Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.vorgegangenen Unterrichts. XX. Fr. Just. Wie ist solcher Unterscheid zu mercken/ und wie ändert sich der Mutter-Mund in dem letzten Monden/ nahe der Geburt? Christ. Es ändert sich der innere Mutter-Mund/ so viel mir bekant worden/ bey einer Frauen eher und langsamer als bey der andern. (1.) Bey denen Leibern/ welche leicht zu gebäh- ren pflegen/ ändert er sich nicht allzu lange nach der Helffte/ daß er weich wird/ auch nach und nach pfleget weicher und lockerer zu werden/ da er sich denn um die achte Woche vor der Geburt in etwas weniges anfänget zur Oeffnung zu schicken/ welches sich nach und nach besser ergiebet. So bald sich nun die Oeff- nung findet/ und das Kind sich gewendet hat/ so fangen sich in- gemein die wilden Wehen an/ und spannet sich der Leib auf/ ab- wechselungs Weise/ welches ich in acht genommen und gemer- cket/ nach vielem Klagen der Frauen/ daß solche Oeffnung nach und nach sich besser ergeben hat. Der innere Mutter-Mund kan so dünn und gezüge werden/ bey denen Frauen/ welche leich- te Geburten haben/ daß ich mich offt drüber verwundert. (2) Bey denen aber/ welche schwere Geburten haben/ bleibet er steiff bis zur rechten Geburts-Stunde/ da ihn die harten Wehen zwin- gen müssen. Dieser Unterscheid ist nahe der Geburt/ wol zu mer- cken/ wer nur achtung darauf geben wil. Bey angehender rechten Geburt giebet sich der innere Mutter-Mund/ wenn er so dünn und gezüge ist/ von Wehen zu Wehen/ mit Gewalt aus- einander; Wenn er aber so steiff bleibet/ so gehöret Zeit da- zu/ weil ihn die Wehen gantz zwingen müssen. Er muß so viel Oeffnung haben/ als das Kind groß ist/ darnach sich eine We- he-Mutter richten kan und muß/ wenn sie rechten Verstand von dem Gebähren haben wil. XXI. Fr. Just. Was ist denn nöthig zu wissen/ ob es einer Frauen nahe der Geburt ist oder nicht/ es könte durch neidi- E e 3
vorgegangenen Unterrichts. XX. Fr. Juſt. Wie iſt ſolcher Unterſcheid zu mercken/ und wie aͤndert ſich der Mutter-Mund in dem letzten Monden/ nahe der Geburt? Chriſt. Es aͤndert ſich der innere Mutter-Mund/ ſo viel mir bekant worden/ bey einer Frauen eher und langſamer als bey der andern. (1.) Bey denen Leibern/ welche leicht zu gebaͤh- ren pflegen/ aͤndert er ſich nicht allzu lange nach der Helffte/ daß er weich wird/ auch nach und nach pfleget weicher und lockerer zu werden/ da er ſich denn um die achte Woche vor der Geburt in etwas weniges anfaͤnget zur Oeffnung zu ſchicken/ welches ſich nach und nach beſſer ergiebet. So bald ſich nun die Oeff- nung findet/ und das Kind ſich gewendet hat/ ſo fangen ſich in- gemein die wilden Wehen an/ und ſpannet ſich der Leib auf/ ab- wechſelungs Weiſe/ welches ich in acht genommen und gemer- cket/ nach vielem Klagen der Frauen/ daß ſolche Oeffnung nach und nach ſich beſſer ergeben hat. Der innere Mutter-Mund kan ſo duͤnn und gezuͤge werden/ bey denen Frauen/ welche leich- te Geburten haben/ daß ich mich offt druͤber verwundert. (2) Bey denen aber/ welche ſchwere Geburten haben/ bleibet er ſteiff bis zur rechten Geburts-Stunde/ da ihn die harten Wehen zwin- gen muͤſſen. Dieſer Unterſcheid iſt nahe der Geburt/ wol zu mer- cken/ wer nur achtung darauf geben wil. Bey angehender rechten Geburt giebet ſich der innere Mutter-Mund/ wenn er ſo duͤnn und gezuͤge iſt/ von Wehen zu Wehen/ mit Gewalt aus- einander; Wenn er aber ſo ſteiff bleibet/ ſo gehoͤret Zeit da- zu/ weil ihn die Wehen gantz zwingen muͤſſen. Er muß ſo viel Oeffnung haben/ als das Kind groß iſt/ darnach ſich eine We- he-Mutter richten kan und muß/ wenn ſie rechten Verſtand von dem Gebaͤhren haben wil. XXI. Fr. Juſt. Was iſt denn noͤthig zu wiſſen/ ob es einer Frauen nahe der Geburt iſt oder nicht/ es koͤnte durch neidi- E e 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0350" n="221"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">vorgegangenen Unterrichts.</hi> </fw><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">XX.</hi> Fr.</head><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Wie iſt ſolcher Unterſcheid zu mercken/<lb/> und wie aͤndert ſich der Mutter-Mund in dem letzten<lb/> Monden/ nahe der Geburt?</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p>Es aͤndert ſich der innere Mutter-Mund/ ſo viel<lb/> mir bekant worden/ bey einer Frauen eher und langſamer als<lb/> bey der andern. (1.) Bey denen Leibern/ welche leicht zu gebaͤh-<lb/> ren pflegen/ aͤndert er ſich nicht allzu lange nach der Helffte/ daß<lb/> er weich wird/ auch nach und nach pfleget weicher und lockerer<lb/> zu werden/ da er ſich denn um die achte Woche vor der Geburt<lb/> in etwas weniges anfaͤnget zur Oeffnung zu ſchicken/ welches<lb/> ſich nach und nach beſſer ergiebet. So bald ſich nun die Oeff-<lb/> nung findet/ und das Kind ſich gewendet hat/ ſo fangen ſich in-<lb/> gemein die wilden Wehen an/ und ſpannet ſich der Leib auf/ ab-<lb/> wechſelungs Weiſe/ welches ich in acht genommen und gemer-<lb/> cket/ nach vielem Klagen der Frauen/ daß ſolche Oeffnung nach<lb/> und nach ſich beſſer ergeben hat. Der innere Mutter-Mund<lb/> kan ſo duͤnn und gezuͤge werden/ bey denen Frauen/ welche leich-<lb/> te Geburten haben/ daß ich mich offt druͤber verwundert. (2)<lb/> Bey denen aber/ welche ſchwere Geburten haben/ bleibet er ſteiff<lb/> bis zur rechten Geburts-Stunde/ da ihn die harten Wehen zwin-<lb/> gen muͤſſen. Dieſer Unterſcheid iſt nahe der Geburt/ wol zu mer-<lb/> cken/ wer nur achtung darauf geben wil. Bey angehender<lb/> rechten Geburt giebet ſich der innere Mutter-Mund/ wenn er ſo<lb/> duͤnn und gezuͤge iſt/ von Wehen zu Wehen/ mit Gewalt aus-<lb/> einander; Wenn er aber ſo ſteiff bleibet/ ſo gehoͤret Zeit da-<lb/> zu/ weil ihn die Wehen gantz zwingen muͤſſen. Er muß ſo viel<lb/> Oeffnung haben/ als das Kind groß iſt/ darnach ſich eine We-<lb/> he-Mutter richten kan und muß/ wenn ſie rechten Verſtand von<lb/> dem Gebaͤhren haben wil.</p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">XXI.</hi> Fr.</head><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Was iſt denn noͤthig zu wiſſen/ ob es<lb/> einer Frauen nahe der Geburt iſt oder nicht/ es koͤnte durch</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">E e 3</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">neidi-</hi> </fw><lb/> </p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0350]
vorgegangenen Unterrichts.
XX. Fr.
Juſt. Wie iſt ſolcher Unterſcheid zu mercken/
und wie aͤndert ſich der Mutter-Mund in dem letzten
Monden/ nahe der Geburt?
Chriſt. Es aͤndert ſich der innere Mutter-Mund/ ſo viel
mir bekant worden/ bey einer Frauen eher und langſamer als
bey der andern. (1.) Bey denen Leibern/ welche leicht zu gebaͤh-
ren pflegen/ aͤndert er ſich nicht allzu lange nach der Helffte/ daß
er weich wird/ auch nach und nach pfleget weicher und lockerer
zu werden/ da er ſich denn um die achte Woche vor der Geburt
in etwas weniges anfaͤnget zur Oeffnung zu ſchicken/ welches
ſich nach und nach beſſer ergiebet. So bald ſich nun die Oeff-
nung findet/ und das Kind ſich gewendet hat/ ſo fangen ſich in-
gemein die wilden Wehen an/ und ſpannet ſich der Leib auf/ ab-
wechſelungs Weiſe/ welches ich in acht genommen und gemer-
cket/ nach vielem Klagen der Frauen/ daß ſolche Oeffnung nach
und nach ſich beſſer ergeben hat. Der innere Mutter-Mund
kan ſo duͤnn und gezuͤge werden/ bey denen Frauen/ welche leich-
te Geburten haben/ daß ich mich offt druͤber verwundert. (2)
Bey denen aber/ welche ſchwere Geburten haben/ bleibet er ſteiff
bis zur rechten Geburts-Stunde/ da ihn die harten Wehen zwin-
gen muͤſſen. Dieſer Unterſcheid iſt nahe der Geburt/ wol zu mer-
cken/ wer nur achtung darauf geben wil. Bey angehender
rechten Geburt giebet ſich der innere Mutter-Mund/ wenn er ſo
duͤnn und gezuͤge iſt/ von Wehen zu Wehen/ mit Gewalt aus-
einander; Wenn er aber ſo ſteiff bleibet/ ſo gehoͤret Zeit da-
zu/ weil ihn die Wehen gantz zwingen muͤſſen. Er muß ſo viel
Oeffnung haben/ als das Kind groß iſt/ darnach ſich eine We-
he-Mutter richten kan und muß/ wenn ſie rechten Verſtand von
dem Gebaͤhren haben wil.
XXI. Fr.
Juſt. Was iſt denn noͤthig zu wiſſen/ ob es
einer Frauen nahe der Geburt iſt oder nicht/ es koͤnte durch
neidi-
E e 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/350 |
Zitationshilfe: | Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/350>, abgerufen am 23.02.2025. |