Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. III. SECTIO XLI. der ihn zu bessern gedacht/ beschwehren sollen: massen es auch in solchem fallseiner unschuld/ nichts destoweniger unrecht gewesen wäre/ das ihm in ge- heim wiederfahrne auff öffentliche cantzel zu bringen; es wäre dann sach/ daß er auch sonsten ein gericht darvon unter den leuten gehöret/ und ein ärgernüß das einige an ihm nehmen möchten/ daraus besorgen müssen/ da ihm so weit zugehen erlaubt gewesen wäre/ daß dergleichen von ihm fälschlich aus- sprenget würde/ mit solcher bezeugung seiner unschuld/ die er zulänglich/ und seiner person nach Christi regeln anständig erkennet/ hingegen mit gäntzlicher übergehung dessen/ was zwischen ihm und dem beichtvater vorgegangen. 4. Wann aber das gegentheil geschehen/ und der prediger sich über seinen beicht- vater und dessen geheime handlung offentlich beschwehret/ oder doch bey an- dern zu dessen nachtheil klage geführet/ ist solches ein neues unrecht/ mit dem er sich an dem beichtvater versündiget hat: in dem nicht allein es eine grobe undanckbarkeit ist/ vor die liebe/ da man vor seine besserung gesorgt/ unglei- ches zuvergelten/ sondern streitet auch wider die genaue verbindung/ welche zwischen beicht-vater und beicht-sohn sich zufinden geziehmet/ in dem wie die- ser von jenem erfordert/ daß was er ihm/ oder in ihm GOtt dem HErrn/ an- vertrauet hat/ in aller geheim behalte/ und mit sich sterben lasse/ hingegen wo er etwas davon ausschwatzete/ solches vor eine große untreu auslegen wür- de/ eben also kan auch der beicht-vater von dem andern mit allem recht fordern/ daß er auch nichts dessen/ was mit ihm in GOttes nahmen; ge- handelt worden/ zu einigem seinem nachtheil austragen. 5. Daher hat der prediger damit auffs neue eine scharffe bestraffung verschuldet/ und zwahr nun nicht mehr allein in geheim/ sondern mit zu ziehung auch des Inspecto- ris, als beyderseits vorgesetzten: damit durch zusammengesetzten zuspruch das gewissen so viel kräfftiger gerühret/ der mann zur erkäntnüß der sünden gebracht/ und also vermittels göttl. gnade wircklich gebessert werde. Worzu so wol die weißheit/ so in dem werck nöthig/ als kräfftigen seegen von dem himmlischen Vater hertzlich anwünsche. 1700. SECTIO XLII. Wegen eines predigers heyrath. Ob ein prediger eine jungfrau/ die im übrigen ein zeugnüß Christ- lichen lebens hat/ von dero ihm aber in der beicht bekant wor- den/ daß in dem 12jahr ihres alters 2 knaben mit ihr so fern muth- willen getrieben/ daß sie etzliche mahl einander an unzüchtigen or- ten betastet/ gleichwol daß es nicht weiter unter ihnen gekommen/ auch nachmahl ferner nicht geschehen (wie sie auch selbs auff vor- halten dasselbige bekant/ mit thränen der jugend fehler beweint/ auch folgend einen keuschen wandel geführet) zu heyrathen sich bedencken machen solle? Wo
ARTIC. III. SECTIO XLI. der ihn zu beſſern gedacht/ beſchwehren ſollen: maſſen es auch in ſolchem fallſeiner unſchuld/ nichts deſtoweniger unrecht geweſen waͤre/ das ihm in ge- heim wiederfahrne auff oͤffentliche cantzel zu bringen; es waͤre dann ſach/ daß er auch ſonſten ein gericht darvon unter den leuten gehoͤret/ und ein aͤrgernuͤß das einige an ihm nehmen moͤchten/ daraus beſorgen muͤſſen/ da ihm ſo weit zugehen erlaubt geweſen waͤre/ daß dergleichen von ihm faͤlſchlich aus- ſprenget wuͤrde/ mit ſolcher bezeugung ſeiner unſchuld/ die er zulaͤnglich/ und ſeiner perſon nach Chriſti regeln anſtaͤndig erkennet/ hingegen mit gaͤntzlicher uͤbergehung deſſen/ was zwiſchen ihm und dem beichtvater vorgegangen. 4. Wann aber das gegentheil geſchehen/ und deꝛ prediger ſich uͤber ſeinen beicht- vater und deſſen geheime handlung offentlich beſchwehret/ oder doch bey an- dern zu deſſen nachtheil klage gefuͤhret/ iſt ſolches ein neues unrecht/ mit dem er ſich an dem beichtvater verſuͤndiget hat: in dem nicht allein es eine grobe undanckbarkeit iſt/ vor die liebe/ da man vor ſeine beſſerung geſorgt/ unglei- ches zuvergelten/ ſondern ſtreitet auch wider die genaue veꝛbindung/ welche zwiſchen beicht-vater und beicht-ſohn ſich zufinden geziehmet/ in dem wie die- ſer von jenem erfordert/ daß was er ihm/ oder in ihm GOtt dem HErrn/ an- vertrauet hat/ in aller geheim behalte/ und mit ſich ſterben laſſe/ hingegen wo er etwas davon ausſchwatzete/ ſolches vor eine große untreu auslegen wuͤr- de/ eben alſo kan auch der beicht-vater von dem andern mit allem recht fordern/ daß er auch nichts deſſen/ was mit ihm in GOttes nahmen; ge- handelt worden/ zu einigem ſeinem nachtheil austragen. 5. Daher hat der prediger damit auffs neue eine ſcharffe beſtraffung verſchuldet/ und zwahr nun nicht mehr allein in geheim/ ſondern mit zu ziehung auch des Inſpecto- ris, als beyderſeits vorgeſetzten: damit durch zuſammengeſetzten zuſpruch das gewiſſen ſo viel kraͤfftiger geruͤhret/ der mann zur erkaͤntnuͤß der ſuͤnden gebracht/ und alſo vermittels goͤttl. gnade wircklich gebeſſert werde. Worzu ſo wol die weißheit/ ſo in dem werck noͤthig/ als kraͤfftigen ſeegen von dem himmliſchen Vater hertzlich anwuͤnſche. 1700. SECTIO XLII. Wegen eines predigers heyrath. Ob ein prediger eine jungfrau/ die im uͤbrigen ein zeugnuͤß Chriſt- lichen lebens hat/ von dero ihm aber in der beicht bekant wor- den/ daß in dem 12jahr ihres alters 2 knaben mit ihr ſo fern muth- willen getrieben/ daß ſie etzliche mahl einander an unzuͤchtigen or- ten betaſtet/ gleichwol daß es nicht weiter unter ihnen gekom̃en/ auch nachmahl ferner nicht geſchehen (wie ſie auch ſelbs auff vor- halten daſſelbige bekant/ mit thraͤnen der jugend fehler beweint/ auch folgend einen keuſchen wandel gefuͤhret) zu heyrathen ſich bedencken machen ſolle? Wo
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ARTIC. III. SECTIO XLI.
der ihn zu beſſern gedacht/ beſchwehren ſollen: maſſen es auch in ſolchem fall
ſeiner unſchuld/ nichts deſtoweniger unrecht geweſen waͤre/ das ihm in ge-
heim wiederfahrne auff oͤffentliche cantzel zu bringen; es waͤre dann ſach/ daß
er auch ſonſten ein gericht darvon unter den leuten gehoͤret/ und ein aͤrgernuͤß
das einige an ihm nehmen moͤchten/ daraus beſorgen muͤſſen/ da ihm ſo
weit zugehen erlaubt geweſen waͤre/ daß dergleichen von ihm faͤlſchlich aus-
ſprenget wuͤrde/ mit ſolcher bezeugung ſeiner unſchuld/ die er zulaͤnglich/ und
ſeiner perſon nach Chriſti regeln anſtaͤndig erkennet/ hingegen mit gaͤntzlicher
uͤbergehung deſſen/ was zwiſchen ihm und dem beichtvater vorgegangen. 4.
Wann aber das gegentheil geſchehen/ und deꝛ prediger ſich uͤber ſeinen beicht-
vater und deſſen geheime handlung offentlich beſchwehret/ oder doch bey an-
dern zu deſſen nachtheil klage gefuͤhret/ iſt ſolches ein neues unrecht/ mit dem
er ſich an dem beichtvater verſuͤndiget hat: in dem nicht allein es eine grobe
undanckbarkeit iſt/ vor die liebe/ da man vor ſeine beſſerung geſorgt/ unglei-
ches zuvergelten/ ſondern ſtreitet auch wider die genaue veꝛbindung/ welche
zwiſchen beicht-vater und beicht-ſohn ſich zufinden geziehmet/ in dem wie die-
ſer von jenem erfordert/ daß was er ihm/ oder in ihm GOtt dem HErrn/ an-
vertrauet hat/ in aller geheim behalte/ und mit ſich ſterben laſſe/ hingegen wo
er etwas davon ausſchwatzete/ ſolches vor eine große untreu auslegen wuͤr-
de/ eben alſo kan auch der beicht-vater von dem andern mit allem recht
fordern/ daß er auch nichts deſſen/ was mit ihm in GOttes nahmen; ge-
handelt worden/ zu einigem ſeinem nachtheil austragen. 5. Daher hat der
prediger damit auffs neue eine ſcharffe beſtraffung verſchuldet/ und zwahr
nun nicht mehr allein in geheim/ ſondern mit zu ziehung auch des Inſpecto-
ris, als beyderſeits vorgeſetzten: damit durch zuſammengeſetzten zuſpruch
das gewiſſen ſo viel kraͤfftiger geruͤhret/ der mann zur erkaͤntnuͤß der ſuͤnden
gebracht/ und alſo vermittels goͤttl. gnade wircklich gebeſſert werde. Worzu
ſo wol die weißheit/ ſo in dem werck noͤthig/ als kraͤfftigen ſeegen von dem
himmliſchen Vater hertzlich anwuͤnſche. 1700.
SECTIO XLII.
Wegen eines predigers heyrath.
Ob ein prediger eine jungfrau/ die im uͤbrigen ein zeugnuͤß Chriſt-
lichen lebens hat/ von dero ihm aber in der beicht bekant wor-
den/ daß in dem 12jahr ihres alters 2 knaben mit ihr ſo fern muth-
willen getrieben/ daß ſie etzliche mahl einander an unzuͤchtigen or-
ten betaſtet/ gleichwol daß es nicht weiter unter ihnen gekom̃en/
auch nachmahl ferner nicht geſchehen (wie ſie auch ſelbs auff vor-
halten daſſelbige bekant/ mit thraͤnen der jugend fehler beweint/
auch folgend einen keuſchen wandel gefuͤhret) zu heyrathen ſich
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