Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
SECTIO
76. Andr. Crameri schrifften. Lehr von den schätzen der seligkeit/ aber mit
verhütung der sicherheit.
77. Prüfung seiner selbst. Was in den Englischen schrifften in acht zuneh-
men? Wer wiedergebohren? Was bey der prüfung zuvermeiden?
78. Vom gebrauch der Englischen scribenten.
79. An eine Christliche vornehme person in der anfechtung/ in allem innerli-
chen und eusserlichen untüchtig zu werden. 2. Cor. 4/ 16.
SECTIO I.
Was es heisse/ Ap. Gesch. 10/ 35. Wer Gott fürch-
tet und recht thut/ und ob jemand ohne die erkäntnüß
Christi selig werden könne?

ES solte zur beantwortung dieser frage
scheinen/ es werde der wahre glaube nicht zur se-
ligkeit erfordert/ sondern Gott habe gefallen an
jedem menschen/ welches volcks und religion er
seye/ wo er nur eine furcht Gottes und aus der-
selben einen fleiß gutes zuthun habe/ wie ja Cor-
nelius
aus solcher ursach Gott bereits angenehm
gewesen/ ehe er von Petro zu dem glauben an
Christum bekehret worden.

Gründlich zu antworten mache ich etliche sätze. 1. Niemand kan selig
werden ohne den glauben an GOtt/ Hebr. 11/ 6. und zwar an einen solchen
GOtt/ der ein vergelter seyn werde/ und zu dem wir uns nahen/ und ihn su-
chen müssen. Weil aber unser gewissen uns unsere sünde/ und hingegen gött-
liche gerechtigkeit vorhält/ aus dero wir keine andere als straff gerechtigkeit
zuerwarten haben/ so kan zu dem glauben nicht gnug seyn/ nur an GOtt zu
glauben/ wie er bloß dahin aus seiner natur und wesen ist/ sondern wie er uns
durch seinen sohn versöhnet worden/ und also muß nothwendig in dem selig-
machenden glauben auch der glaube an den versöhner/ in dem sich der va-
ter mit der welt versöhnet hat/ 2. Cor. 5/ 18. nemlich Christum/ mit stecken;
ja ausser diesem können wir unmüglich an den vater gläuben/ das ist/ ein ver-
trauen der seligkeit auff ihn setzen/ da uns sonsten die betrachtung seiner ge-
rechtigkeit vielmehr von solchem glauben oder vertrauen zurückstösse. Da-
her GOtt gleich nach dem fall die verheissung von des weibes saamen/ der
der schlangen den kopff zertreten/ das ist/ dem teufel/ die gewalt/ die er ü-
ber das menschliche geschlecht durch die sünde erlanget/ nehmen solte/ den er-

sten
A 3
SECTIO
76. Andr. Crameri ſchrifften. Lehr von den ſchaͤtzen der ſeligkeit/ aber mit
verhuͤtung der ſicherheit.
77. Pruͤfung ſeiner ſelbſt. Was in den Engliſchen ſchrifften in acht zuneh-
men? Wer wiedergebohren? Was bey der pruͤfung zuvermeiden?
78. Vom gebrauch der Engliſchen ſcribenten.
79. An eine Chriſtliche vornehme perſon in der anfechtung/ in allem innerli-
chen und euſſerlichen untuͤchtig zu werden. 2. Cor. 4/ 16.
SECTIO I.
Was es heiſſe/ Ap. Geſch. 10/ 35. Wer Gott fuͤrch-
tet und recht thut/ und ob jemand ohne die erkaͤntnuͤß
Chriſti ſelig werden koͤnne?

ES ſolte zur beantwortung dieſer frage
ſcheinen/ es werde der wahre glaube nicht zur ſe-
ligkeit erfordert/ ſondern Gott habe gefallen an
jedem menſchen/ welches volcks und religion er
ſeye/ wo er nur eine furcht Gottes und aus der-
ſelben einen fleiß gutes zuthun habe/ wie ja Cor-
nelius
aus ſolcher urſach Gott bereits angenehm
geweſen/ ehe er von Petro zu dem glauben an
Chriſtum bekehret worden.

Gruͤndlich zu antworten mache ich etliche ſaͤtze. 1. Niemand kan ſelig
werden ohne den glauben an GOtt/ Hebr. 11/ 6. und zwar an einen ſolchen
GOtt/ der ein vergelter ſeyn werde/ und zu dem wir uns nahen/ und ihn ſu-
chen muͤſſen. Weil aber unſer gewiſſen uns unſere ſuͤnde/ und hingegen goͤtt-
liche gerechtigkeit vorhaͤlt/ aus dero wir keine andere als ſtraff gerechtigkeit
zuerwarten haben/ ſo kan zu dem glauben nicht gnug ſeyn/ nur an GOtt zu
glauben/ wie er bloß dahin aus ſeiner natur und weſen iſt/ ſondern wie er uns
durch ſeinen ſohn verſoͤhnet worden/ und alſo muß nothwendig in dem ſelig-
machenden glauben auch der glaube an den verſoͤhner/ in dem ſich der va-
ter mit der welt verſoͤhnet hat/ 2. Cor. 5/ 18. nemlich Chriſtum/ mit ſtecken;
ja auſſer dieſem koͤnnen wir unmuͤglich an den vater glaͤuben/ das iſt/ ein ver-
trauen der ſeligkeit auff ihn ſetzen/ da uns ſonſten die betrachtung ſeiner ge-
rechtigkeit vielmehr von ſolchem glauben oder vertrauen zuruͤckſtoͤſſe. Da-
her GOtt gleich nach dem fall die verheiſſung von des weibes ſaamen/ der
der ſchlangen den kopff zertreten/ das iſt/ dem teufel/ die gewalt/ die er uͤ-
ber das menſchliche geſchlecht durch die ſuͤnde erlanget/ nehmen ſolte/ den er-

ſten
A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0021" n="5"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">SECTIO</hi> </hi> </hi> </fw><lb/>
          <list>
            <item>76. <hi rendition="#aq">Andr. Crameri</hi> &#x017F;chrifften. Lehr von den &#x017F;cha&#x0364;tzen der &#x017F;eligkeit/ aber mit<lb/>
verhu&#x0364;tung der &#x017F;icherheit.</item><lb/>
            <item>77. Pru&#x0364;fung &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t. Was in den Engli&#x017F;chen &#x017F;chrifften in acht zuneh-<lb/>
men? Wer wiedergebohren? Was bey der pru&#x0364;fung zuvermeiden?</item><lb/>
            <item>78. Vom gebrauch der Engli&#x017F;chen <hi rendition="#aq">&#x017F;cribenten.</hi></item><lb/>
            <item>79. An eine Chri&#x017F;tliche vornehme per&#x017F;on in der anfechtung/ in allem innerli-<lb/>
chen und eu&#x017F;&#x017F;erlichen untu&#x0364;chtig zu werden. 2. Cor. 4/ 16.</item>
          </list>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> I.</hi><lb/>
Was es hei&#x017F;&#x017F;e/ Ap. Ge&#x017F;ch. 10/ 35. Wer Gott fu&#x0364;rch-<lb/>
tet und recht thut/ und ob jemand ohne die erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß<lb/>
Chri&#x017F;ti &#x017F;elig werden ko&#x0364;nne?</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi><hi rendition="#fr">S &#x017F;olte zur beantwortung die&#x017F;er frage</hi><lb/>
&#x017F;cheinen/ es werde der wahre glaube nicht zur &#x017F;e-<lb/>
ligkeit erfordert/ &#x017F;ondern Gott habe gefallen an<lb/>
jedem men&#x017F;chen/ welches volcks und religion er<lb/>
&#x017F;eye/ wo er nur eine furcht Gottes und aus der-<lb/>
&#x017F;elben einen fleiß gutes zuthun habe/ wie ja <hi rendition="#aq">Cor-<lb/>
nelius</hi> aus &#x017F;olcher ur&#x017F;ach Gott bereits angenehm<lb/>
gewe&#x017F;en/ ehe er von <hi rendition="#aq">Petro</hi> zu dem glauben an<lb/>
Chri&#x017F;tum bekehret worden.</p><lb/>
          <p>Gru&#x0364;ndlich zu antworten mache ich etliche &#x017F;a&#x0364;tze. 1. Niemand kan &#x017F;elig<lb/>
werden ohne den glauben an GOtt/ <hi rendition="#fr">Hebr.</hi> 11/ 6. und zwar an einen &#x017F;olchen<lb/>
GOtt/ der ein vergelter &#x017F;eyn werde/ und zu dem wir uns nahen/ und ihn &#x017F;u-<lb/>
chen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Weil aber un&#x017F;er gewi&#x017F;&#x017F;en uns un&#x017F;ere &#x017F;u&#x0364;nde/ und hingegen go&#x0364;tt-<lb/>
liche gerechtigkeit vorha&#x0364;lt/ aus dero wir keine andere als &#x017F;traff gerechtigkeit<lb/>
zuerwarten haben/ &#x017F;o kan zu dem glauben nicht gnug &#x017F;eyn/ nur an GOtt zu<lb/>
glauben/ wie er bloß dahin aus &#x017F;einer natur und we&#x017F;en i&#x017F;t/ &#x017F;ondern wie er uns<lb/>
durch &#x017F;einen &#x017F;ohn ver&#x017F;o&#x0364;hnet worden/ und al&#x017F;o muß nothwendig in dem &#x017F;elig-<lb/>
machenden glauben auch der glaube an den ver&#x017F;o&#x0364;hner/ in dem &#x017F;ich der va-<lb/>
ter mit der welt ver&#x017F;o&#x0364;hnet hat/ 2. <hi rendition="#fr">Cor.</hi> 5/ 18. nemlich Chri&#x017F;tum/ mit &#x017F;tecken;<lb/>
ja au&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;em ko&#x0364;nnen wir unmu&#x0364;glich an den vater gla&#x0364;uben/ das i&#x017F;t/ ein ver-<lb/>
trauen der &#x017F;eligkeit auff ihn &#x017F;etzen/ da uns &#x017F;on&#x017F;ten die betrachtung &#x017F;einer ge-<lb/>
rechtigkeit vielmehr von &#x017F;olchem glauben oder vertrauen zuru&#x0364;ck&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Da-<lb/>
her GOtt gleich nach dem fall die verhei&#x017F;&#x017F;ung von des weibes &#x017F;aamen/ der<lb/>
der &#x017F;chlangen den kopff zertreten/ das i&#x017F;t/ dem teufel/ die gewalt/ die er u&#x0364;-<lb/>
ber das men&#x017F;chliche ge&#x017F;chlecht durch die &#x017F;u&#x0364;nde erlanget/ nehmen &#x017F;olte/ den er-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0021] SECTIO 76. Andr. Crameri ſchrifften. Lehr von den ſchaͤtzen der ſeligkeit/ aber mit verhuͤtung der ſicherheit. 77. Pruͤfung ſeiner ſelbſt. Was in den Engliſchen ſchrifften in acht zuneh- men? Wer wiedergebohren? Was bey der pruͤfung zuvermeiden? 78. Vom gebrauch der Engliſchen ſcribenten. 79. An eine Chriſtliche vornehme perſon in der anfechtung/ in allem innerli- chen und euſſerlichen untuͤchtig zu werden. 2. Cor. 4/ 16. SECTIO I. Was es heiſſe/ Ap. Geſch. 10/ 35. Wer Gott fuͤrch- tet und recht thut/ und ob jemand ohne die erkaͤntnuͤß Chriſti ſelig werden koͤnne? ES ſolte zur beantwortung dieſer frage ſcheinen/ es werde der wahre glaube nicht zur ſe- ligkeit erfordert/ ſondern Gott habe gefallen an jedem menſchen/ welches volcks und religion er ſeye/ wo er nur eine furcht Gottes und aus der- ſelben einen fleiß gutes zuthun habe/ wie ja Cor- nelius aus ſolcher urſach Gott bereits angenehm geweſen/ ehe er von Petro zu dem glauben an Chriſtum bekehret worden. Gruͤndlich zu antworten mache ich etliche ſaͤtze. 1. Niemand kan ſelig werden ohne den glauben an GOtt/ Hebr. 11/ 6. und zwar an einen ſolchen GOtt/ der ein vergelter ſeyn werde/ und zu dem wir uns nahen/ und ihn ſu- chen muͤſſen. Weil aber unſer gewiſſen uns unſere ſuͤnde/ und hingegen goͤtt- liche gerechtigkeit vorhaͤlt/ aus dero wir keine andere als ſtraff gerechtigkeit zuerwarten haben/ ſo kan zu dem glauben nicht gnug ſeyn/ nur an GOtt zu glauben/ wie er bloß dahin aus ſeiner natur und weſen iſt/ ſondern wie er uns durch ſeinen ſohn verſoͤhnet worden/ und alſo muß nothwendig in dem ſelig- machenden glauben auch der glaube an den verſoͤhner/ in dem ſich der va- ter mit der welt verſoͤhnet hat/ 2. Cor. 5/ 18. nemlich Chriſtum/ mit ſtecken; ja auſſer dieſem koͤnnen wir unmuͤglich an den vater glaͤuben/ das iſt/ ein ver- trauen der ſeligkeit auff ihn ſetzen/ da uns ſonſten die betrachtung ſeiner ge- rechtigkeit vielmehr von ſolchem glauben oder vertrauen zuruͤckſtoͤſſe. Da- her GOtt gleich nach dem fall die verheiſſung von des weibes ſaamen/ der der ſchlangen den kopff zertreten/ das iſt/ dem teufel/ die gewalt/ die er uͤ- ber das menſchliche geſchlecht durch die ſuͤnde erlanget/ nehmen ſolte/ den er- ſten A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/21
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/21>, abgerufen am 30.12.2024.