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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
die sich darnach in die ordnung Gottes willig begeben werden: da wir jtzt einen
folchen hauffen heiden unter uns haben/ die wir vergebens hoffen in particulaer
pflichten zum gehorsam Christi zu bringen/ ehe das hertz ins gemein geändert wird.
Wo endlich die Obrigkeit das ihrige mit der euserlichen disciplin thut/ wird die
boßheit etwas zurückgehalten/ und sind die ärgernüssen nicht in allen augen so
scheinbar: weil aber solches nur heuchler giebt/ und doch einiger sicherheit stär-
cket/ scheinets/ Gott lasse es in seinem gericht dahin kommen/ daß auch kaum einige
Obrigkeiten das ihrige darinnen thun/ damit wir fein das heidenthum bey unsern
leuten recht sehen/ und ihre boßheit jedermann offenbahr werde. Jch sorge auch
sehr/ es bleibe darbey/ wie ich offt geklagt/ wir werden mit dem flickwerck (ob
wir wol nichts desto weniger unser seits fortfahren/ und so lang wirs vermögen
flicken müssen) nichts ausrichten/ sondern der Herr wird bald kommen/ und unser ge-
bäu miteinander um schmeissen/ um es nachmal auff eine bessere art selbs auffzu-
richten. Daher habe lange die hoffnung fallen lassen/ daß eine durchgehende
oder nur etwas weit sich erstreckende öffentliche besserung des christenthums wer-
de dißmal ausgerichtet werden/ dero die zeiten dieser gericht im weg stehen/ son-
dern ob wir wol an allen unsern gemeinden nach vermögen zn arbeiten/ auch an-
derer hülffe in dem eusserlichen auzuruffen haben/ wird doch alles solches nur seyn
zum zeugniß über sie. Unsre wahre frucht aber wird diese seyn/ daß wir nach jeg-
licher in seinem häufflein die seelen so sich von der krafft des worts rühren lassen/
und eusserliches zwangs wenig bedörffen/ retten und sie zu einem rechtschaffnen
wesen in Christo bringen/ daß sie in den vorstehenden trübsalen bestehen wenn al-
les andere hinfallen wird/ und die lebendige steine werden/ daraus der HErr
sein zion nach etwa nicht so langer zeit bauen wird. Die übrige meiste sind bereits
in verkehrten sinn gegeben. Es ist zwar dieses eine fast traurige lehr/ aber wo wir
die zeichen unsrer zeit recht beurtheilen wollen/ der göttlichen heiligen und gerech-
ten regierung gemäß/ und uns zuwissen gantz nötig/ nicht zwahr daß wir denn
die meiste leute bloß dahin gehen lassen/ und nichts an ihnen versuchen wolten/ so
nicht recht wäre/ sondern daß wir uns nicht befrembden oder ärgern/ wenn wir
mit der arbeit kaum etwas auszurichten sehen/ und ohne diese erkäntniß vor uns
selbs in verzweifflungs gedancken fallen möchten. Ach der Herr Herr stehe uns
bey/ gebe uns jetzo die nötige weißheit/ und komme bald mit seiner mächtigen
hülffe darauff er uns vertröstet hat. 1688.

SECTIO XXV.
Von proclamation einer berüchtigten person.

ES ist sponsa entweder der leichtfertigkeit nur berüchtiget/ aber nie öffent-
lich überzeuget/ oder ihre schande ist offenbahr (zum exempel/ daß sie be-
kantlich ein kind gehabt/ ihren fall also gestanden/ daß er bekannt wor-

den)

Das andere Capitel.
die ſich darnach in die ordnung Gottes willig begeben werden: da wir jtzt einen
folchen hauffen heiden unter uns haben/ die wir vergebens hoffen in particulær
pflichten zum gehorſam Chriſti zu bringen/ ehe das hertz ins gemein geaͤndert wird.
Wo endlich die Obrigkeit das ihrige mit der euſerlichen diſciplin thut/ wird die
boßheit etwas zuruͤckgehalten/ und ſind die aͤrgernuͤſſen nicht in allen augen ſo
ſcheinbar: weil aber ſolches nur heuchler giebt/ und doch einiger ſicherheit ſtaͤr-
cket/ ſcheinets/ Gott laſſe es in ſeinem gericht dahin kommen/ daß auch kaum einige
Obrigkeiten das ihrige darinnen thun/ damit wir fein das heidenthum bey unſern
leuten recht ſehen/ und ihre boßheit jedermann offenbahr werde. Jch ſorge auch
ſehr/ es bleibe darbey/ wie ich offt geklagt/ wir werden mit dem flickwerck (ob
wir wol nichts deſto weniger unſer ſeits fortfahren/ und ſo lang wirs vermoͤgen
flicken muͤſſen) nichts ausrichten/ ſondern der Herr wird bald kom̃en/ und unſer ge-
baͤu miteinander um ſchmeiſſen/ um es nachmal auff eine beſſere art ſelbs auffzu-
richten. Daher habe lange die hoffnung fallen laſſen/ daß eine durchgehende
oder nur etwas weit ſich erſtreckende oͤffentliche beſſerung des chriſtenthums wer-
de dißmal ausgerichtet werden/ dero die zeiten dieſer gericht im weg ſtehen/ ſon-
dern ob wir wol an allen unſern gemeinden nach vermoͤgen zn arbeiten/ auch an-
derer huͤlffe in dem euſſerlichen auzuruffen haben/ wird doch alles ſolches nur ſeyn
zum zeugniß uͤber ſie. Unſre wahre frucht aber wird dieſe ſeyn/ daß wir nach jeg-
licher in ſeinem haͤufflein die ſeelen ſo ſich von der krafft des worts ruͤhren laſſen/
und euſſerliches zwangs wenig bedoͤrffen/ retten und ſie zu einem rechtſchaffnen
weſen in Chriſto bringen/ daß ſie in den vorſtehenden truͤbſalen beſtehen wenn al-
les andere hinfallen wird/ und die lebendige ſteine werden/ daraus der HErr
ſein zion nach etwa nicht ſo langer zeit bauen wird. Die uͤbrige meiſte ſind bereits
in verkehrten ſinn gegeben. Es iſt zwar dieſes eine faſt traurige lehr/ aber wo wir
die zeichen unſrer zeit recht beurtheilen wollen/ der goͤttlichen heiligen und gerech-
ten regierung gemaͤß/ und uns zuwiſſen gantz noͤtig/ nicht zwahr daß wir denn
die meiſte leute bloß dahin gehen laſſen/ und nichts an ihnen verſuchen wolten/ ſo
nicht recht waͤre/ ſondern daß wir uns nicht befrembden oder aͤrgern/ wenn wir
mit der arbeit kaum etwas auszurichten ſehen/ und ohne dieſe erkaͤntniß vor uns
ſelbs in verzweifflungs gedancken fallen moͤchten. Ach der Herr Herr ſtehe uns
bey/ gebe uns jetzo die noͤtige weißheit/ und komme bald mit ſeiner maͤchtigen
huͤlffe darauff er uns vertroͤſtet hat. 1688.

SECTIO XXV.
Von proclamation einer beruͤchtigten perſon.

ES iſt ſponſa entweder der leichtfertigkeit nur beruͤchtiget/ aber nie oͤffent-
lich uͤberzeuget/ oder ihre ſchande iſt offenbahr (zum exempel/ daß ſie be-
kantlich ein kind gehabt/ ihren fall alſo geſtanden/ daß er bekannt wor-

den)
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[92/0892] Das andere Capitel. die ſich darnach in die ordnung Gottes willig begeben werden: da wir jtzt einen folchen hauffen heiden unter uns haben/ die wir vergebens hoffen in particulær pflichten zum gehorſam Chriſti zu bringen/ ehe das hertz ins gemein geaͤndert wird. Wo endlich die Obrigkeit das ihrige mit der euſerlichen diſciplin thut/ wird die boßheit etwas zuruͤckgehalten/ und ſind die aͤrgernuͤſſen nicht in allen augen ſo ſcheinbar: weil aber ſolches nur heuchler giebt/ und doch einiger ſicherheit ſtaͤr- cket/ ſcheinets/ Gott laſſe es in ſeinem gericht dahin kommen/ daß auch kaum einige Obrigkeiten das ihrige darinnen thun/ damit wir fein das heidenthum bey unſern leuten recht ſehen/ und ihre boßheit jedermann offenbahr werde. Jch ſorge auch ſehr/ es bleibe darbey/ wie ich offt geklagt/ wir werden mit dem flickwerck (ob wir wol nichts deſto weniger unſer ſeits fortfahren/ und ſo lang wirs vermoͤgen flicken muͤſſen) nichts ausrichten/ ſondern der Herr wird bald kom̃en/ und unſer ge- baͤu miteinander um ſchmeiſſen/ um es nachmal auff eine beſſere art ſelbs auffzu- richten. Daher habe lange die hoffnung fallen laſſen/ daß eine durchgehende oder nur etwas weit ſich erſtreckende oͤffentliche beſſerung des chriſtenthums wer- de dißmal ausgerichtet werden/ dero die zeiten dieſer gericht im weg ſtehen/ ſon- dern ob wir wol an allen unſern gemeinden nach vermoͤgen zn arbeiten/ auch an- derer huͤlffe in dem euſſerlichen auzuruffen haben/ wird doch alles ſolches nur ſeyn zum zeugniß uͤber ſie. Unſre wahre frucht aber wird dieſe ſeyn/ daß wir nach jeg- licher in ſeinem haͤufflein die ſeelen ſo ſich von der krafft des worts ruͤhren laſſen/ und euſſerliches zwangs wenig bedoͤrffen/ retten und ſie zu einem rechtſchaffnen weſen in Chriſto bringen/ daß ſie in den vorſtehenden truͤbſalen beſtehen wenn al- les andere hinfallen wird/ und die lebendige ſteine werden/ daraus der HErr ſein zion nach etwa nicht ſo langer zeit bauen wird. Die uͤbrige meiſte ſind bereits in verkehrten ſinn gegeben. Es iſt zwar dieſes eine faſt traurige lehr/ aber wo wir die zeichen unſrer zeit recht beurtheilen wollen/ der goͤttlichen heiligen und gerech- ten regierung gemaͤß/ und uns zuwiſſen gantz noͤtig/ nicht zwahr daß wir denn die meiſte leute bloß dahin gehen laſſen/ und nichts an ihnen verſuchen wolten/ ſo nicht recht waͤre/ ſondern daß wir uns nicht befrembden oder aͤrgern/ wenn wir mit der arbeit kaum etwas auszurichten ſehen/ und ohne dieſe erkaͤntniß vor uns ſelbs in verzweifflungs gedancken fallen moͤchten. Ach der Herr Herr ſtehe uns bey/ gebe uns jetzo die noͤtige weißheit/ und komme bald mit ſeiner maͤchtigen huͤlffe darauff er uns vertroͤſtet hat. 1688. SECTIO XXV. Von proclamation einer beruͤchtigten perſon. ES iſt ſponſa entweder der leichtfertigkeit nur beruͤchtiget/ aber nie oͤffent- lich uͤberzeuget/ oder ihre ſchande iſt offenbahr (zum exempel/ daß ſie be- kantlich ein kind gehabt/ ihren fall alſo geſtanden/ daß er bekannt wor- den)

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/892>, abgerufen am 21.11.2024.