Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.vorgegangenen Unterrichts. man nun denselben mit den zweyen Fingern lüfftet und in dieHöhe hebet/ so folget die Nach-Geburt gar leicht. LXXXI. Fr. Just. Du sprichst in der Antwort auff die LXXIXte Frage/ daß die Nach-Geburt selten angewach- sen wäre: Wie kan das seyn? Müßen denn nicht alle Nach- Geburten angewachsen seyn/ weil die Kinder die Nahrung durch die Nach-Geburt und Nabelschnure bekommen? Christ. Du weißt es besser/ als ich dir antworten kan/ daß dieses Anwachsen der Nach-Geburt zweyerley sey/ alß: An- wachsen/ daß sich dieselbe bey der Geburt nicht ablöset/ oder an- wachsendaß sie sich ablösen kan/ nach natürlicher Art und Weise/ da sich bey der Geburt/ und nach der Geburt/ wie gewöhnlich/ vor sich selbst ablöset/ und durch Husten und Niesen gar leicht sich ausführen läßet/ wie schon vorher genüglich erwehnet worden. LXXXII. Fr. Just. Ist denn aber keine Hülffe/ wenn die Nach-Geburt recht feste (wie du meinest/) angewachsen ist/ müßen denn solche Frauen alle sterben? Christ. Ich wil ihnen das Leben nicht absagen. Bey GOtt ist kein Ding unmöglich. Aber nach menschlichen Ver- stande zu reden/ ist es gefährlich genug. GOtt sey gedancket/ daß dergleichen Zustände sich selten begeben. LXXXIII. Fr. Iust. Nun verlanget mich noch einmahl zu hören/ ob du meinem Widerraht/ wegen Gebrauches un- terschiedlicher Haus-Mittel/ bey kreistenden Frauen/ bestän- digen Beyfall giebest? Christ. Liebe Schwester! Wer durch anderer Leute Schaden nicht klug werden wil/ dem ist selten zu rathen oder zu helffen. Die Erzehlung/ und der starcke Beweiß/ was Titiam betrifft/ hat mich schon so klug gemacht/ daß ich in diesem Fall/ Zeit meines Lebens behutsam gehen und denen Herren Medicis schul- digsten Gehorsam leisten werde. LXXXIV. Fr. Iust. Dieser dein Vorsatz ist recht/ und außer
vorgegangenen Unterrichts. man nun denſelben mit den zweyen Fingern luͤfftet und in dieHoͤhe hebet/ ſo folget die Nach-Geburt gar leicht. LXXXI. Fr. Juſt. Du ſprichſt in der Antwort auff die LXXIXte Frage/ daß die Nach-Geburt ſelten angewach- ſen waͤre: Wie kan das ſeyn? Muͤßen denn nicht alle Nach- Geburten angewachſen ſeyn/ weil die Kinder die Nahrung durch die Nach-Geburt und Nabelſchnure bekommen? Chriſt. Du weißt es beſſer/ als ich dir antworten kan/ daß dieſes Anwachſen der Nach-Geburt zweyerley ſey/ alß: An- wachſen/ daß ſich dieſelbe bey der Geburt nicht abloͤſet/ oder an- wachſendaß ſie ſich abloͤſen kan/ nach natuͤrlicher Art und Weiſe/ da ſich bey der Geburt/ und nach der Geburt/ wie gewoͤhnlich/ vor ſich ſelbſt abloͤſet/ und durch Huſten und Nieſen gar leicht ſich ausfuͤhren laͤßet/ wie ſchon vorher genuͤglich erwehnet worden. LXXXII. Fr. Juſt. Iſt denn aber keine Huͤlffe/ wenn die Nach-Geburt recht feſte (wie du meineſt/) angewachſen iſt/ muͤßen denn ſolche Frauen alle ſterben? Chriſt. Ich wil ihnen das Leben nicht abſagen. Bey GOtt iſt kein Ding unmoͤglich. Aber nach menſchlichen Ver- ſtande zu reden/ iſt es gefaͤhrlich genug. GOtt ſey gedancket/ daß dergleichen Zuſtaͤnde ſich ſelten begeben. LXXXIII. Fr. Iuſt. Nun verlanget mich noch einmahl zu hoͤren/ ob du meinem Widerraht/ wegen Gebrauches un- terſchiedlicher Haus-Mittel/ bey kreiſtenden Frauen/ beſtaͤn- digen Beyfall giebeſt? Chriſt. Liebe Schweſter! Wer durch anderer Leute Schaden nicht klug werden wil/ dem iſt ſelten zu rathen oder zu helffen. Die Erzehlung/ und der ſtarcke Beweiß/ was Titiam betrifft/ hat mich ſchon ſo klug gemacht/ daß ich in dieſem Fall/ Zeit meines Lebens behutſam gehen und denen Herren Medicis ſchul- digſten Gehorſam leiſten werde. LXXXIV. Fr. Iuſt. Dieſer dein Vorſatz iſt recht/ und außer
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#christ"> <p><pb facs="#f0384" n="257"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">vorgegangenen Unterrichts.</hi></fw><lb/> man nun denſelben mit den zweyen Fingern luͤfftet und in die<lb/> Hoͤhe hebet/ ſo folget die Nach-Geburt gar leicht.</p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">LXXXI.</hi> Fr.</head><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p><hi rendition="#fr">Du ſprichſt in der Antwort auff die</hi><lb/><hi rendition="#aq">LXXIX</hi><hi rendition="#fr">te Frage</hi>/ <hi rendition="#fr">daß die Nach-Geburt ſelten angewach-<lb/> ſen waͤre: Wie kan das ſeyn? Muͤßen denn nicht alle Nach-<lb/> Geburten angewachſen ſeyn/ weil die Kinder die Nahrung<lb/> durch die Nach-Geburt und Nabelſchnure bekommen?</hi></p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p>Du weißt es beſſer/ als ich dir antworten kan/<lb/> daß dieſes Anwachſen der Nach-Geburt zweyerley ſey/ alß: An-<lb/> wachſen/ daß ſich dieſelbe bey der Geburt nicht abloͤſet/ oder an-<lb/> wachſendaß ſie ſich abloͤſen kan/ nach natuͤrlicher Art und Weiſe/ da<lb/> ſich bey der Geburt/ und nach der Geburt/ wie gewoͤhnlich/ vor<lb/> ſich ſelbſt abloͤſet/ und durch Huſten und Nieſen gar leicht ſich<lb/> ausfuͤhren laͤßet/ wie ſchon vorher genuͤglich erwehnet worden.</p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">LXXXII.</hi> Fr.</head><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Iſt denn aber keine Huͤlffe/ wenn die<lb/> Nach-Geburt recht feſte (wie du meineſt/) angewachſen iſt/<lb/> muͤßen denn ſolche Frauen alle ſterben?</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p>Ich wil ihnen das Leben nicht abſagen. Bey<lb/> GOtt iſt kein Ding unmoͤglich. Aber nach menſchlichen Ver-<lb/> ſtande zu reden/ iſt es gefaͤhrlich genug. GOtt ſey gedancket/<lb/> daß dergleichen Zuſtaͤnde ſich ſelten begeben.</p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">LXXXIII.</hi> Fr.</head><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Iuſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Nun verlanget mich noch einmahl<lb/> zu hoͤren/ ob du meinem Widerraht/ wegen Gebrauches un-<lb/> terſchiedlicher Haus-Mittel/ bey kreiſtenden Frauen/ beſtaͤn-<lb/> digen Beyfall giebeſt?</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p>Liebe Schweſter! Wer durch anderer Leute<lb/> Schaden nicht klug werden wil/ dem iſt ſelten zu rathen oder zu<lb/> helffen. Die Erzehlung/ und der ſtarcke Beweiß/ was <hi rendition="#aq">Titiam</hi><lb/> betrifft/ hat mich ſchon ſo klug gemacht/ daß ich in dieſem Fall/ Zeit<lb/> meines Lebens behutſam gehen und denen Herren <hi rendition="#aq">Medicis</hi> ſchul-<lb/> digſten Gehorſam leiſten werde.</p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">LXXXIV.</hi> Fr.</head><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Iuſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Dieſer dein Vorſatz iſt recht/ und</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">außer</hi> </fw><lb/> </p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [257/0384]
vorgegangenen Unterrichts.
man nun denſelben mit den zweyen Fingern luͤfftet und in die
Hoͤhe hebet/ ſo folget die Nach-Geburt gar leicht.
LXXXI. Fr.
Juſt. Du ſprichſt in der Antwort auff die
LXXIXte Frage/ daß die Nach-Geburt ſelten angewach-
ſen waͤre: Wie kan das ſeyn? Muͤßen denn nicht alle Nach-
Geburten angewachſen ſeyn/ weil die Kinder die Nahrung
durch die Nach-Geburt und Nabelſchnure bekommen?
Chriſt. Du weißt es beſſer/ als ich dir antworten kan/
daß dieſes Anwachſen der Nach-Geburt zweyerley ſey/ alß: An-
wachſen/ daß ſich dieſelbe bey der Geburt nicht abloͤſet/ oder an-
wachſendaß ſie ſich abloͤſen kan/ nach natuͤrlicher Art und Weiſe/ da
ſich bey der Geburt/ und nach der Geburt/ wie gewoͤhnlich/ vor
ſich ſelbſt abloͤſet/ und durch Huſten und Nieſen gar leicht ſich
ausfuͤhren laͤßet/ wie ſchon vorher genuͤglich erwehnet worden.
LXXXII. Fr.
Juſt. Iſt denn aber keine Huͤlffe/ wenn die
Nach-Geburt recht feſte (wie du meineſt/) angewachſen iſt/
muͤßen denn ſolche Frauen alle ſterben?
Chriſt. Ich wil ihnen das Leben nicht abſagen. Bey
GOtt iſt kein Ding unmoͤglich. Aber nach menſchlichen Ver-
ſtande zu reden/ iſt es gefaͤhrlich genug. GOtt ſey gedancket/
daß dergleichen Zuſtaͤnde ſich ſelten begeben.
LXXXIII. Fr.
Iuſt. Nun verlanget mich noch einmahl
zu hoͤren/ ob du meinem Widerraht/ wegen Gebrauches un-
terſchiedlicher Haus-Mittel/ bey kreiſtenden Frauen/ beſtaͤn-
digen Beyfall giebeſt?
Chriſt. Liebe Schweſter! Wer durch anderer Leute
Schaden nicht klug werden wil/ dem iſt ſelten zu rathen oder zu
helffen. Die Erzehlung/ und der ſtarcke Beweiß/ was Titiam
betrifft/ hat mich ſchon ſo klug gemacht/ daß ich in dieſem Fall/ Zeit
meines Lebens behutſam gehen und denen Herren Medicis ſchul-
digſten Gehorſam leiſten werde.
LXXXIV. Fr.
Iuſt. Dieſer dein Vorſatz iſt recht/ und
außer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |