Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. 2. Obs nicht wider GOttes verheissung seye/ wo er die kirche irren liesse. Antwort. Es wäre wider GOttes verheissung/ wo er die allgemeine Daher bleibets wahr/ was der HErr sagt Matth. 16. er baue ihm eine Was die verheissung anlangt/ daß der H. Geist die jünger werde in alle ge-
Das erſte Capitel. 2. Obs nicht wider GOttes verheiſſung ſeye/ wo er die kirche irren lieſſe. Antwort. Es waͤre wider GOttes verheiſſung/ wo er die allgemeine Daher bleibets wahr/ was der HErr ſagt Matth. 16. er baue ihm eine Was die verheiſſung anlangt/ daß der H. Geiſt die juͤnger werde in alle ge-
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Das erſte Capitel.
2. Obs nicht wider GOttes verheiſſung ſeye/ wo er die kirche
irren lieſſe.
Antwort. Es waͤre wider GOttes verheiſſung/ wo er die allgemeine
Catholiſche kirche irren lieſſe/ das iſt/ wo er zulieſſe/ daß nicht nur allein keine
gantze oͤffentliche gemeinde uͤbrig waͤre/ die die rechte lehr haͤtte/ und oͤffent-
lich bekennete/ ſondern auch gar keine menſchen ſich mehr in der welt befaͤnden/
die in ihrer einfalt ohne glaubens-irrthum lebeten/ und GOtt dieneten: in
welchen die unſichtbare kirche beſtehet. Dazu iſts aber nie gekommen/ kan
auch nicht darzu kommen/ ſondern wie ſehr die euſſerliche ſichtbare kirche mit
irrthum erfuͤllet wird/ ſo behaͤlt doch GOtt noch allezeit ſeinen guten ſaamen
der glaubigen/ mitten in der verderbten kirche.
Daher bleibets wahr/ was der HErr ſagt Matth. 16. er baue ihm eine
kirche auff ſich/ als auff den wahren felß/ und ſolche kirche ſollen die pfor-
ten der hoͤllen nicht uͤberwaͤltigen: Solche kirche aber iſt nicht einige ab-
ſonderliche/ die Roͤmiſche oder andere particular-kirche/ dann keine unter de-
nen hat die verſicherung/ daß ſie muͤſte nothwendig bleiben: Sondern ſolches
privilegium gehoͤret der allgemeinen Chriſtlichen Catholiſchen kirchen: dero-
ſelben verſpricht unſer Heyland/ daß ſie nicht ſolle uͤberwaͤltiget werden/ und
wann es alſo der teuffel ſchon dahin bringt/ daß die euſſerliche ſichtbare kir-
che mit irrthum gantz eingenommen wird/ ſo bleibet ihres meiſters und Hey-
lands verſpruch dannoch wahr/ daß die pforten der hoͤllen ſie nicht uͤberwaͤl-
tigen muͤſſen: dann der teuffel kans nicht dahin bringen/ daß nicht GOtt
auch mitten unter den irrglaubigen einige rechtglaubige einfaͤltige hertzen er-
halte. Und ſoll ſolches den Roͤmiſchen nicht ſeltzam vorkommen/ weil ſie ja
ſelbs lehren/ daß wann der Antichriſt kommen werde/ ſo werde/ ſolche etliche
jahr uͤber/ das meß-opffer und aller oͤffentlicher Gottesdienſt abgethan wer-
den/ damit hoͤret die ſichtbare kirche auff/ und doch glauben ſie/ daß die pfor-
ten der hoͤllen die kirche nicht uͤberwaͤltigen werden/ weil nemlich noch recht
glaubige verborgen ſeyn und uͤbrig bleiben wuͤrden.
Was die verheiſſung anlangt/ daß der H. Geiſt die juͤnger werde in alle
wahrheit leiten/ erkennen wir gern/ daß ſolche verheiſſung nicht allein/ ob
zwahr mit einigem gewiſſen vorzug/ die Apoſtel/ ſondern alle glaubige ange-
he. Daraus folget aber nicht/ daß einige kirche/ ſie ſeye auch welche es wol-
le/ dieſes privilegium habe/ daß ſie nicht irren koͤnne/ ſie moͤge auch thun was
ſie wolle: ſondern dieſes folget nur/ daß nicht allein die gantze kirche/ ſondern
auch jeglicher glaubiger Chriſt und juͤnger des HErrn/ den kraͤfftigen bey-
ſtand des Heil. Geiſtes habe/ ſo lang er ſich von dem H. Geiſt fuͤhren laͤſſet/
und die wahrheit goͤttlicher lehr aus dem goͤttlichen wort einfaͤltig faſſet/ oh-
ne beyſatz menſchen lehr/ daß er alsdann nicht irren noch fehlen koͤnne/ ſondern
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