/ es koͤnnen keine rechts-haͤndel ohne dergleichen
vergaͤltes gemuͤth gefuͤhret werden: weil die exempel/ da es anders hergin-
ge/ ſo garſelten ſich ſehen lieſſen. Da iſt nun gewiß/ daß auff ſolche gehaͤſſige
weiſe
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/140>, abgerufen am 22.02.2025. |