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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
christen in dergleichen fällen zu erinnern/ so gehörets doch nunmehr/ weil der zu-
stand jetziger zeiten solches nicht zugiebet/ vornehmlich den beichtvätern zu/ daß
sie dergleichen geheime erinnerungen thun/ darüber sich auch kein beichtkind/ da
es die auffrichtige absicht siehet/ mit gutem gewissen beschweren kan: wie auch
nicht über denjenigen/ der abermal nicht animo calumniandi, sondern allein
zur besserung dergleichen an den beichtvater gebracht hat.
3. Es wird damit ein solches beichtkind nicht an seinem ehrlichen nahmen
gekräncket/ wo man von ihm vernimmet/ was es mit dieser oder jener sache/ die
andere übel genommen/ vor eine bewandnüß habe/ was wahr oder nicht wahr
seye/ indem solche dardurch zu keiner andern wissenschafft kömmt/ sondern unter
denen bleibt/ von denen wir voraus setzen/ daß sie es mit einem solchen inculpato
hertzlich meinen.
4. Es kan jemand in verdacht einer injustiz kommen/ dessen übriger ge-
rechter wandel bekant ist/ entweder daß er unwissend und aus nicht gnugsam ge-
habter nachricht wahrhafftig etwas unrechtes gethan/ oder seines verfahrens ur-
sach andern nicht gnug bekant ist: da solle ihm aber lieb seyn/ wo solches ihm
kund wird/ in dem ersten fall/ daß er selbst seinen aus unwissenheit begangenen
fehler bessere; in dem andern/ sich nicht allein gegen den andern in geheim er-
klähre/ was es vor eine bewandnüß habe/ sondern/ weil er auch daraus vernim-
met/ woran andere scrupel gefasset/ gelegenheit bekommet/ etwan auch gegen an-
dere/ die auch einen mißverstand darüber gefaßt hätten/ dergleichen thun zu können.
5. Also kan ein solcher inculpatus mehr von seinem beichtvater nicht fordern/
als da er unschuldig/ daß derselbe seine unschuld gegen diejenige/ von denen ers
gehöret/ ja gegen alle andere/ wo es gelegenheit gebe/ nachdrücklich bezeuge/
welches auch dieser schuldig ist.
Der HErr pflantze solche liebe unter allen seinen kindern/ aus dero sie wil-
lig einander zu ihrem besten erinnern/ alle erinnerung freundlich auffnehmen/ und
also alles unter sich zur besserung einrichten. Amen. 1697.
SECTIO XIX.
Noch ein casus wegen pflicht eines beichtvaters.

OB ein Prediger/ welcher einer frauen/ dero mann fordert/ daß sie
ihre eigne von vorigen mann habende und verheurathete gantz
verlassen weder zu ihnen zu kommen/ noch sie zu sich kommen las-
sen solle/ und darzu die sprüche 1. Mos. 2/ v. 24. Matth. 6/ 24. mißbrau-
chet/ zwar zuspricht/ daß sie friedens halben sich so viel müglich ihrer
kinder entschlagen solle/ doch beysetzet/ daß unmüglich eine mutter ihres

kin-
Das andere Capitel.
chriſten in dergleichen faͤllen zu erinnern/ ſo gehoͤrets doch nunmehr/ weil der zu-
ſtand jetziger zeiten ſolches nicht zugiebet/ vornehmlich den beichtvaͤtern zu/ daß
ſie dergleichen geheime erinnerungen thun/ daruͤber ſich auch kein beichtkind/ da
es die auffrichtige abſicht ſiehet/ mit gutem gewiſſen beſchweren kan: wie auch
nicht uͤber denjenigen/ der abermal nicht animo calumniandi, ſondern allein
zur beſſerung dergleichen an den beichtvater gebracht hat.
3. Es wird damit ein ſolches beichtkind nicht an ſeinem ehrlichen nahmen
gekraͤncket/ wo man von ihm vernimmet/ was es mit dieſer oder jener ſache/ die
andere uͤbel genommen/ vor eine bewandnuͤß habe/ was wahr oder nicht wahr
ſeye/ indem ſolche dardurch zu keiner andern wiſſenſchafft koͤmmt/ ſondern unter
denen bleibt/ von denen wir voraus ſetzen/ daß ſie es mit einem ſolchen inculpato
hertzlich meinen.
4. Es kan jemand in verdacht einer injuſtiz kommen/ deſſen uͤbriger ge-
rechter wandel bekant iſt/ entweder daß er unwiſſend und aus nicht gnugſam ge-
habter nachricht wahrhafftig etwas unrechtes gethan/ oder ſeines verfahrens ur-
ſach andern nicht gnug bekant iſt: da ſolle ihm aber lieb ſeyn/ wo ſolches ihm
kund wird/ in dem erſten fall/ daß er ſelbſt ſeinen aus unwiſſenheit begangenen
fehler beſſere; in dem andern/ ſich nicht allein gegen den andern in geheim er-
klaͤhre/ was es vor eine bewandnuͤß habe/ ſondern/ weil er auch daraus vernim-
met/ woran andere ſcrupel gefaſſet/ gelegenheit bekommet/ etwan auch gegen an-
dere/ die auch einen mißverſtand daruͤber gefaßt haͤtten/ dergleichen thun zu koͤnnen.
5. Alſo kan ein ſolcher inculpatus mehr von ſeinem beichtvater nicht fordern/
als da er unſchuldig/ daß derſelbe ſeine unſchuld gegen diejenige/ von denen ers
gehoͤret/ ja gegen alle andere/ wo es gelegenheit gebe/ nachdruͤcklich bezeuge/
welches auch dieſer ſchuldig iſt.
Der HErr pflantze ſolche liebe unter allen ſeinen kindern/ aus dero ſie wil-
lig einander zu ihrem beſten erinnern/ alle erinnerung freundlich auffnehmen/ und
alſo alles unter ſich zur beſſerung einrichten. Amen. 1697.
SECTIO XIX.
Noch ein caſus wegen pflicht eines beichtvaters.

OB ein Prediger/ welcher einer frauen/ dero mann fordert/ daß ſie
ihre eigne von vorigen mann habende und verheurathete gantz
verlaſſen weder zu ihnen zu kommen/ noch ſie zu ſich kommen laſ-
ſen ſolle/ und darzu die ſpruͤche 1. Moſ. 2/ v. 24. Matth. 6/ 24. mißbrau-
chet/ zwar zuſpricht/ daß ſie friedens halben ſich ſo viel muͤglich ihrer
kinder entſchlagen ſolle/ doch beyſetzet/ daß unmuͤglich eine mutter ihres

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[244/1044] Das andere Capitel. chriſten in dergleichen faͤllen zu erinnern/ ſo gehoͤrets doch nunmehr/ weil der zu- ſtand jetziger zeiten ſolches nicht zugiebet/ vornehmlich den beichtvaͤtern zu/ daß ſie dergleichen geheime erinnerungen thun/ daruͤber ſich auch kein beichtkind/ da es die auffrichtige abſicht ſiehet/ mit gutem gewiſſen beſchweren kan: wie auch nicht uͤber denjenigen/ der abermal nicht animo calumniandi, ſondern allein zur beſſerung dergleichen an den beichtvater gebracht hat. 3. Es wird damit ein ſolches beichtkind nicht an ſeinem ehrlichen nahmen gekraͤncket/ wo man von ihm vernimmet/ was es mit dieſer oder jener ſache/ die andere uͤbel genommen/ vor eine bewandnuͤß habe/ was wahr oder nicht wahr ſeye/ indem ſolche dardurch zu keiner andern wiſſenſchafft koͤmmt/ ſondern unter denen bleibt/ von denen wir voraus ſetzen/ daß ſie es mit einem ſolchen inculpato hertzlich meinen. 4. Es kan jemand in verdacht einer injuſtiz kommen/ deſſen uͤbriger ge- rechter wandel bekant iſt/ entweder daß er unwiſſend und aus nicht gnugſam ge- habter nachricht wahrhafftig etwas unrechtes gethan/ oder ſeines verfahrens ur- ſach andern nicht gnug bekant iſt: da ſolle ihm aber lieb ſeyn/ wo ſolches ihm kund wird/ in dem erſten fall/ daß er ſelbſt ſeinen aus unwiſſenheit begangenen fehler beſſere; in dem andern/ ſich nicht allein gegen den andern in geheim er- klaͤhre/ was es vor eine bewandnuͤß habe/ ſondern/ weil er auch daraus vernim- met/ woran andere ſcrupel gefaſſet/ gelegenheit bekommet/ etwan auch gegen an- dere/ die auch einen mißverſtand daruͤber gefaßt haͤtten/ dergleichen thun zu koͤnnen. 5. Alſo kan ein ſolcher inculpatus mehr von ſeinem beichtvater nicht fordern/ als da er unſchuldig/ daß derſelbe ſeine unſchuld gegen diejenige/ von denen ers gehoͤret/ ja gegen alle andere/ wo es gelegenheit gebe/ nachdruͤcklich bezeuge/ welches auch dieſer ſchuldig iſt. Der HErr pflantze ſolche liebe unter allen ſeinen kindern/ aus dero ſie wil- lig einander zu ihrem beſten erinnern/ alle erinnerung freundlich auffnehmen/ und alſo alles unter ſich zur beſſerung einrichten. Amen. 1697. SECTIO XIX. Noch ein caſus wegen pflicht eines beichtvaters. OB ein Prediger/ welcher einer frauen/ dero mann fordert/ daß ſie ihre eigne von vorigen mann habende und verheurathete gantz verlaſſen weder zu ihnen zu kommen/ noch ſie zu ſich kommen laſ- ſen ſolle/ und darzu die ſpruͤche 1. Moſ. 2/ v. 24. Matth. 6/ 24. mißbrau- chet/ zwar zuſpricht/ daß ſie friedens halben ſich ſo viel muͤglich ihrer kinder entſchlagen ſolle/ doch beyſetzet/ daß unmuͤglich eine mutter ihres kin-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1044>, abgerufen am 21.11.2024.