Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XIV. gen der eusserlichen gemeinschafft des bundes GOttes/ und des daselbs nochbefindlich gewesten eusserlichen Gottesdiensts. So möchten wir die sichtba- re kirche hieraus beschreiben/ eine versammlung der beruffenen heili- gen/ aber in dem verstand/ welcher auch der kirchen zu Corintho zukommen mag. 4. Unser liebe HErr Christus selbs nennet seine kirche/ nicht nur wie sie allein aus den ihm bekanten wahren glaubigen/ die seine lebendige glieder sind/ bestehet/ sondern wie sie auch viel böse in sich fasset/ das himmelreich/ und also freylich eine wahre kirche. Matth. 13/ 24. wird das himmelreich verglichen einem acker/ auff dem nicht nur weitzen/ sondern auch unkraut stehet/ und biß zum ende der welt stehen solle. v. 47. einem netz/ da gute und faule fisch darinnen sind/ da diese von jenen erst an dem ende der welt wer den abgesondert werden. Matth. 22/ 10. 11. einem hochzeitmal/ bey dem sich auch der mann findet/ so kein hochzeitlich kleid an hatte. 5. Ob dann nun wol die unsichtbare kirche die vornehmste ist/ so dörffen wir dannoch der sichtbaren/ wie sie aus guten und bösen bestehet/ solchen nahmen den ihr Christus gibet/ nicht nach unserm gutdüncken absprechen/ daher auch eine solche definition gemacht werden muß/ welche derselben zu- kommet. 6. Jndessen in den jenigen dingen/ welche der kirche zukommen/ oder von derselben gesagt werden/ muß man allezeit wol acht geben/ und andre acht geben lehren/ was der sichtbaren und unsichtbaren kirchen zukomme: son- derlich aber stets treiben/ daß uns allein die gemeinschafft der unsichtbaren kirchen heilig mache/ die gemeinschafft der sichtbarn aber gebe nur das recht zu den göttlichen gnaden-mitteln und gelegenheit sich derselben zu gebrau- chen/ daher seye es allein eine eusserliche gemeinschafft des bundes/ zu dero die innere noch kommen müsse/ wollen wir selig werden. Wie in dem A. T. die eusserliche gemeinschafft der Jsraelitischen kirchen ihren gliedern ein grosser vortheil war/ wegen nähern rechts und gelegenheit zu den gnaden-mitteln/ aber keinen selig machte/ er wäre denn auch innerlich ein wahrer Jsraelit. Ei- ne gleiche bewandnüß hats noch jetzt auch mit der Christlichen kirchen. V. Von der vergebung der sünden. 1. WAs anlangt/ daß einer dem andern/ der ihn beleidiget hat/ möge seine sünden verzeihen/ ja dazu angewiesen werde/ ist ausser allem zweif- fel. Doch dabey zu mercken/ daß ein solcher die vergebung eigentlich in sei- nem/ nicht in GOttes nahmen thut/ und also dem menschen dasjenige recht/ so er wider ihn wegen der gelittenen beleidigung hätte/ nachlässet. Daher gesche- L 2
SECTIO XIV. gen der euſſerlichen gemeinſchafft des bundes GOttes/ und des daſelbs nochbefindlich geweſten euſſerlichen Gottesdienſts. So moͤchten wir die ſichtba- re kirche hieraus beſchreiben/ eine verſammlung der beruffenen heili- gen/ aber in dem verſtand/ welcher auch der kirchen zu Corintho zukommen mag. 4. Unſer liebe HErr Chriſtus ſelbs nennet ſeine kirche/ nicht nur wie ſie allein aus den ihm bekanten wahren glaubigen/ die ſeine lebendige glieder ſind/ beſtehet/ ſondern wie ſie auch viel boͤſe in ſich faſſet/ das himmelreich/ und alſo freylich eine wahre kirche. Matth. 13/ 24. wird das himmelreich verglichen einem acker/ auff dem nicht nur weitzen/ ſondern auch unkraut ſtehet/ und biß zum ende der welt ſtehen ſolle. v. 47. einem netz/ da gute und faule fiſch darinnen ſind/ da dieſe von jenen erſt an dem ende der welt wer den abgeſondert werden. Matth. 22/ 10. 11. einem hochzeitmal/ bey dem ſich auch der mann findet/ ſo kein hochzeitlich kleid an hatte. 5. Ob dann nun wol die unſichtbare kirche die vornehmſte iſt/ ſo doͤrffen wir dannoch der ſichtbaren/ wie ſie aus guten und boͤſen beſtehet/ ſolchen nahmen den ihr Chriſtus gibet/ nicht nach unſerm gutduͤncken abſprechen/ daher auch eine ſolche definition gemacht werden muß/ welche derſelben zu- kommet. 6. Jndeſſen in den jenigen dingen/ welche der kirche zukommen/ oder von derſelben geſagt werden/ muß man allezeit wol acht geben/ und andre acht geben lehren/ was der ſichtbaren und unſichtbaren kirchen zukomme: ſon- derlich aber ſtets treiben/ daß uns allein die gemeinſchafft der unſichtbaren kirchen heilig mache/ die gemeinſchafft der ſichtbarn aber gebe nur das recht zu den goͤttlichen gnaden-mitteln und gelegenheit ſich derſelben zu gebrau- chen/ daher ſeye es allein eine euſſerliche gemeinſchafft des bundes/ zu dero die innere noch kommen muͤſſe/ wollen wir ſelig werden. Wie in dem A. T. die euſſerliche gemeinſchafft der Jſraelitiſchen kirchen ihren gliedern ein groſſer vortheil war/ wegen naͤhern rechts und gelegenheit zu den gnaden-mitteln/ aber keinen ſelig machte/ er waͤre denn auch innerlich ein wahrer Jſraelit. Ei- ne gleiche bewandnuͤß hats noch jetzt auch mit der Chriſtlichen kirchen. V. Von der vergebung der ſuͤnden. 1. WAs anlangt/ daß einer dem andern/ der ihn beleidiget hat/ moͤge ſeine ſuͤnden verzeihen/ ja dazu angewieſen werde/ iſt auſſer allem zweif- fel. Doch dabey zu mercken/ daß ein ſolcher die vergebung eigentlich in ſei- nem/ nicht in GOttes nahmen thut/ und alſo dem menſchen dasjenige recht/ ſo er wider ihn wegen der gelittenen beleidigung haͤtte/ nachlaͤſſet. Daher geſche- L 2
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SECTIO XIV.
gen der euſſerlichen gemeinſchafft des bundes GOttes/ und des daſelbs noch
befindlich geweſten euſſerlichen Gottesdienſts. So moͤchten wir die ſichtba-
re kirche hieraus beſchreiben/ eine verſammlung der beruffenen heili-
gen/ aber in dem verſtand/ welcher auch der kirchen zu Corintho zukommen
mag.
4. Unſer liebe HErr Chriſtus ſelbs nennet ſeine kirche/ nicht nur wie ſie
allein aus den ihm bekanten wahren glaubigen/ die ſeine lebendige glieder
ſind/ beſtehet/ ſondern wie ſie auch viel boͤſe in ſich faſſet/ das himmelreich/
und alſo freylich eine wahre kirche. Matth. 13/ 24. wird das himmelreich
verglichen einem acker/ auff dem nicht nur weitzen/ ſondern auch unkraut
ſtehet/ und biß zum ende der welt ſtehen ſolle. v. 47. einem netz/ da gute und
faule fiſch darinnen ſind/ da dieſe von jenen erſt an dem ende der welt wer
den abgeſondert werden. Matth. 22/ 10. 11. einem hochzeitmal/ bey dem ſich
auch der mann findet/ ſo kein hochzeitlich kleid an hatte.
5. Ob dann nun wol die unſichtbare kirche die vornehmſte iſt/ ſo doͤrffen
wir dannoch der ſichtbaren/ wie ſie aus guten und boͤſen beſtehet/ ſolchen
nahmen den ihr Chriſtus gibet/ nicht nach unſerm gutduͤncken abſprechen/
daher auch eine ſolche definition gemacht werden muß/ welche derſelben zu-
kommet.
6. Jndeſſen in den jenigen dingen/ welche der kirche zukommen/ oder
von derſelben geſagt werden/ muß man allezeit wol acht geben/ und andre
acht geben lehren/ was der ſichtbaren und unſichtbaren kirchen zukomme: ſon-
derlich aber ſtets treiben/ daß uns allein die gemeinſchafft der unſichtbaren
kirchen heilig mache/ die gemeinſchafft der ſichtbarn aber gebe nur das recht
zu den goͤttlichen gnaden-mitteln und gelegenheit ſich derſelben zu gebrau-
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innere noch kommen muͤſſe/ wollen wir ſelig werden. Wie in dem A. T. die
euſſerliche gemeinſchafft der Jſraelitiſchen kirchen ihren gliedern ein groſſer
vortheil war/ wegen naͤhern rechts und gelegenheit zu den gnaden-mitteln/
aber keinen ſelig machte/ er waͤre denn auch innerlich ein wahrer Jſraelit. Ei-
ne gleiche bewandnuͤß hats noch jetzt auch mit der Chriſtlichen kirchen.
V.
Von der vergebung der ſuͤnden.
1. WAs anlangt/ daß einer dem andern/ der ihn beleidiget hat/ moͤge ſeine
ſuͤnden verzeihen/ ja dazu angewieſen werde/ iſt auſſer allem zweif-
fel. Doch dabey zu mercken/ daß ein ſolcher die vergebung eigentlich in ſei-
nem/ nicht in GOttes nahmen thut/ und alſo dem menſchen dasjenige recht/
ſo er wider ihn wegen der gelittenen beleidigung haͤtte/ nachlaͤſſet. Daher
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/99>, abgerufen am 22.07.2024. |