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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XXIV.
nur mit denen ordinari brauchenden mitteln der H. absolution, und des wor-
tes GOttes auch schuldig seyn/ des H. Abendmahls sich zu gebrauchen/ son-
dern daß in unterbleibung desselben/ die übrige mittel alle insgesamt ihnen
nichts nutzen/ sondern vielmehr ihren stand so viel gefährlicher machen/ und
ihr verdammnüß vermehren können.

Die dritte Frage.
Ob unsere unwürdigkeit uns von dem H. Abendmahl abhalten/
und solche entschuldigung angenommen werden solle?

ES verstellet sich der teuffel auch in einen engel des liechts/ 2. Cor. 11/ 14.
und suchet also offt bey uns/ wo er uns zu etwas böses verleiten will/
dasselbe durch dergleichen ursachen/ die nicht allein bey andern/ sondern auch
wol etwa bey uns selbs zuweilen das ansehen der gottseligkeit haben/ zu we-
ge zu bringen: ob wol in der that man sich selbs betrieget. Dazu gehöret
auch gegenwärtige entschuldigung/ wo unser fleisch uns überreden will/ daß/
weil wir allerhand sündliche schwachheiten an uns haben/ ja derselben nie-
mal uns völlig entbrechen können/ wir wegen solcher unwürdigkeit uns nicht
unternehmen sollen/ zu solchem H. tisch uns zu nahen/ und daselbs den leib
und blut des allerheiligsten zu geniessen; weil ausdrücklich Paulus 1. Cor.
11. uns warne/ nicht unwürdig hinzuzugehen. Lautet das nicht eine gottselige
entschuldigung zuseyn/ daß man sich zu unwürdig halte/ einer dergleichen ho-
hen ehre/ Gottes selbs/ theilhafftig zu werden. Diese demuth solte man mei-
nen GOtt wolzu gefallen. So solte man auch meinen/ man ehre ja Christum
so viel höher/ so viel ernstlicher man seine eigene unwürdigkeit erkenne: Und
ist ja dieses ein werck der Gottesfurcht/ weil man diese himmlische gaben nicht
will mit seiner unwürdigkeit entheiligen. So lautets freylich/ wo wirs nach
dem eusserlichen ansehen. Aber lasse sich hier keiner verführen/ es stecket mehr
böses darunter als man meinet. GOtt will dasjenige was wir thun sollen/
nicht davon verurtheilet haben/ wie es uns irgend anständig und fein deuch-
te zu seyn/ sondern nach seiner regel und ordnung. Sonderlich will GOtt
der HErr nicht leiden/ wenn er uns würdigen will seiner gnade/ daß wir aus
einigem vorwand der unwürdigkeit/ uns ihm und derselben entziehen sollen.
Das leget er/ obs schon den nahmeneiner wahren ehrerbietung solte haben/
für einen schimpff und verachtung aus/ gleich ob verstünden wir besser/ wer
würdig zu diesem oder jenem seye/ als er der HErr selbs. So gings Petro/
da der HErr ihm wolte die füsse waschen/ Joh. 13/ 6. da deuchte es ihm all-
zuviel zu seyn/ daß er dieses zugeben solte; sprach also: HErr soltestu mir
die füsse waschen!
ja er wolte es nicht leiden/ obschon der HErr sagte/ er
thue es aus guten ursachen: verdient aber von dem HErrn dadurch einen

gu-

ARTIC. I. SECTIO XXIV.
nur mit denen ordinari brauchenden mitteln der H. abſolution, und des wor-
tes GOttes auch ſchuldig ſeyn/ des H. Abendmahls ſich zu gebrauchen/ ſon-
dern daß in unterbleibung deſſelben/ die uͤbrige mittel alle insgeſamt ihnen
nichts nutzen/ ſondern vielmehr ihren ſtand ſo viel gefaͤhrlicher machen/ und
ihr verdammnuͤß vermehren koͤnnen.

Die dritte Frage.
Ob unſere unwuͤrdigkeit uns von dem H. Abendmahl abhalten/
und ſolche entſchuldigung angenommen werden ſolle?

ES verſtellet ſich der teuffel auch in einen engel des liechts/ 2. Cor. 11/ 14.
und ſuchet alſo offt bey uns/ wo er uns zu etwas boͤſes verleiten will/
daſſelbe durch dergleichen urſachen/ die nicht allein bey andern/ ſondern auch
wol etwa bey uns ſelbs zuweilen das anſehen der gottſeligkeit haben/ zu we-
ge zu bringen: ob wol in der that man ſich ſelbs betrieget. Dazu gehoͤret
auch gegenwaͤrtige entſchuldigung/ wo unſer fleiſch uns uͤberreden will/ daß/
weil wir allerhand ſuͤndliche ſchwachheiten an uns haben/ ja derſelben nie-
mal uns voͤllig entbrechen koͤnnen/ wir wegen ſolcher unwuͤrdigkeit uns nicht
unternehmen ſollen/ zu ſolchem H. tiſch uns zu nahen/ und daſelbs den leib
und blut des allerheiligſten zu genieſſen; weil ausdruͤcklich Paulus 1. Cor.
11. uns warne/ nicht unwuͤrdig hinzuzugehen. Lautet das nicht eine gottſelige
entſchuldigung zuſeyn/ daß man ſich zu unwuͤrdig halte/ einer dergleichen ho-
hen ehre/ Gottes ſelbs/ theilhafftig zu werden. Dieſe demuth ſolte man mei-
nen GOtt wolzu gefallen. So ſolte man auch meinen/ man ehre ja Chriſtum
ſo viel hoͤher/ ſo viel ernſtlicher man ſeine eigene unwuͤrdigkeit erkenne: Und
iſt ja dieſes ein werck der Gottesfurcht/ weil man dieſe himmliſche gaben nicht
will mit ſeiner unwuͤrdigkeit entheiligen. So lautets freylich/ wo wirs nach
dem euſſerlichen anſehen. Aber laſſe ſich hier keiner verfuͤhren/ es ſtecket mehr
boͤſes darunter als man meinet. GOtt will dasjenige was wir thun ſollen/
nicht davon verurtheilet haben/ wie es uns irgend anſtaͤndig und fein deuch-
te zu ſeyn/ ſondern nach ſeiner regel und ordnung. Sonderlich will GOtt
der HErr nicht leiden/ wenn er uns wuͤrdigen will ſeiner gnade/ daß wir aus
einigem vorwand der unwuͤrdigkeit/ uns ihm und derſelben entziehen ſollen.
Das leget er/ obs ſchon den nahmeneiner wahren ehrerbietung ſolte haben/
fuͤr einen ſchimpff und verachtung aus/ gleich ob verſtuͤnden wir beſſer/ wer
wuͤrdig zu dieſem oder jenem ſeye/ als er der HErr ſelbs. So gings Petro/
da der HErr ihm wolte die fuͤſſe waſchen/ Joh. 13/ 6. da deuchte es ihm all-
zuviel zu ſeyn/ daß er dieſes zugeben ſolte; ſprach alſo: HErr ſolteſtu mir
die fuͤſſe waſchen!
ja er wolte es nicht leiden/ obſchon der HErr ſagte/ er
thue es aus guten urſachen: verdient aber von dem HErrn dadurch einen

gu-
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[119/0127] ARTIC. I. SECTIO XXIV. nur mit denen ordinari brauchenden mitteln der H. abſolution, und des wor- tes GOttes auch ſchuldig ſeyn/ des H. Abendmahls ſich zu gebrauchen/ ſon- dern daß in unterbleibung deſſelben/ die uͤbrige mittel alle insgeſamt ihnen nichts nutzen/ ſondern vielmehr ihren ſtand ſo viel gefaͤhrlicher machen/ und ihr verdammnuͤß vermehren koͤnnen. Die dritte Frage. Ob unſere unwuͤrdigkeit uns von dem H. Abendmahl abhalten/ und ſolche entſchuldigung angenommen werden ſolle? ES verſtellet ſich der teuffel auch in einen engel des liechts/ 2. Cor. 11/ 14. und ſuchet alſo offt bey uns/ wo er uns zu etwas boͤſes verleiten will/ daſſelbe durch dergleichen urſachen/ die nicht allein bey andern/ ſondern auch wol etwa bey uns ſelbs zuweilen das anſehen der gottſeligkeit haben/ zu we- ge zu bringen: ob wol in der that man ſich ſelbs betrieget. Dazu gehoͤret auch gegenwaͤrtige entſchuldigung/ wo unſer fleiſch uns uͤberreden will/ daß/ weil wir allerhand ſuͤndliche ſchwachheiten an uns haben/ ja derſelben nie- mal uns voͤllig entbrechen koͤnnen/ wir wegen ſolcher unwuͤrdigkeit uns nicht unternehmen ſollen/ zu ſolchem H. tiſch uns zu nahen/ und daſelbs den leib und blut des allerheiligſten zu genieſſen; weil ausdruͤcklich Paulus 1. Cor. 11. uns warne/ nicht unwuͤrdig hinzuzugehen. Lautet das nicht eine gottſelige entſchuldigung zuſeyn/ daß man ſich zu unwuͤrdig halte/ einer dergleichen ho- hen ehre/ Gottes ſelbs/ theilhafftig zu werden. Dieſe demuth ſolte man mei- nen GOtt wolzu gefallen. So ſolte man auch meinen/ man ehre ja Chriſtum ſo viel hoͤher/ ſo viel ernſtlicher man ſeine eigene unwuͤrdigkeit erkenne: Und iſt ja dieſes ein werck der Gottesfurcht/ weil man dieſe himmliſche gaben nicht will mit ſeiner unwuͤrdigkeit entheiligen. So lautets freylich/ wo wirs nach dem euſſerlichen anſehen. Aber laſſe ſich hier keiner verfuͤhren/ es ſtecket mehr boͤſes darunter als man meinet. GOtt will dasjenige was wir thun ſollen/ nicht davon verurtheilet haben/ wie es uns irgend anſtaͤndig und fein deuch- te zu ſeyn/ ſondern nach ſeiner regel und ordnung. Sonderlich will GOtt der HErr nicht leiden/ wenn er uns wuͤrdigen will ſeiner gnade/ daß wir aus einigem vorwand der unwuͤrdigkeit/ uns ihm und derſelben entziehen ſollen. Das leget er/ obs ſchon den nahmeneiner wahren ehrerbietung ſolte haben/ fuͤr einen ſchimpff und verachtung aus/ gleich ob verſtuͤnden wir beſſer/ wer wuͤrdig zu dieſem oder jenem ſeye/ als er der HErr ſelbs. So gings Petro/ da der HErr ihm wolte die fuͤſſe waſchen/ Joh. 13/ 6. da deuchte es ihm all- zuviel zu ſeyn/ daß er dieſes zugeben ſolte; ſprach alſo: HErr ſolteſtu mir die fuͤſſe waſchen! ja er wolte es nicht leiden/ obſchon der HErr ſagte/ er thue es aus guten urſachen: verdient aber von dem HErrn dadurch einen gu-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/127>, abgerufen am 21.11.2024.