Von hier aus beschreibe ich Jhnen nun eine Reise, die ich unternahm, um die ganze Kette von Gebirgen des Jablonnoi Chrebet queer zu überreisen, und wenig- stens Dauurien zu sehen. Den 6ten September verließ ich meine Simowie am Tschikoi, sezte durch den Tschi- koifluß, und hielt bey einem andern warmen Mineral- quell, 25 Werste entfernt, einige Tage stille, um auch hier mich ein bischen umzusehen. Dieses warme Was- ser verdient den Namen in der That, und ist von dem vorhererwähnten am Kunalei sehr verschieden. Als ich des Abends hier anlangte, und mich dem Quell, der so wie der vorige, aber noch höher, aus einem Granitge- birge in einem melancholischen hohen Bergthal ent- springt, auf 6 Klaftern näherte, spürte ich schon den Aer hepaticus. Jch hieng mein Thermometer hinein, das nach Verlauf gehöriger Zeit 29° Wärme zeigte; die Atmosphäre hatte 17°, und ein kleiner Bach, der etwa 3 Ellen weiter davon entsprang 6° Wärme. Als ich mich im Becken des Quells badete, mußte ich Anfangs viel niesen; ein anderer Beweiß der Gegenwart von Schwefelleberluft: Silber, Messing und Kupfer wurden sogleich schwarzbraun wenn sie ein Weilchen in's Was- ser getaucht wurden, welches stark aus dem Grunde her- vorbrudelt. Auf denen hier häufig liegenden Rollstei- nen war ein weißer erdiger Satz, der aber nur reine Kalkerde zu seyn schien. Er brannte durchaus nicht,
gab
Sievers Briefe
Siebenter Brief.
Kiachta den 12. December 1791.
Von hier aus beſchreibe ich Jhnen nun eine Reiſe, die ich unternahm, um die ganze Kette von Gebirgen des Jablonnoi Chrebet queer zu uͤberreiſen, und wenig- ſtens Dauurien zu ſehen. Den 6ten September verließ ich meine Simowie am Tſchikoi, ſezte durch den Tſchi- koifluß, und hielt bey einem andern warmen Mineral- quell, 25 Werſte entfernt, einige Tage ſtille, um auch hier mich ein bischen umzuſehen. Dieſes warme Waſ- ſer verdient den Namen in der That, und iſt von dem vorhererwaͤhnten am Kunalei ſehr verſchieden. Als ich des Abends hier anlangte, und mich dem Quell, der ſo wie der vorige, aber noch hoͤher, aus einem Granitge- birge in einem melancholiſchen hohen Bergthal ent- ſpringt, auf 6 Klaftern naͤherte, ſpuͤrte ich ſchon den Aër hepaticus. Jch hieng mein Thermometer hinein, das nach Verlauf gehoͤriger Zeit 29° Waͤrme zeigte; die Atmosphaͤre hatte 17°, und ein kleiner Bach, der etwa 3 Ellen weiter davon entſprang 6° Waͤrme. Als ich mich im Becken des Quells badete, mußte ich Anfangs viel nieſen; ein anderer Beweiß der Gegenwart von Schwefelleberluft: Silber, Meſſing und Kupfer wurden ſogleich ſchwarzbraun wenn ſie ein Weilchen in’s Waſ- ſer getaucht wurden, welches ſtark aus dem Grunde her- vorbrudelt. Auf denen hier haͤufig liegenden Rollſtei- nen war ein weißer erdiger Satz, der aber nur reine Kalkerde zu ſeyn ſchien. Er brannte durchaus nicht,
gab
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="84"facs="#f0092"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Sievers Briefe</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Siebenter Brief.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Kiachta den 12. December 1791.</hi></dateline><lb/><p>Von hier aus beſchreibe ich Jhnen nun eine Reiſe,<lb/>
die ich unternahm, um die ganze Kette von Gebirgen<lb/>
des Jablonnoi Chrebet queer zu uͤberreiſen, und wenig-<lb/>ſtens Dauurien zu ſehen. Den 6ten September verließ<lb/>
ich meine Simowie am Tſchikoi, ſezte durch den Tſchi-<lb/>
koifluß, und hielt bey einem andern warmen Mineral-<lb/>
quell, 25 Werſte entfernt, einige Tage ſtille, um auch<lb/>
hier mich ein bischen umzuſehen. Dieſes warme Waſ-<lb/>ſer verdient den Namen in der That, und iſt von dem<lb/>
vorhererwaͤhnten am Kunalei ſehr verſchieden. Als ich<lb/>
des Abends hier anlangte, und mich dem Quell, der ſo<lb/>
wie der vorige, aber noch hoͤher, aus einem Granitge-<lb/>
birge in einem melancholiſchen hohen Bergthal ent-<lb/>ſpringt, auf 6 Klaftern naͤherte, ſpuͤrte ich ſchon den <hirendition="#aq">Aër<lb/>
hepaticus.</hi> Jch hieng mein Thermometer hinein, das<lb/>
nach Verlauf gehoͤriger Zeit 29° Waͤrme zeigte; die<lb/>
Atmosphaͤre hatte 17°, und ein kleiner Bach, der etwa<lb/>
3 Ellen weiter davon entſprang 6° Waͤrme. Als ich<lb/>
mich im Becken des Quells badete, mußte ich Anfangs<lb/>
viel nieſen; ein anderer Beweiß der Gegenwart von<lb/>
Schwefelleberluft: Silber, Meſſing und Kupfer wurden<lb/>ſogleich ſchwarzbraun wenn ſie ein Weilchen in’s Waſ-<lb/>ſer getaucht wurden, welches ſtark aus dem Grunde her-<lb/>
vorbrudelt. Auf denen hier haͤufig liegenden Rollſtei-<lb/>
nen war ein weißer erdiger Satz, der aber nur reine<lb/>
Kalkerde zu ſeyn ſchien. Er brannte durchaus nicht,<lb/><fwtype="catch"place="bottom">gab</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0092]
Sievers Briefe
Siebenter Brief.
Kiachta den 12. December 1791.
Von hier aus beſchreibe ich Jhnen nun eine Reiſe,
die ich unternahm, um die ganze Kette von Gebirgen
des Jablonnoi Chrebet queer zu uͤberreiſen, und wenig-
ſtens Dauurien zu ſehen. Den 6ten September verließ
ich meine Simowie am Tſchikoi, ſezte durch den Tſchi-
koifluß, und hielt bey einem andern warmen Mineral-
quell, 25 Werſte entfernt, einige Tage ſtille, um auch
hier mich ein bischen umzuſehen. Dieſes warme Waſ-
ſer verdient den Namen in der That, und iſt von dem
vorhererwaͤhnten am Kunalei ſehr verſchieden. Als ich
des Abends hier anlangte, und mich dem Quell, der ſo
wie der vorige, aber noch hoͤher, aus einem Granitge-
birge in einem melancholiſchen hohen Bergthal ent-
ſpringt, auf 6 Klaftern naͤherte, ſpuͤrte ich ſchon den Aër
hepaticus. Jch hieng mein Thermometer hinein, das
nach Verlauf gehoͤriger Zeit 29° Waͤrme zeigte; die
Atmosphaͤre hatte 17°, und ein kleiner Bach, der etwa
3 Ellen weiter davon entſprang 6° Waͤrme. Als ich
mich im Becken des Quells badete, mußte ich Anfangs
viel nieſen; ein anderer Beweiß der Gegenwart von
Schwefelleberluft: Silber, Meſſing und Kupfer wurden
ſogleich ſchwarzbraun wenn ſie ein Weilchen in’s Waſ-
ſer getaucht wurden, welches ſtark aus dem Grunde her-
vorbrudelt. Auf denen hier haͤufig liegenden Rollſtei-
nen war ein weißer erdiger Satz, der aber nur reine
Kalkerde zu ſeyn ſchien. Er brannte durchaus nicht,
gab
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/92>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.