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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
theilen will/ so bleibet doch noch der zweck einer seits der übung an sich selbs/
da offt/ wo man durch die feder etwas ausfliessen lässet/ der zufluß reichlicher
gehet/ sich hingegen stopffet/ wo man jene hemmet/ anderseits hats auch die-
sen nutzen/ daß man künfftig es wiederum durchlesen/ und sich dessen erinnern
kan/ was uns GOtt zu andernmahlen vor erkäntnüß gegeben hat/ welches
auch eine nicht geringe auffmunterung ist. Daß derselbe das creutz Christt
hoch hält/ ist Christlich und wohl gethan/ in dessen wird vorsichtigkeit von
nöthen seyn in dem verlangen nach demselben/ um darinnen so wohl maaß zu
halten/ als auch GOtt nichts vorzuschreiben. Wie ich dann in GOTTes
wort nirgend finde/ daß sich die liebe kinder GOttes selbs einiges innerliches
oder eusserliches creutz gewünschet oder sonderlich verlanget/ wohl aber sich
allezeit getrost darauff gefasst gehalten/ und wann es sie betroffen hat/ es ge-
duldig getragen/ oder gar desselbigen gefreuet haben. Jn diesen schrancken
rathe ich auch am allerliebsten zu bleiben/ damit nicht unvermerckt in der be-
gierde des creutzes sich eine versuchung GOttes antreffen lassen möchte.
Also ist uns genug/ daß wir beten/ daß der wille unsers himmlischen Vaters/
gleich wie von uns also auch an uns/ erfüllet werden möge/ es seye nun/ daß
er uns durch creutzes oder andere wege/ welches wir seiner weißheit heim ge-
ben/ und mit recht heim geben sollen/ führen wolle/ als zu beydem in kindli-
cher gelassenheit bereit. Nun der treueste Vater setze noch ferner in ihm sein
gutes angefangenes werck fort auff den tag JEsu Christi/ sonderlich rüßte
er ihn aus mit weißheit/ gegen jedermann zu handeln wie sichs gebühret/
auch gegen die welt sie weder unvorsichtig zu reitzen/ noch ihr liebkosend
gleichförmig zu werden/ so denn mit krafft in allem durchzutringen/ und rei-
che früchte/ der empfangenen gnade zu seinem preiß zu tragen. 1690.

SECTIO LXXV.
Von der epistel Clementis, und den Commen-
tariis
über die Bibel.

JCh halte eine treue und deutliche übersetzung der epistel Clementis nicht
ohne auferbauung. Wie dann nachdem das maaß des geistes zu solcher
ersten zeit bey allen/ absonderl. den Apostolischen männern/ so viel reich-
licher gewesen ist/ auch kein zweiffel seyn kan/ daß alle ihre schrifften/ ob sie
auch von dem heiligen Geist nicht zu dem stäthen Canone der schrifft verord-
net/ und unmittelbahr ihnen inwendig dictiret worden sind/ doch voller krafft
und safft seyn müssen/ und so wohl darinnen/ als in der heiligen einfalt/ den
Apostolischen brieffen am nechsten kommen. Jch komme so bald auf die fra-
ge von den Commentatoribus Biblicis. Weiß aber auch fast wenige zu ra-

then

Das erſte Capitel.
theilen will/ ſo bleibet doch noch der zweck einer ſeits der uͤbung an ſich ſelbs/
da offt/ wo man durch die feder etwas ausflieſſen laͤſſet/ der zufluß reichlicher
gehet/ ſich hingegen ſtopffet/ wo man jene hemmet/ anderſeits hats auch die-
ſen nutzen/ daß man kuͤnfftig es wiederum durchleſen/ und ſich deſſen erinnern
kan/ was uns GOtt zu andernmahlen vor erkaͤntnuͤß gegeben hat/ welches
auch eine nicht geringe auffmunterung iſt. Daß derſelbe das creutz Chriſtt
hoch haͤlt/ iſt Chriſtlich und wohl gethan/ in deſſen wird vorſichtigkeit von
noͤthen ſeyn in dem verlangen nach demſelben/ um darinnen ſo wohl maaß zu
halten/ als auch GOtt nichts vorzuſchreiben. Wie ich dann in GOTTes
wort nirgend finde/ daß ſich die liebe kinder GOttes ſelbs einiges innerliches
oder euſſerliches creutz gewuͤnſchet oder ſonderlich verlanget/ wohl aber ſich
allezeit getroſt darauff gefaſſt gehalten/ und wann es ſie betroffen hat/ es ge-
duldig getragen/ oder gar deſſelbigen gefreuet haben. Jn dieſen ſchrancken
rathe ich auch am allerliebſten zu bleiben/ damit nicht unvermerckt in der be-
gierde des creutzes ſich eine verſuchung GOttes antreffen laſſen moͤchte.
Alſo iſt uns genug/ daß wir beten/ daß der wille unſers himmliſchen Vaters/
gleich wie von uns alſo auch an uns/ erfuͤllet werden moͤge/ es ſeye nun/ daß
er uns durch creutzes oder andere wege/ welches wir ſeiner weißheit heim ge-
ben/ und mit recht heim geben ſollen/ fuͤhren wolle/ als zu beydem in kindli-
cher gelaſſenheit bereit. Nun der treueſte Vater ſetze noch ferner in ihm ſein
gutes angefangenes werck fort auff den tag JEſu Chriſti/ ſonderlich ruͤßte
er ihn aus mit weißheit/ gegen jedermann zu handeln wie ſichs gebuͤhret/
auch gegen die welt ſie weder unvorſichtig zu reitzen/ noch ihr liebkoſend
gleichfoͤrmig zu werden/ ſo denn mit krafft in allem durchzutringen/ und rei-
che fruͤchte/ der empfangenen gnade zu ſeinem preiß zu tragen. 1690.

SECTIO LXXV.
Von der epiſtel Clementis, und den Commen-
tariis
uͤber die Bibel.

JCh halte eine treue und deutliche uͤberſetzung der epiſtel Clementis nicht
ohne auferbauung. Wie dann nachdem das maaß des geiſtes zu ſolcher
erſten zeit bey allen/ abſonderl. den Apoſtoliſchen maͤnnern/ ſo viel reich-
licher geweſen iſt/ auch kein zweiffel ſeyn kan/ daß alle ihre ſchrifften/ ob ſie
auch von dem heiligen Geiſt nicht zu dem ſtaͤthen Canone der ſchrifft verord-
net/ und unmittelbahr ihnen inwendig dictiret worden ſind/ doch voller krafft
und ſafft ſeyn muͤſſen/ und ſo wohl darinnen/ als in der heiligen einfalt/ den
Apoſtoliſchen brieffen am nechſten kommen. Jch komme ſo bald auf die fra-
ge von den Commentatoribus Biblicis. Weiß aber auch faſt wenige zu ra-

then
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[330/0346] Das erſte Capitel. theilen will/ ſo bleibet doch noch der zweck einer ſeits der uͤbung an ſich ſelbs/ da offt/ wo man durch die feder etwas ausflieſſen laͤſſet/ der zufluß reichlicher gehet/ ſich hingegen ſtopffet/ wo man jene hemmet/ anderſeits hats auch die- ſen nutzen/ daß man kuͤnfftig es wiederum durchleſen/ und ſich deſſen erinnern kan/ was uns GOtt zu andernmahlen vor erkaͤntnuͤß gegeben hat/ welches auch eine nicht geringe auffmunterung iſt. Daß derſelbe das creutz Chriſtt hoch haͤlt/ iſt Chriſtlich und wohl gethan/ in deſſen wird vorſichtigkeit von noͤthen ſeyn in dem verlangen nach demſelben/ um darinnen ſo wohl maaß zu halten/ als auch GOtt nichts vorzuſchreiben. Wie ich dann in GOTTes wort nirgend finde/ daß ſich die liebe kinder GOttes ſelbs einiges innerliches oder euſſerliches creutz gewuͤnſchet oder ſonderlich verlanget/ wohl aber ſich allezeit getroſt darauff gefaſſt gehalten/ und wann es ſie betroffen hat/ es ge- duldig getragen/ oder gar deſſelbigen gefreuet haben. Jn dieſen ſchrancken rathe ich auch am allerliebſten zu bleiben/ damit nicht unvermerckt in der be- gierde des creutzes ſich eine verſuchung GOttes antreffen laſſen moͤchte. Alſo iſt uns genug/ daß wir beten/ daß der wille unſers himmliſchen Vaters/ gleich wie von uns alſo auch an uns/ erfuͤllet werden moͤge/ es ſeye nun/ daß er uns durch creutzes oder andere wege/ welches wir ſeiner weißheit heim ge- ben/ und mit recht heim geben ſollen/ fuͤhren wolle/ als zu beydem in kindli- cher gelaſſenheit bereit. Nun der treueſte Vater ſetze noch ferner in ihm ſein gutes angefangenes werck fort auff den tag JEſu Chriſti/ ſonderlich ruͤßte er ihn aus mit weißheit/ gegen jedermann zu handeln wie ſichs gebuͤhret/ auch gegen die welt ſie weder unvorſichtig zu reitzen/ noch ihr liebkoſend gleichfoͤrmig zu werden/ ſo denn mit krafft in allem durchzutringen/ und rei- che fruͤchte/ der empfangenen gnade zu ſeinem preiß zu tragen. 1690. SECTIO LXXV. Von der epiſtel Clementis, und den Commen- tariis uͤber die Bibel. JCh halte eine treue und deutliche uͤberſetzung der epiſtel Clementis nicht ohne auferbauung. Wie dann nachdem das maaß des geiſtes zu ſolcher erſten zeit bey allen/ abſonderl. den Apoſtoliſchen maͤnnern/ ſo viel reich- licher geweſen iſt/ auch kein zweiffel ſeyn kan/ daß alle ihre ſchrifften/ ob ſie auch von dem heiligen Geiſt nicht zu dem ſtaͤthen Canone der ſchrifft verord- net/ und unmittelbahr ihnen inwendig dictiret worden ſind/ doch voller krafft und ſafft ſeyn muͤſſen/ und ſo wohl darinnen/ als in der heiligen einfalt/ den Apoſtoliſchen brieffen am nechſten kommen. Jch komme ſo bald auf die fra- ge von den Commentatoribus Biblicis. Weiß aber auch faſt wenige zu ra- then

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/346>, abgerufen am 21.11.2024.