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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
nichts im wege liget/ den andern beruff vor göttlich zu erkennen habe/ womit
also dererste auffgehoben würde.

Die 5. Frage.
Wenn keine göttliche versicherung mehrer besserung sondern
starckes vermuthen/ daß um des Fürstenthums sünde willen
die durch
Titium anwendende mittel darzu nicht erklecklich
seyn werden/ ob
vocatus nicht schuldig der vocation freywillig
zu
renunciren/ hingegen sich versündige/ wenn er das arbitri-
um vocanti,
und dessen condescendenz, ob sie ihn erlassen wol-
len/ heimstellet?

DJese frage praesupponiret bereits etwas/ so ich nicht ohne schwehre sünde
asseriret werden zu können/ davor halte. Daß des Fürstenthums/ auch
wo wir den hoff darzu nehmen wollen/ sünden schwehr seyen/ zweiffele ich
nicht/ mag mir auch ein und anders davon zimlich wissend seyn: aber daß sie
grösser seyen/ als etwa der meisten andrer Fürstenthümer und höffe/ traute
ich nicht ohne vermessenheit zu sagen; dieses aber ist allzuhart/ das Fürsten-
thum in einem solchen stand anzusehen/ daß auch nun zu allen consiliis, und
was man zu dessen besserung vornehmen möchte/ kein weiterer segen zu er-
warten wäre/ und es also in einem solchen gericht ligen müsse/ aus deme es
nicht wieder zu erheben: welches ja nothwendig seyn müste/ wenn ein treu-
meinender mann eben deßwegen der vocation renunciren solle/ weil sein fleiß
an solchem ort um dessen sünde willen gantz vergebens seyn müste. Da also
dieses fundament fället/ so fället auch/ was sich darauff gründet. Was im
übrigen die göttliche versicherung anlangt des künfftigen segens und aus-
richtens/ wo eine göttliche versicherung verstanden wird/ daß einer mit un-
fehlbarer gewißheit/ daß er an diesem ort mehr als an dem andern ausrich-
ten würde/ versichert seyn müste/ kan solche von keinem lehrer erfordert wer-
den/ sondern unsre versicherung/ und also wohl unter zweyen orten bestehet
auff vernünfftiger überlegung der beyderseits umstände/ welche mehrere
hoffnung geben/ zu dero nachmals die jenige göttliche versicherung kommet/
daß GOtt so wohl insgemein sein wort nicht werde wiederum lähr lassen zu-
rück kommen/ als auch das jenige segnen/ was wir nach aller unter menschen
befindlicher mügligkeit auff fleißige und gottesfürchtige untersuchung von
seinem willen erkant/ und daher demselben gefolget haben. Aus allem deme
erhellet/ daß Titius aus dieser absicht der vocation, da er sich bereits einmal
dazu erklähret/ zu renunciren nicht macht hätte. Da er aber sich noch mit
nichts verbunden/ stehet ihm noch frey/ auff alle andre mögliche art sich des
göttlichen willens zu versichern.

Die

Das andere Capitel.
nichts im wege liget/ den andern beruff vor goͤttlich zu erkennen habe/ womit
alſo dererſte auffgehoben wuͤrde.

Die 5. Frage.
Wenn keine goͤttliche verſicherung mehrer beſſerung ſondern
ſtarckes vermuthen/ daß um des Fuͤrſtenthums ſuͤnde willen
die durch
Titium anwendende mittel darzu nicht erklecklich
ſeyn werden/ ob
vocatus nicht ſchuldig der vocation freywillig
zu
renunciren/ hingegen ſich verſuͤndige/ wenn er das arbitri-
um vocanti,
und deſſen condeſcendenz, ob ſie ihn erlaſſen wol-
len/ heimſtellet?

DJeſe frage præſupponiret bereits etwas/ ſo ich nicht ohne ſchwehre ſuͤnde
aſſeriret werden zu koͤnnen/ davor halte. Daß des Fuͤrſtenthums/ auch
wo wir den hoff darzu nehmen wollen/ ſuͤnden ſchwehr ſeyen/ zweiffele ich
nicht/ mag mir auch ein und anders davon zimlich wiſſend ſeyn: aber daß ſie
groͤſſer ſeyen/ als etwa der meiſten andrer Fuͤrſtenthuͤmer und hoͤffe/ traute
ich nicht ohne vermeſſenheit zu ſagen; dieſes aber iſt allzuhart/ das Fuͤrſten-
thum in einem ſolchen ſtand anzuſehen/ daß auch nun zu allen conſiliis, und
was man zu deſſen beſſerung vornehmen moͤchte/ kein weiterer ſegen zu er-
warten waͤre/ und es alſo in einem ſolchen gericht ligen muͤſſe/ aus deme es
nicht wieder zu erheben: welches ja nothwendig ſeyn muͤſte/ wenn ein treu-
meinender mann eben deßwegen der vocation renunciren ſolle/ weil ſein fleiß
an ſolchem ort um deſſen ſuͤnde willen gantz vergebens ſeyn muͤſte. Da alſo
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fehlbarer gewißheit/ daß er an dieſem ort mehr als an dem andern ausrich-
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auff vernuͤnfftiger uͤberlegung der beyderſeits umſtaͤnde/ welche mehrere
hoffnung geben/ zu dero nachmals die jenige goͤttliche verſicherung kommet/
daß GOtt ſo wohl insgemein ſein wort nicht werde wiederum laͤhr laſſen zu-
ruͤck kommen/ als auch das jenige ſegnen/ was wir nach aller unter menſchen
befindlicher muͤgligkeit auff fleißige und gottesfuͤrchtige unterſuchung von
ſeinem willen erkant/ und daher demſelben gefolget haben. Aus allem deme
erhellet/ daß Titius aus dieſer abſicht der vocation, da er ſich bereits einmal
dazu erklaͤhret/ zu renunciren nicht macht haͤtte. Da er aber ſich noch mit
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[498/0514] Das andere Capitel. nichts im wege liget/ den andern beruff vor goͤttlich zu erkennen habe/ womit alſo dererſte auffgehoben wuͤrde. Die 5. Frage. Wenn keine goͤttliche verſicherung mehrer beſſerung ſondern ſtarckes vermuthen/ daß um des Fuͤrſtenthums ſuͤnde willen die durch Titium anwendende mittel darzu nicht erklecklich ſeyn werden/ ob vocatus nicht ſchuldig der vocation freywillig zu renunciren/ hingegen ſich verſuͤndige/ wenn er das arbitri- um vocanti, und deſſen condeſcendenz, ob ſie ihn erlaſſen wol- len/ heimſtellet? DJeſe frage præſupponiret bereits etwas/ ſo ich nicht ohne ſchwehre ſuͤnde aſſeriret werden zu koͤnnen/ davor halte. Daß des Fuͤrſtenthums/ auch wo wir den hoff darzu nehmen wollen/ ſuͤnden ſchwehr ſeyen/ zweiffele ich nicht/ mag mir auch ein und anders davon zimlich wiſſend ſeyn: aber daß ſie groͤſſer ſeyen/ als etwa der meiſten andrer Fuͤrſtenthuͤmer und hoͤffe/ traute ich nicht ohne vermeſſenheit zu ſagen; dieſes aber iſt allzuhart/ das Fuͤrſten- thum in einem ſolchen ſtand anzuſehen/ daß auch nun zu allen conſiliis, und was man zu deſſen beſſerung vornehmen moͤchte/ kein weiterer ſegen zu er- warten waͤre/ und es alſo in einem ſolchen gericht ligen muͤſſe/ aus deme es nicht wieder zu erheben: welches ja nothwendig ſeyn muͤſte/ wenn ein treu- meinender mann eben deßwegen der vocation renunciren ſolle/ weil ſein fleiß an ſolchem ort um deſſen ſuͤnde willen gantz vergebens ſeyn muͤſte. Da alſo dieſes fundament faͤllet/ ſo faͤllet auch/ was ſich darauff gruͤndet. Was im uͤbrigen die goͤttliche verſicherung anlangt des kuͤnfftigen ſegens und aus- richtens/ wo eine goͤttliche verſicherung verſtanden wird/ daß einer mit un- fehlbarer gewißheit/ daß er an dieſem ort mehr als an dem andern ausrich- ten wuͤrde/ verſichert ſeyn muͤſte/ kan ſolche von keinem lehrer erfordert wer- den/ ſondern unſre verſicherung/ und alſo wohl unter zweyen orten beſtehet auff vernuͤnfftiger uͤberlegung der beyderſeits umſtaͤnde/ welche mehrere hoffnung geben/ zu dero nachmals die jenige goͤttliche verſicherung kommet/ daß GOtt ſo wohl insgemein ſein wort nicht werde wiederum laͤhr laſſen zu- ruͤck kommen/ als auch das jenige ſegnen/ was wir nach aller unter menſchen befindlicher muͤgligkeit auff fleißige und gottesfuͤrchtige unterſuchung von ſeinem willen erkant/ und daher demſelben gefolget haben. Aus allem deme erhellet/ daß Titius aus dieſer abſicht der vocation, da er ſich bereits einmal dazu erklaͤhret/ zu renunciren nicht macht haͤtte. Da er aber ſich noch mit nichts verbunden/ ſtehet ihm noch frey/ auff alle andre moͤgliche art ſich des goͤttlichen willens zu verſichern. Die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/514>, abgerufen am 30.12.2024.