Drittes Kapitel. Von den Consonanzen und Dissonanzen der Intervalle einer Tonleiter oder Tonart.
Bevor etwas über die Consonanzen und Dissonanzen der Intervalle gesagt werden kann, ist zu erwähnen, daß beide Arten von Tönen nicht in das Namen, sondern in das Zahlensystem gehören, und sich mithin allemal erst auf eine bestimmte Tonart gründen. Wenn in der Tonart C dur, h eine Dissonanz ist, so kann man h nicht immer als solche betrachten, denn so wie sich die Tonart z. B. in E dur ändert, ist h als Consonanz und zwar als vollkommene anzusehen. Um beide Arten von Intervallen also gehörig un- terscheiden zu können, müssen sie nach Zahlen benannt werden. Welche nun der Zahl nach in einer Tonart als Consonanzen oder Dissonanzen zu betrachten sind, müssen auch in jeder andern als solche betrachtet werden, weil alle Tonarten in dur und alle in moll einander gleich sind.
Unter den sieben zu einer Tonart gehörenden Intervallen befinden sich 3 Consonan- zen und zwar die Prime, die Terz, und die Quinte, und 4 Dissonanzen: die Sekunde, die Quarte, die Sexte und die Septime. Beide Arten sind aber nur als solche zu be- trachten, als ihnen zwei gewisse Töne zum Grunde gelegt sind und zwar den Consonan- zen die Prime, und den Dissonanzen die Quinte, wodurch zwei Harmonien entstehen, die man Licht und Schatten nennen kann. Die zwei Harmonien werden die Primen und Dominantenharmonie genannt und sind in C dur:
[Musik]
Die ersten sind in Hinsicht auf Harmonie dem Gehöre beruhigend und zu Bildung eines Schlusses geeignet. Die zweiten aber, wenn sie unmittelbar nach den ersten gehört werden, beruhigen nicht, sondern verlangen eine Auflösung in die ersten. Diese Auflösung ist bestimmten Naturgesetzen unterworfen, die unbedingt befolgt werden müssen. Näm- lich die Sekunde, Quarte und Sexte muß abwärts, und die Septime aufwärts auf- gelößt werden. In melodischer Beziehung tritt diese Nothwendigkeit nicht ein.
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Drittes Kapitel. Von den Conſonanzen und Diſſonanzen der Intervalle einer Tonleiter oder Tonart.
Bevor etwas uͤber die Conſonanzen und Diſſonanzen der Intervalle geſagt werden kann, iſt zu erwaͤhnen, daß beide Arten von Toͤnen nicht in das Namen, ſondern in das Zahlenſyſtem gehoͤren, und ſich mithin allemal erſt auf eine beſtimmte Tonart gruͤnden. Wenn in der Tonart C dur, h eine Diſſonanz iſt, ſo kann man h nicht immer als ſolche betrachten, denn ſo wie ſich die Tonart z. B. in E dur aͤndert, iſt h als Conſonanz und zwar als vollkommene anzuſehen. Um beide Arten von Intervallen alſo gehoͤrig un- terſcheiden zu koͤnnen, muͤſſen ſie nach Zahlen benannt werden. Welche nun der Zahl nach in einer Tonart als Conſonanzen oder Diſſonanzen zu betrachten ſind, muͤſſen auch in jeder andern als ſolche betrachtet werden, weil alle Tonarten in dur und alle in moll einander gleich ſind.
Unter den ſieben zu einer Tonart gehoͤrenden Intervallen befinden ſich 3 Conſonan- zen und zwar die Prime, die Terz, und die Quinte, und 4 Diſſonanzen: die Sekunde, die Quarte, die Sexte und die Septime. Beide Arten ſind aber nur als ſolche zu be- trachten, als ihnen zwei gewiſſe Toͤne zum Grunde gelegt ſind und zwar den Conſonan- zen die Prime, und den Diſſonanzen die Quinte, wodurch zwei Harmonien entſtehen, die man Licht und Schatten nennen kann. Die zwei Harmonien werden die Primen und Dominantenharmonie genannt und ſind in C dur:
[Musik]
Die erſten ſind in Hinſicht auf Harmonie dem Gehoͤre beruhigend und zu Bildung eines Schluſſes geeignet. Die zweiten aber, wenn ſie unmittelbar nach den erſten gehoͤrt werden, beruhigen nicht, ſondern verlangen eine Aufloͤſung in die erſten. Dieſe Aufloͤſung iſt beſtimmten Naturgeſetzen unterworfen, die unbedingt befolgt werden muͤſſen. Naͤm- lich die Sekunde, Quarte und Sexte muß abwaͤrts, und die Septime aufwaͤrts auf- geloͤßt werden. In melodiſcher Beziehung tritt dieſe Nothwendigkeit nicht ein.
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Drittes Kapitel.
Von den Conſonanzen und Diſſonanzen der Intervalle einer Tonleiter
oder Tonart.
Bevor etwas uͤber die Conſonanzen und Diſſonanzen der Intervalle geſagt werden
kann, iſt zu erwaͤhnen, daß beide Arten von Toͤnen nicht in das Namen, ſondern in das
Zahlenſyſtem gehoͤren, und ſich mithin allemal erſt auf eine beſtimmte Tonart gruͤnden.
Wenn in der Tonart C dur, h eine Diſſonanz iſt, ſo kann man h nicht immer als
ſolche betrachten, denn ſo wie ſich die Tonart z. B. in E dur aͤndert, iſt h als Conſonanz
und zwar als vollkommene anzuſehen. Um beide Arten von Intervallen alſo gehoͤrig un-
terſcheiden zu koͤnnen, muͤſſen ſie nach Zahlen benannt werden. Welche nun der Zahl
nach in einer Tonart als Conſonanzen oder Diſſonanzen zu betrachten ſind, muͤſſen auch
in jeder andern als ſolche betrachtet werden, weil alle Tonarten in dur und alle in moll
einander gleich ſind.
Unter den ſieben zu einer Tonart gehoͤrenden Intervallen befinden ſich 3 Conſonan-
zen und zwar die Prime, die Terz, und die Quinte, und 4 Diſſonanzen: die Sekunde,
die Quarte, die Sexte und die Septime. Beide Arten ſind aber nur als ſolche zu be-
trachten, als ihnen zwei gewiſſe Toͤne zum Grunde gelegt ſind und zwar den Conſonan-
zen die Prime, und den Diſſonanzen die Quinte, wodurch zwei Harmonien entſtehen,
die man Licht und Schatten nennen kann. Die zwei Harmonien werden die Primen
und Dominantenharmonie genannt und ſind in C dur:
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Die erſten ſind in Hinſicht auf Harmonie dem Gehoͤre beruhigend und zu Bildung
eines Schluſſes geeignet. Die zweiten aber, wenn ſie unmittelbar nach den erſten gehoͤrt
werden, beruhigen nicht, ſondern verlangen eine Aufloͤſung in die erſten. Dieſe Aufloͤſung
iſt beſtimmten Naturgeſetzen unterworfen, die unbedingt befolgt werden muͤſſen. Naͤm-
lich die Sekunde, Quarte und Sexte muß abwaͤrts, und die Septime aufwaͤrts auf-
geloͤßt werden. In melodiſcher Beziehung tritt dieſe Nothwendigkeit nicht ein.
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Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegmeyer_tonsetzkunst_1822/49>, abgerufen am 16.07.2024.
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