Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. III. SECTIO XLI.
obern bis dahin gehabt/ deßwegen mit ihrer gegenwart nicht hätten billigen
wollen/ welche sie nicht anders als einen mißstand/ dadurch der kirchen bey den
offentlichen leichbegängnüssen intendirte erbauung unterbrochen wird/ an-
sehen hätten können/ und also so viel an ihnen wäre gewesen die leute davon
gern abziehen wollen: Wo aber die jenige/ welche in dergleichen eusserlichem
zu disponiren macht hätten/ solcher gewohnheit ihre autorität zu geben gnug-
sam ursach zu haben getraueten/ wolte das Ministerium sich nicht widersetzen/
sondern thun was die liebe jedesmahl erfordern würde. Diese sind meine
gedancken/ über das vorgestellte anligen/ welche ich zu fernerer reifflichen
überlegung/ als der ich meine meinung niemand je aufftringe/ hiemit überlas-
se/ und den HErrn HErrn hertzlich anruffe/ in dieser und allen andern sachen
uns seines willens gewiß zu machen. Er wende auch insgesamt von dero
würdigem Collegio in gnaden ab/ was dero personen/ amt und häusern be-
schwehrlich seyn möchte/ und lasse hingegen seine gnade in allem kräfftig über
sie walten/ etc. 1692.

NB. Nach dieser zeit bin nicht in abrede/ daß nach bewandnüß hiesiger stadt
Berlin weniger mißfallen an den nächtlichen begräbnüssen gehabt/
daß dieselbige auff anführung unsündlicher ursachen sie zu mißra-
then auch nicht getrauete.
SECTIO XLI.
Von brüderlicher bestraffung der prediger.
Ob ein prediger/ der sündiget/ so wol als andere nach 3. Mos. 19/ 17.
Matth. 18/ 15. brüderlich zu bestraffen/ und/ da ein prediger/
der von seinem beicht-vater nach solcher regel bestrafft wor-
den/ sich darüber in offentlicher predigt oder sonsten gegen
andre leute beschwehret/ und damit anzeiget/ wie er die be-
straffung nicht in liebe auffgenommen/ was alsdann der
beicht-vater zu thun habe?

JNsgemein sind prediger so wol als andre Christliche mitbrüder begrif-
fen unter dem gebot der bestraffung/ und also auch schuldig/ diese mit liebe
u. sanfftmuth/ auch da sie wahrhafftig schuldig gewesen/ mit bußfertiger
erkäntnüß des unrechts gedult und gehorsam/ auffzunehmen. Dann 1. da sie
unter die nechste noch gehören/ und die schrifft keinen unterschied machet/ ste-
het uns nicht frey/ durch ertichteten unterschied sie auszunehmen. Also 2. be-
freyet sie ihr amt darvon nicht/ noch bringet mehr zuwegen als daß die be-
straffung so viel sanfftmüthiger geschehe (1. Tim. 5, 1.) auch dem amt sein re-
spect
im übrigen bleibe. 3. Es liget der gantzen kirchen und selbs dem pre-
digamt daran/ weil die von predigern begehende sünden mehr schaden thun/
und also denselben soviel sorgfältiger vorzukommen und zu begegnen ist/ daß

sol-
E e e e e 3

ARTIC. III. SECTIO XLI.
obern bis dahin gehabt/ deßwegen mit ihrer gegenwart nicht haͤtten billigen
wollen/ welche ſie nicht anders als einen mißſtand/ dadurch der kirchen bey den
offentlichen leichbegaͤngnuͤſſen intendirte erbauung unterbrochen wird/ an-
ſehen haͤtten koͤnnen/ und alſo ſo viel an ihnen waͤre geweſen die leute davon
gern abziehen wollen: Wo aber die jenige/ welche in dergleichen euſſerlichem
zu diſponiren macht haͤtten/ ſolcher gewohnheit ihre autoritaͤt zu geben gnug-
ſam urſach zu haben getraueten/ wolte das Miniſterium ſich nicht widerſetzen/
ſondern thun was die liebe jedesmahl erfordern wuͤrde. Dieſe ſind meine
gedancken/ uͤber das vorgeſtellte anligen/ welche ich zu fernerer reifflichen
uͤberlegung/ als der ich meine meinung niemand je aufftringe/ hiemit uͤberlaſ-
ſe/ und den HErrn HErrn hertzlich anruffe/ in dieſer und allen andern ſachen
uns ſeines willens gewiß zu machen. Er wende auch insgeſamt von dero
wuͤrdigem Collegio in gnaden ab/ was dero perſonen/ amt und haͤuſern be-
ſchwehrlich ſeyn moͤchte/ und laſſe hingegen ſeine gnade in allem kraͤfftig uͤber
ſie walten/ ꝛc. 1692.

NB. Nach dieſer zeit bin nicht in abrede/ daß nach bewandnuͤß hieſiger ſtadt
Berlin weniger mißfallen an den naͤchtlichen begraͤbnuͤſſen gehabt/
daß dieſelbige auff anfuͤhrung unſuͤndlicher urſachen ſie zu mißra-
then auch nicht getrauete.
SECTIO XLI.
Von bruͤderlicher beſtraffung der prediger.
Ob ein prediger/ der ſuͤndiget/ ſo wol als andere nach 3. Moſ. 19/ 17.
Matth. 18/ 15. bruͤderlich zu beſtraffen/ und/ da ein prediger/
der von ſeinem beicht-vater nach ſolcher regel beſtrafft wor-
den/ ſich daruͤber in offentlicher predigt oder ſonſten gegen
andre leute beſchwehret/ und damit anzeiget/ wie er die be-
ſtraffung nicht in liebe auffgenommen/ was alsdann der
beicht-vater zu thun habe?

JNsgemein ſind prediger ſo wol als andre Chriſtliche mitbruͤder begrif-
fen unter dem gebot der beſtraffung/ uñ alſo auch ſchuldig/ dieſe mit liebe
u. ſanfftmuth/ auch da ſie wahrhafftig ſchuldig geweſen/ mit bußfertiger
erkaͤntnuͤß des unrechts gedult und gehorſam/ auffzunehmen. Dann 1. da ſie
unter die nechſte noch gehoͤren/ und die ſchrifft keinen unterſchied machet/ ſte-
het uns nicht frey/ durch ertichteten unterſchied ſie auszunehmen. Alſo 2. be-
freyet ſie ihr amt darvon nicht/ noch bringet mehr zuwegen als daß die be-
ſtraffung ſo viel ſanfftmuͤthiger geſchehe (1. Tim. 5, 1.) auch dem amt ſein re-
ſpect
im uͤbrigen bleibe. 3. Es liget der gantzen kirchen und ſelbs dem pre-
digamt daran/ weil die von predigern begehende ſuͤnden mehr ſchaden thun/
und alſo denſelben ſoviel ſorgfaͤltiger vorzukommen und zu begegnen iſt/ daß

ſol-
E e e e e 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0789" n="773"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">ARTIC. III. SECTIO XLI.</hi></hi></fw><lb/>
obern bis dahin gehabt/ deßwegen mit ihrer gegenwart nicht ha&#x0364;tten billigen<lb/>
wollen/ welche &#x017F;ie nicht anders als einen miß&#x017F;tand/ dadurch der kirchen bey den<lb/>
offentlichen leichbega&#x0364;ngnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">intendi</hi>rte erbauung unterbrochen wird/ an-<lb/>
&#x017F;ehen ha&#x0364;tten ko&#x0364;nnen/ und al&#x017F;o &#x017F;o viel an ihnen wa&#x0364;re gewe&#x017F;en die leute davon<lb/>
gern abziehen wollen: Wo aber die jenige/ welche in dergleichen eu&#x017F;&#x017F;erlichem<lb/>
zu <hi rendition="#aq">di&#x017F;poni</hi>ren macht ha&#x0364;tten/ &#x017F;olcher gewohnheit ihre <hi rendition="#aq">autori</hi>ta&#x0364;t zu geben gnug-<lb/>
&#x017F;am ur&#x017F;ach zu haben getraueten/ wolte das <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;terium</hi> &#x017F;ich nicht wider&#x017F;etzen/<lb/>
&#x017F;ondern thun was die liebe jedesmahl erfordern wu&#x0364;rde. Die&#x017F;e &#x017F;ind meine<lb/>
gedancken/ u&#x0364;ber das vorge&#x017F;tellte anligen/ welche ich zu fernerer reifflichen<lb/>
u&#x0364;berlegung/ als der ich meine meinung niemand je aufftringe/ hiemit u&#x0364;berla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e/ und den HErrn HErrn hertzlich anruffe/ in die&#x017F;er und allen andern &#x017F;achen<lb/>
uns &#x017F;eines willens gewiß zu machen. Er wende auch insge&#x017F;amt von dero<lb/>
wu&#x0364;rdigem <hi rendition="#aq">Collegio</hi> in gnaden ab/ was dero per&#x017F;onen/ amt und ha&#x0364;u&#x017F;ern be-<lb/>
&#x017F;chwehrlich &#x017F;eyn mo&#x0364;chte/ und la&#x017F;&#x017F;e hingegen &#x017F;eine gnade in allem kra&#x0364;fftig u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ie walten/ &#xA75B;c. 1692.</p><lb/>
            <list>
              <item><hi rendition="#aq">NB.</hi> Nach die&#x017F;er zeit bin nicht in abrede/ daß nach bewandnu&#x0364;ß hie&#x017F;iger &#x017F;tadt<lb/>
Berlin weniger mißfallen an den na&#x0364;chtlichen begra&#x0364;bnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gehabt/<lb/>
daß die&#x017F;elbige auff anfu&#x0364;hrung un&#x017F;u&#x0364;ndlicher ur&#x017F;achen &#x017F;ie zu mißra-<lb/>
then auch nicht getrauete.</item>
            </list>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">SECTIO XLI.</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#b">Von bru&#x0364;derlicher be&#x017F;traffung der prediger.</hi> </head><lb/>
            <list>
              <item> <hi rendition="#fr">Ob ein prediger/ der &#x017F;u&#x0364;ndiget/ &#x017F;o wol als andere nach 3. Mo&#x017F;. 19/ 17.<lb/>
Matth. 18/ 15. bru&#x0364;derlich zu be&#x017F;traffen/ und/ da ein prediger/<lb/>
der von &#x017F;einem beicht-vater nach &#x017F;olcher regel be&#x017F;trafft wor-<lb/>
den/ &#x017F;ich daru&#x0364;ber in offentlicher predigt oder &#x017F;on&#x017F;ten gegen<lb/>
andre leute be&#x017F;chwehret/ und damit anzeiget/ wie er die be-<lb/>
&#x017F;traffung nicht in liebe auffgenommen/ was alsdann der<lb/>
beicht-vater zu thun habe?</hi> </item>
            </list><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Nsgemein &#x017F;ind prediger &#x017F;o wol als andre Chri&#x017F;tliche mitbru&#x0364;der begrif-<lb/>
fen unter dem gebot der be&#x017F;traffung/ un&#x0303; al&#x017F;o auch &#x017F;chuldig/ die&#x017F;e mit liebe<lb/>
u. &#x017F;anfftmuth/ auch da &#x017F;ie wahrhafftig &#x017F;chuldig gewe&#x017F;en/ mit bußfertiger<lb/>
erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß des unrechts gedult und gehor&#x017F;am/ auffzunehmen. Dann 1. da &#x017F;ie<lb/>
unter die nech&#x017F;te noch geho&#x0364;ren/ und die &#x017F;chrifft keinen unter&#x017F;chied machet/ &#x017F;te-<lb/>
het uns nicht frey/ durch ertichteten unter&#x017F;chied &#x017F;ie auszunehmen. Al&#x017F;o 2. be-<lb/>
freyet &#x017F;ie ihr amt darvon nicht/ noch bringet mehr zuwegen als daß die be-<lb/>
&#x017F;traffung &#x017F;o viel &#x017F;anfftmu&#x0364;thiger ge&#x017F;chehe (1. <hi rendition="#aq">Tim.</hi> 5, 1.) auch dem amt &#x017F;ein <hi rendition="#aq">re-<lb/>
&#x017F;pect</hi> im u&#x0364;brigen bleibe. 3. Es liget der gantzen kirchen und &#x017F;elbs dem pre-<lb/>
digamt daran/ weil die von predigern begehende &#x017F;u&#x0364;nden mehr &#x017F;chaden thun/<lb/>
und al&#x017F;o den&#x017F;elben &#x017F;oviel &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger vorzukommen und zu begegnen i&#x017F;t/ daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e e e e 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ol-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[773/0789] ARTIC. III. SECTIO XLI. obern bis dahin gehabt/ deßwegen mit ihrer gegenwart nicht haͤtten billigen wollen/ welche ſie nicht anders als einen mißſtand/ dadurch der kirchen bey den offentlichen leichbegaͤngnuͤſſen intendirte erbauung unterbrochen wird/ an- ſehen haͤtten koͤnnen/ und alſo ſo viel an ihnen waͤre geweſen die leute davon gern abziehen wollen: Wo aber die jenige/ welche in dergleichen euſſerlichem zu diſponiren macht haͤtten/ ſolcher gewohnheit ihre autoritaͤt zu geben gnug- ſam urſach zu haben getraueten/ wolte das Miniſterium ſich nicht widerſetzen/ ſondern thun was die liebe jedesmahl erfordern wuͤrde. Dieſe ſind meine gedancken/ uͤber das vorgeſtellte anligen/ welche ich zu fernerer reifflichen uͤberlegung/ als der ich meine meinung niemand je aufftringe/ hiemit uͤberlaſ- ſe/ und den HErrn HErrn hertzlich anruffe/ in dieſer und allen andern ſachen uns ſeines willens gewiß zu machen. Er wende auch insgeſamt von dero wuͤrdigem Collegio in gnaden ab/ was dero perſonen/ amt und haͤuſern be- ſchwehrlich ſeyn moͤchte/ und laſſe hingegen ſeine gnade in allem kraͤfftig uͤber ſie walten/ ꝛc. 1692. NB. Nach dieſer zeit bin nicht in abrede/ daß nach bewandnuͤß hieſiger ſtadt Berlin weniger mißfallen an den naͤchtlichen begraͤbnuͤſſen gehabt/ daß dieſelbige auff anfuͤhrung unſuͤndlicher urſachen ſie zu mißra- then auch nicht getrauete. SECTIO XLI. Von bruͤderlicher beſtraffung der prediger. Ob ein prediger/ der ſuͤndiget/ ſo wol als andere nach 3. Moſ. 19/ 17. Matth. 18/ 15. bruͤderlich zu beſtraffen/ und/ da ein prediger/ der von ſeinem beicht-vater nach ſolcher regel beſtrafft wor- den/ ſich daruͤber in offentlicher predigt oder ſonſten gegen andre leute beſchwehret/ und damit anzeiget/ wie er die be- ſtraffung nicht in liebe auffgenommen/ was alsdann der beicht-vater zu thun habe? JNsgemein ſind prediger ſo wol als andre Chriſtliche mitbruͤder begrif- fen unter dem gebot der beſtraffung/ uñ alſo auch ſchuldig/ dieſe mit liebe u. ſanfftmuth/ auch da ſie wahrhafftig ſchuldig geweſen/ mit bußfertiger erkaͤntnuͤß des unrechts gedult und gehorſam/ auffzunehmen. Dann 1. da ſie unter die nechſte noch gehoͤren/ und die ſchrifft keinen unterſchied machet/ ſte- het uns nicht frey/ durch ertichteten unterſchied ſie auszunehmen. Alſo 2. be- freyet ſie ihr amt darvon nicht/ noch bringet mehr zuwegen als daß die be- ſtraffung ſo viel ſanfftmuͤthiger geſchehe (1. Tim. 5, 1.) auch dem amt ſein re- ſpect im uͤbrigen bleibe. 3. Es liget der gantzen kirchen und ſelbs dem pre- digamt daran/ weil die von predigern begehende ſuͤnden mehr ſchaden thun/ und alſo denſelben ſoviel ſorgfaͤltiger vorzukommen und zu begegnen iſt/ daß ſol- E e e e e 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/789
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 773. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/789>, abgerufen am 21.12.2024.