Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. I. SECTIO XXIII. nicht reuen dörffen lassen/ wegen folgender stärckung seines glaubens. Unddieses ist ein weg zur so offtern geistlichen niessung des leibes und blutes JE- su Christi/ als wir mit solcher andacht der andern Sacramentlichen niessung beywohnen. Alle diese angeführte nutzen hoffe ich von solcher wichtigkeit zu seyn/ daß V. Ob am werck-tage/ wenn die predigt verrichtet/ er seinen beruffs- geschäfften nachgehend/ die ihn forciren/ schuldig seye/ für die krancke mit zu beten/ und also der segen von dem Prediger mit- zunehmen; oder ob er wegzugehen macht habe; oder aber wäh- render zeit in der Bibel lesen mag? HJerauff erklähre mich dahin: 1. Die geistliche verrichtungen sind nicht dermassen an den sonntag gebunden/ ob hätten wir die woche damit gar nicht umzugehen/ vielmehr wo wir unsre seele lieben/ werden wir auch in der woche unsern geschäfften einige zeit abbrechen/ gleich wie zur privat-andacht/ dero unsre seele täglich so wol/ als der leib seiner nahrung bedarff/ also auch wo es müglich ist/ zu einigem öffentlichen Gottesdienst und versamm- lung. 2. Jndessen verbinden uns die sonsten zu der gemeinen arbeit gewidme- te wochen-tage nicht mit gleicher strenge zu dem öffentlichen Gottesdienst/ wie an dem sontag/ den wir nach vermögen dem HErrn gantz zu widmen ge- halten sind. 3. Ob also wol sonntags vor geendigtem Gottesdienst ohne sonderba- re noth sich aus der versammlung vor dem schluß zu begeben/ nicht ziehmlich seyn will/ auch fast gewisses anderer ärgernüß geben dörffte; halte ich doch/ wo ehrliche geschäfften des beruffs einen christlichen mann trucken/ daß er nicht ohne merckliche versäumung das ende der versammlung auswarten kan/ daß er ohne sünde sichmit dem gehör göttlichen worts und dem gebet ver- gnügen könne/ nach diesem aber seinem eusser lichen beruff nachgehen dörffe. 4. Jndessen verstehet sich doch dabey/ daß er insgesamt für die krancke/ so der gemeinde werden vorgetragen/ sein gebet vorher thue/ und derselben auch zu hauß gedencke. Was das Bibel-lesen anlangt/ ist bey der 3. frage meldung geschehen. 5. Jedoch rathete ich/ daß ein solcher nicht allezeit hinaus gehe/ und bey andern den bösen schein gebe/ als ob er den segen gantz verachte: sondern zuweilen/ wo ihn die geschäffte treiben/ sich seiner freyheit gebrauche; zu an- dernmalen aber/ wo er weniger gehindert ist/ auch zu anderer erbauung drin- nen bleibe. 6. Ob O 2
ARTIC. I. SECTIO XXIII. nicht reuen doͤrffen laſſen/ wegen folgender ſtaͤrckung ſeines glaubens. Unddieſes iſt ein weg zur ſo offtern geiſtlichen nieſſung des leibes und blutes JE- ſu Chriſti/ als wir mit ſolcher andacht der andern Sacramentlichen nieſſung beywohnen. Alle dieſe angefuͤhrte nutzen hoffe ich von ſolcher wichtigkeit zu ſeyn/ daß V. Ob am werck-tage/ wenn die predigt verrichtet/ er ſeinen beruffs- geſchaͤfften nachgehend/ die ihn forciren/ ſchuldig ſeye/ fuͤr die krancke mit zu beten/ und alſo der ſegen von dem Prediger mit- zunehmen; oder ob er wegzugehen macht habe; oder aber waͤh- render zeit in der Bibel leſen mag? HJerauff erklaͤhre mich dahin: 1. Die geiſtliche verrichtungen ſind nicht dermaſſen an den ſonntag gebunden/ ob haͤtten wir die woche damit gar nicht umzugehen/ vielmehr wo wir unſre ſeele lieben/ werden wir auch in der woche unſern geſchaͤfften einige zeit abbrechen/ gleich wie zur privat-andacht/ dero unſre ſeele taͤglich ſo wol/ als der leib ſeiner nahrung bedarff/ alſo auch wo es muͤglich iſt/ zu einigem oͤffentlichen Gottesdienſt und verſamm- lung. 2. Jndeſſen verbinden uns die ſonſten zu der gemeinen arbeit gewidme- te wochen-tage nicht mit gleicher ſtrenge zu dem oͤffentlichen Gottesdienſt/ wie an dem ſontag/ den wir nach vermoͤgen dem HErrn gantz zu widmen ge- halten ſind. 3. Ob alſo wol ſonntags vor geendigtem Gottesdienſt ohne ſonderba- re noth ſich aus der verſammlung vor dem ſchluß zu begeben/ nicht ziehmlich ſeyn will/ auch faſt gewiſſes anderer aͤrgernuͤß geben doͤrffte; halte ich doch/ wo ehrliche geſchaͤfften des beruffs einen chriſtlichen mann trucken/ daß er nicht ohne merckliche verſaͤumung das ende der verſammlung auswarten kan/ daß er ohne ſuͤnde ſichmit dem gehoͤr goͤttlichen worts und dem gebet ver- gnuͤgen koͤnne/ nach dieſem aber ſeinem euſſer lichen beruff nachgehen doͤrffe. 4. Jndeſſen verſtehet ſich doch dabey/ daß er insgeſamt fuͤr die krancke/ ſo der gemeinde werden vorgetragen/ ſein gebet vorher thue/ und derſelben auch zu hauß gedencke. Was das Bibel-leſen anlangt/ iſt bey der 3. frage meldung geſchehen. 5. Jedoch rathete ich/ daß ein ſolcher nicht allezeit hinaus gehe/ und bey andern den boͤſen ſchein gebe/ als ob er den ſegen gantz verachte: ſondern zuweilen/ wo ihn die geſchaͤffte treiben/ ſich ſeiner freyheit gebrauche; zu an- dernmalen aber/ wo er weniger gehindert iſt/ auch zu anderer erbauung drin- nen bleibe. 6. Ob O 2
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ARTIC. I. SECTIO XXIII.
nicht reuen doͤrffen laſſen/ wegen folgender ſtaͤrckung ſeines glaubens. Und
dieſes iſt ein weg zur ſo offtern geiſtlichen nieſſung des leibes und blutes JE-
ſu Chriſti/ als wir mit ſolcher andacht der andern Sacramentlichen nieſſung
beywohnen.
Alle dieſe angefuͤhrte nutzen hoffe ich von ſolcher wichtigkeit zu ſeyn/ daß
ſie uns das verbleiben bey der communion angenehm machen ſollen.
V.
Ob am werck-tage/ wenn die predigt verrichtet/ er ſeinen beruffs-
geſchaͤfften nachgehend/ die ihn forciren/ ſchuldig ſeye/ fuͤr die
krancke mit zu beten/ und alſo der ſegen von dem Prediger mit-
zunehmen; oder ob er wegzugehen macht habe; oder aber waͤh-
render zeit in der Bibel leſen mag?
HJerauff erklaͤhre mich dahin: 1. Die geiſtliche verrichtungen ſind nicht
dermaſſen an den ſonntag gebunden/ ob haͤtten wir die woche damit gar
nicht umzugehen/ vielmehr wo wir unſre ſeele lieben/ werden wir auch in der
woche unſern geſchaͤfften einige zeit abbrechen/ gleich wie zur privat-andacht/
dero unſre ſeele taͤglich ſo wol/ als der leib ſeiner nahrung bedarff/ alſo
auch wo es muͤglich iſt/ zu einigem oͤffentlichen Gottesdienſt und verſamm-
lung.
2. Jndeſſen verbinden uns die ſonſten zu der gemeinen arbeit gewidme-
te wochen-tage nicht mit gleicher ſtrenge zu dem oͤffentlichen Gottesdienſt/
wie an dem ſontag/ den wir nach vermoͤgen dem HErrn gantz zu widmen ge-
halten ſind.
3. Ob alſo wol ſonntags vor geendigtem Gottesdienſt ohne ſonderba-
re noth ſich aus der verſammlung vor dem ſchluß zu begeben/ nicht ziehmlich
ſeyn will/ auch faſt gewiſſes anderer aͤrgernuͤß geben doͤrffte; halte ich doch/
wo ehrliche geſchaͤfften des beruffs einen chriſtlichen mann trucken/ daß er
nicht ohne merckliche verſaͤumung das ende der verſammlung auswarten
kan/ daß er ohne ſuͤnde ſichmit dem gehoͤr goͤttlichen worts und dem gebet ver-
gnuͤgen koͤnne/ nach dieſem aber ſeinem euſſer lichen beruff nachgehen doͤrffe.
4. Jndeſſen verſtehet ſich doch dabey/ daß er insgeſamt fuͤr die krancke/
ſo der gemeinde werden vorgetragen/ ſein gebet vorher thue/ und derſelben
auch zu hauß gedencke. Was das Bibel-leſen anlangt/ iſt bey der 3. frage
meldung geſchehen.
5. Jedoch rathete ich/ daß ein ſolcher nicht allezeit hinaus gehe/ und
bey andern den boͤſen ſchein gebe/ als ob er den ſegen gantz verachte: ſondern
zuweilen/ wo ihn die geſchaͤffte treiben/ ſich ſeiner freyheit gebrauche; zu an-
dernmalen aber/ wo er weniger gehindert iſt/ auch zu anderer erbauung drin-
nen bleibe.
6. Ob
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