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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECT. XXXV.
schaffung desselben ohne andere versorgung der Prediger wider die gerechtigkeit
und liebe streiten würde. Nun sind zwar mittel und wege/ wie derselbe möch-
te in etwas anders weniger ärgerliches verwandelt werden/ ich sorge aber der
hindernüssen werden sich/ ob auch die sache mit recht vorgenommen würde/ so viele
finden/ daß noch zur zeit heilsame rathschläge nicht durchdringen mögen. Es ist
die kargheit derjenigen/ so der kirchen säug-ammen seyn solten/ die unerkäntlich-
keit derer/ welchen das wort des HErrn vorgetragen wird/ und hinwider
die unvergnügsamkeit und geitz derer/ so an der kirchen arbeiten/ so groß/ daß jene
zu solchen heilsamen zweck ihrer intraden, die doch offt so grossen theils aus geistl-
ftifftungen herkommen/ nichts zugeben willig sind/ die andre gleichfals zur will-
kührlichen freygebigkeit schwerlich zu bringen/ und dem blossen erbieten nicht zu
trauen ist; diese/ wo sie den geringsten abgang vor sich sehen oder nur sorgen müs-
sen/ sich mit aller macht widersetzen werden. Daher es eine mehr als menschli-
che gewalt erfodern will/ noch zur zeit dergleichen zu bewerckstelligen. Jndes-
sen müssen wir uns vergnügen/ daß die offenbahre mißbräuche einer sache/ die
man an sich noch duldet/ möchten gehoben/ und damit das ärgernüß gemindert
werden. Wie ich gleichwol versichern kan/ wo einige der beklagten excessen,
daß ein beichtvater von dem beichtkind das geld ernstlich gefordert/ oder jemand
deßwegen eine zeitlang aufgehalten/ oder etwas dergleichen in solcher sache sich
unterstanden hätte/ vor das ober-consistorium käme/ daß keine geringere än-
drung darauf gewißlich solgen würde. Lasset uns indessen den Herrn hertzlich
anruffen/ welcher alles mehr und mehr dazu bereiten/ damit man zu sei-
ner zeit durchdringen/ und allen Predigern auff anständigere art ihre nothdurfft
verschaffen möge/ was noch itzt nicht geschehen kan. 1688.

SECTIO XXXV.
Ob einer/ der eine gelübd gethan/ wenn er ins amt
käme/ kein beichtgeld zu nehmen/ nachmal an solches gelübd
verbunden seye/ oder wenn ihn andre
collegae an solchem ort dahin
halten wollen/ deswegen seine
vocation quittiren
müße?

DArauff antworte ich 1. Daß er sein votum durchaus nicht brechen
dürffe; aldieweil es ist 1. geschehen über eine an sich erlaubte sache: mas-
sen der beicht-pfennig weder von Gott/ noch in kirchen-ordnungen geboten/
und also dessen nehmung keine nothwendige/ sondern aufs höchste eine indiffe-
rente
sache ist/ dero ich mich also aus guten ursachen wol entschlagen darf. Und
wüste ich auffs wenigste mein lebtage noch keinen gelesen zu haben/ welcher sich sol-
te unterstanden haben/ zu sagen/ daß die nehmung desselben geboten seye/ sondern

man
r r 2

ARTIC. VI. SECT. XXXV.
ſchaffung deſſelben ohne andere verſorgung der Prediger wider die gerechtigkeit
und liebe ſtreiten wuͤrde. Nun ſind zwar mittel und wege/ wie derſelbe moͤch-
te in etwas anders weniger aͤrgerliches verwandelt werden/ ich ſorge aber der
hindernuͤſſen werden ſich/ ob auch die ſache mit recht vorgenommen wuͤrde/ ſo viele
finden/ daß noch zur zeit heilſame rathſchlaͤge nicht durchdringen moͤgen. Es iſt
die kargheit derjenigen/ ſo der kirchen ſaͤug-ammen ſeyn ſolten/ die unerkaͤntlich-
keit derer/ welchen das wort des HErrn vorgetragen wird/ und hinwider
die unvergnuͤgſamkeit und geitz derer/ ſo an der kirchen arbeiten/ ſo groß/ daß jene
zu ſolchen heilſamen zweck ihrer intraden, die doch offt ſo groſſen theils aus geiſtl-
ftifftungen herkommen/ nichts zugeben willig ſind/ die andre gleichfals zur will-
kuͤhrlichen freygebigkeit ſchwerlich zu bringen/ und dem bloſſen erbieten nicht zu
trauen iſt; dieſe/ wo ſie den geringſten abgang vor ſich ſehen oder nur ſorgen muͤſ-
ſen/ ſich mit aller macht widerſetzen werden. Daher es eine mehr als menſchli-
che gewalt erfodern will/ noch zur zeit dergleichen zu bewerckſtelligen. Jndeſ-
ſen muͤſſen wir uns vergnuͤgen/ daß die offenbahre mißbraͤuche einer ſache/ die
man an ſich noch duldet/ moͤchten gehoben/ und damit das aͤrgernuͤß gemindert
werden. Wie ich gleichwol verſichern kan/ wo einige der beklagten exceſſen,
daß ein beichtvater von dem beichtkind das geld ernſtlich gefordert/ oder jemand
deßwegen eine zeitlang aufgehalten/ oder etwas dergleichen in ſolcher ſache ſich
unterſtanden haͤtte/ vor das ober-conſiſtorium kaͤme/ daß keine geringere aͤn-
drung darauf gewißlich ſolgen wuͤrde. Laſſet uns indeſſen den Herrn hertzlich
anruffen/ welcher alles mehr und mehr dazu bereiten/ damit man zu ſei-
ner zeit durchdringen/ und allen Predigern auff anſtaͤndigere art ihre nothdurfft
verſchaffen moͤge/ was noch itzt nicht geſchehen kan. 1688.

SECTIO XXXV.
Ob einer/ der eine geluͤbd gethan/ wenn er ins amt
kaͤme/ kein beichtgeld zu nehmen/ nachmal an ſolches geluͤbd
verbunden ſeye/ oder wenn ihn andre
collegæ an ſolchem ort dahin
halten wollen/ deswegen ſeine
vocation quittiren
muͤße?

DArauff antworte ich 1. Daß er ſein votum durchaus nicht brechen
duͤrffe; aldieweil es iſt 1. geſchehen uͤber eine an ſich erlaubte ſache: maſ-
ſen der beicht-pfennig weder von Gott/ noch in kirchen-ordnungen geboten/
und alſo deſſen nehmung keine nothwendige/ ſondern aufs hoͤchſte eine indiffe-
rente
ſache iſt/ dero ich mich alſo aus guten urſachen wol entſchlagen darf. Und
wuͤſte ich auffs wenigſte mein lebtage noch keinen geleſen zu haben/ welcher ſich ſol-
te unterſtanden haben/ zu ſagen/ daß die nehmung deſſelben geboten ſeye/ ſondern

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[[315]/1115] ARTIC. VI. SECT. XXXV. ſchaffung deſſelben ohne andere verſorgung der Prediger wider die gerechtigkeit und liebe ſtreiten wuͤrde. Nun ſind zwar mittel und wege/ wie derſelbe moͤch- te in etwas anders weniger aͤrgerliches verwandelt werden/ ich ſorge aber der hindernuͤſſen werden ſich/ ob auch die ſache mit recht vorgenommen wuͤrde/ ſo viele finden/ daß noch zur zeit heilſame rathſchlaͤge nicht durchdringen moͤgen. Es iſt die kargheit derjenigen/ ſo der kirchen ſaͤug-ammen ſeyn ſolten/ die unerkaͤntlich- keit derer/ welchen das wort des HErrn vorgetragen wird/ und hinwider die unvergnuͤgſamkeit und geitz derer/ ſo an der kirchen arbeiten/ ſo groß/ daß jene zu ſolchen heilſamen zweck ihrer intraden, die doch offt ſo groſſen theils aus geiſtl- ftifftungen herkommen/ nichts zugeben willig ſind/ die andre gleichfals zur will- kuͤhrlichen freygebigkeit ſchwerlich zu bringen/ und dem bloſſen erbieten nicht zu trauen iſt; dieſe/ wo ſie den geringſten abgang vor ſich ſehen oder nur ſorgen muͤſ- ſen/ ſich mit aller macht widerſetzen werden. Daher es eine mehr als menſchli- che gewalt erfodern will/ noch zur zeit dergleichen zu bewerckſtelligen. Jndeſ- ſen muͤſſen wir uns vergnuͤgen/ daß die offenbahre mißbraͤuche einer ſache/ die man an ſich noch duldet/ moͤchten gehoben/ und damit das aͤrgernuͤß gemindert werden. Wie ich gleichwol verſichern kan/ wo einige der beklagten exceſſen, daß ein beichtvater von dem beichtkind das geld ernſtlich gefordert/ oder jemand deßwegen eine zeitlang aufgehalten/ oder etwas dergleichen in ſolcher ſache ſich unterſtanden haͤtte/ vor das ober-conſiſtorium kaͤme/ daß keine geringere aͤn- drung darauf gewißlich ſolgen wuͤrde. Laſſet uns indeſſen den Herrn hertzlich anruffen/ welcher alles mehr und mehr dazu bereiten/ damit man zu ſei- ner zeit durchdringen/ und allen Predigern auff anſtaͤndigere art ihre nothdurfft verſchaffen moͤge/ was noch itzt nicht geſchehen kan. 1688. SECTIO XXXV. Ob einer/ der eine geluͤbd gethan/ wenn er ins amt kaͤme/ kein beichtgeld zu nehmen/ nachmal an ſolches geluͤbd verbunden ſeye/ oder wenn ihn andre collegæ an ſolchem ort dahin halten wollen/ deswegen ſeine vocation quittiren muͤße? DArauff antworte ich 1. Daß er ſein votum durchaus nicht brechen duͤrffe; aldieweil es iſt 1. geſchehen uͤber eine an ſich erlaubte ſache: maſ- ſen der beicht-pfennig weder von Gott/ noch in kirchen-ordnungen geboten/ und alſo deſſen nehmung keine nothwendige/ ſondern aufs hoͤchſte eine indiffe- rente ſache iſt/ dero ich mich alſo aus guten urſachen wol entſchlagen darf. Und wuͤſte ich auffs wenigſte mein lebtage noch keinen geleſen zu haben/ welcher ſich ſol- te unterſtanden haben/ zu ſagen/ daß die nehmung deſſelben geboten ſeye/ ſondern man r r 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. [315]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1115>, abgerufen am 21.11.2024.