Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

[Musik]
Sechstes Kapitel.
Vom rückgängigen Contrapunkte
.

Derselbe wird so genannt, wenn man eine Composition auch vom Ende nach dem
Anfange zu setzen kann. In einem solchen Satze können auch die Stimmen entweder
umgekehrt werden oder nicht. Können sie nicht umgekehrt werden, so heißt er ein ein-
facher rückgängiger, können sie aber umgekehrt werden, ein doppelt rückgän-
giger Contrapunkt
. Wenn der rückgängige Contrapunkt umgekehrt wird, so ge-
schieht es entweder in der geraden oder in der Gegenbewegung. Es entstehen
daher wieder zwei Gattungen des doppelt rückgängigen Contrapunkts, nämlich der in der
ähnlichen oder geraden, und der in der Gegenbewegung. Man hat bisher festge-
setzt, daß in jeder dieser Gattungen keine andern als consonirende Töne vorkommen
dürfen, und von dissonirenden nur die falsche Quinte, die kleine Septime
auf der Dominante, die verminderte Septime, die übermäßige Quarte und die
übermäßige Secunde, jedoch nur unter der Bedingung: daß die Gänge mit den-
selben in Ansehung der vorangehenden und auf sie folgenden Consonanzen so eingerichtet
werden, daß sie auf eben die Art wieder rückwärts zum Vorschein kommen. Mit
Pausen, Punlten und Bindungen, ob sie gleich nicht anders als consonirend sein können,
hat man sich in Acht zu nehmen, daß sie nicht an einen Ort kommen, wo sie sich zum
Rückgange nicht schicken.


E e 2

[Musik]
Sechstes Kapitel.
Vom ruͤckgaͤngigen Contrapunkte
.

Derſelbe wird ſo genannt, wenn man eine Compoſition auch vom Ende nach dem
Anfange zu ſetzen kann. In einem ſolchen Satze koͤnnen auch die Stimmen entweder
umgekehrt werden oder nicht. Koͤnnen ſie nicht umgekehrt werden, ſo heißt er ein ein-
facher ruͤckgaͤngiger, koͤnnen ſie aber umgekehrt werden, ein doppelt ruͤckgaͤn-
giger Contrapunkt
. Wenn der ruͤckgaͤngige Contrapunkt umgekehrt wird, ſo ge-
ſchieht es entweder in der geraden oder in der Gegenbewegung. Es entſtehen
daher wieder zwei Gattungen des doppelt ruͤckgaͤngigen Contrapunkts, naͤmlich der in der
aͤhnlichen oder geraden, und der in der Gegenbewegung. Man hat bisher feſtge-
ſetzt, daß in jeder dieſer Gattungen keine andern als conſonirende Toͤne vorkommen
duͤrfen, und von diſſonirenden nur die falſche Quinte, die kleine Septime
auf der Dominante, die verminderte Septime, die uͤbermaͤßige Quarte und die
uͤbermaͤßige Secunde, jedoch nur unter der Bedingung: daß die Gaͤnge mit den-
ſelben in Anſehung der vorangehenden und auf ſie folgenden Conſonanzen ſo eingerichtet
werden, daß ſie auf eben die Art wieder ruͤckwaͤrts zum Vorſchein kommen. Mit
Pauſen, Punlten und Bindungen, ob ſie gleich nicht anders als conſonirend ſein koͤnnen,
hat man ſich in Acht zu nehmen, daß ſie nicht an einen Ort kommen, wo ſie ſich zum
Ruͤckgange nicht ſchicken.


E e 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0237" n="219"/>
            <figure type="notatedMusic"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Sechstes Kapitel.<lb/>
Vom ru&#x0364;ckga&#x0364;ngigen Contrapunkte</hi>.</head><lb/>
          <p>Der&#x017F;elbe wird &#x017F;o genannt, wenn man eine Compo&#x017F;ition auch vom Ende nach dem<lb/>
Anfange zu &#x017F;etzen kann. In einem &#x017F;olchen Satze ko&#x0364;nnen auch die Stimmen entweder<lb/>
umgekehrt werden oder nicht. Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie <hi rendition="#g">nicht</hi> umgekehrt werden, &#x017F;o heißt er ein ein-<lb/><hi rendition="#g">facher ru&#x0364;ckga&#x0364;ngiger</hi>, ko&#x0364;nnen &#x017F;ie aber umgekehrt werden, ein <hi rendition="#g">doppelt ru&#x0364;ckga&#x0364;n-<lb/>
giger Contrapunkt</hi>. Wenn der ru&#x0364;ckga&#x0364;ngige Contrapunkt umgekehrt wird, &#x017F;o ge-<lb/>
&#x017F;chieht es entweder in der <hi rendition="#g">geraden</hi> oder in der <hi rendition="#g">Gegenbewegung</hi>. Es ent&#x017F;tehen<lb/>
daher wieder zwei Gattungen des doppelt ru&#x0364;ckga&#x0364;ngigen Contrapunkts, na&#x0364;mlich der in der<lb/><hi rendition="#g">a&#x0364;hnlichen</hi> oder geraden, und der in der <hi rendition="#g">Gegenbewegung</hi>. Man hat bisher fe&#x017F;tge-<lb/>
&#x017F;etzt, daß in jeder die&#x017F;er Gattungen keine andern als <hi rendition="#g">con&#x017F;onirende</hi> To&#x0364;ne vorkommen<lb/>
du&#x0364;rfen, und von <hi rendition="#g">di&#x017F;&#x017F;onirenden</hi> nur die <hi rendition="#g">fal&#x017F;che Quinte</hi>, die <hi rendition="#g">kleine Septime</hi><lb/>
auf der Dominante, die <hi rendition="#g">verminderte Septime</hi>, die <hi rendition="#g">u&#x0364;berma&#x0364;ßige Quarte</hi> und die<lb/><hi rendition="#g">u&#x0364;berma&#x0364;ßige Secunde</hi>, jedoch nur unter der Bedingung: daß die Ga&#x0364;nge mit den-<lb/>
&#x017F;elben in An&#x017F;ehung der vorangehenden und auf &#x017F;ie folgenden Con&#x017F;onanzen &#x017F;o eingerichtet<lb/>
werden, daß &#x017F;ie <hi rendition="#g">auf eben die Art</hi> wieder <hi rendition="#g">ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts</hi> zum Vor&#x017F;chein kommen. Mit<lb/>
Pau&#x017F;en, Punlten und Bindungen, ob &#x017F;ie gleich nicht anders als con&#x017F;onirend &#x017F;ein ko&#x0364;nnen,<lb/>
hat man &#x017F;ich in Acht zu nehmen, daß &#x017F;ie nicht an einen Ort kommen, wo &#x017F;ie &#x017F;ich zum<lb/>
Ru&#x0364;ckgange nicht &#x017F;chicken.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">E e 2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0237] [Abbildung] Sechstes Kapitel. Vom ruͤckgaͤngigen Contrapunkte. Derſelbe wird ſo genannt, wenn man eine Compoſition auch vom Ende nach dem Anfange zu ſetzen kann. In einem ſolchen Satze koͤnnen auch die Stimmen entweder umgekehrt werden oder nicht. Koͤnnen ſie nicht umgekehrt werden, ſo heißt er ein ein- facher ruͤckgaͤngiger, koͤnnen ſie aber umgekehrt werden, ein doppelt ruͤckgaͤn- giger Contrapunkt. Wenn der ruͤckgaͤngige Contrapunkt umgekehrt wird, ſo ge- ſchieht es entweder in der geraden oder in der Gegenbewegung. Es entſtehen daher wieder zwei Gattungen des doppelt ruͤckgaͤngigen Contrapunkts, naͤmlich der in der aͤhnlichen oder geraden, und der in der Gegenbewegung. Man hat bisher feſtge- ſetzt, daß in jeder dieſer Gattungen keine andern als conſonirende Toͤne vorkommen duͤrfen, und von diſſonirenden nur die falſche Quinte, die kleine Septime auf der Dominante, die verminderte Septime, die uͤbermaͤßige Quarte und die uͤbermaͤßige Secunde, jedoch nur unter der Bedingung: daß die Gaͤnge mit den- ſelben in Anſehung der vorangehenden und auf ſie folgenden Conſonanzen ſo eingerichtet werden, daß ſie auf eben die Art wieder ruͤckwaͤrts zum Vorſchein kommen. Mit Pauſen, Punlten und Bindungen, ob ſie gleich nicht anders als conſonirend ſein koͤnnen, hat man ſich in Acht zu nehmen, daß ſie nicht an einen Ort kommen, wo ſie ſich zum Ruͤckgange nicht ſchicken. E e 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegmeyer_tonsetzkunst_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegmeyer_tonsetzkunst_1822/237
Zitationshilfe: Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegmeyer_tonsetzkunst_1822/237>, abgerufen am 21.11.2024.