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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Trutta.
sie in gleicher Grösse gegeneinander hält, nicht bloss durch die geringere
Entwicklung der Flossen, sowie durch die magere und zurückgezogene Uro-
genital-Papille ab, sie unterscheiden sich auch noch besonders durch die
scheinbar grösseren Schuppen, weil die letzteren von keiner Hautwucherung
überdeckt werden, und durch die nur schwach entwickelten Strahlenmus-
keln, welche in der Basis der Afterflosse versteckt sich durch die allgemeine
Hautbedeckung hindurch in keiner Weise bemerkbar machen, während die-
selben Muskeln bei den fruchtbaren Forellen sehr fleischig entwickelt sind und
ihre Anwesenheit dadurch verrathen, dass sie die allgemeine Hautbedeckung
an der Basis der Afterflosse zu einem länglichen Hautwulste erheben, der an
den nach vollendetem Laichgeschäfte sehr stark abgemagerten Individuen
ganz besonders auffällt.

Ich kann die Familie der Salmoneer nicht verlassen, ohne noch einmal
darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung der einzelnen hieher gehörigen Ar-
ten zu den schwierigsten Aufgaben der Ichthyologen gehört. Wir können uns
daher nicht wundern, wenn selbst ausgezeichnete Zoologen in dieser Be-
ziehung ihre Ansichten wechselten und bald eine geringere, bald eine grössere
Anzahl von Salmoneer-Arten aufstellten. Indem ich mich zu der Ansicht hin-
neige, dass die wenigen in Europa einheimischen Salmoneer-Arten je nach
ihrer verschiedenen geographischen Vertheilung ausserordentlich variiren,
muss ich bekennen, dass Agassiz gewiss der Wahrheit sehr nahe getreten
war, als er1) im Jahre 1835 den Satz aussprach, dass die bezahnten Salmo-
neer
des europäischen Continents, von denen jedes Land Europa's besondere
Arten besitzen sollte, zu vielen localen Varietäten abänderten und sich nur
auf die folgenden sechs Arten beschränkten, nämlich auf S. Umbla, S. Fario,
S. Trutta, S. lacustris, S. Salar, S. Hucho
. Wie ich bereits gezeigt habe, ist
Agassiz von dieser Specieseintheilung später wieder abgewichen, indem er
von dem Seelachs (S. lacustris) eine zweite Art abtrennte.

In noch auffallenderer Weise hat Nilsson seine Ansicht über die schwe-
dischen Salmoneer dreimal gewechselt. Nachdem derselbe2) im Jahre 1832
zwölf in Schweden einheimische Arten der Gattung Salmo beschrieben hatte,
überzeugte sich derselbe3) durch seine späteren Untersuchungen, dass alle

1) Vergl. dessen: Remarks on the different species of the genus Salmo, which fre-
quent the various Rivers and Lakes of Europe, in dem Report of the fourth meeting of the
british association. London, 1835. pag. 617. S. auch Wiegmann's Archiv. 1. Jahrg. 1835.
Bd. II. pag. 265.
2) Vergl. dessen: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lundae, 1832. pag. 2.
3) S. dessen: Brief an den Prof. Sundevall in Stockholm über die Lachsarten Schwe-
dens, welcher Brief vom letztern in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften daselbst
am 12ten April 1848 mit der Bemerkung vorgetragen wurde, dass unläugbar von allen zur
skandinavischen Fauna gehörenden Fischen die Lachsfische am schwersten zu erforschen
seien. (Öfversigt af k. Vetenskaps-Academiens Förhandlingar. 1848. pag. 59, übersetzt in
Wiegmann's Archiv. 15ten Jahrg. 1849. Bd. I. pag. 305.)
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Gattung: Trutta.
sie in gleicher Grösse gegeneinander hält, nicht bloss durch die geringere
Entwicklung der Flossen, sowie durch die magere und zurückgezogene Uro-
genital-Papille ab, sie unterscheiden sich auch noch besonders durch die
scheinbar grösseren Schuppen, weil die letzteren von keiner Hautwucherung
überdeckt werden, und durch die nur schwach entwickelten Strahlenmus-
keln, welche in der Basis der Afterflosse versteckt sich durch die allgemeine
Hautbedeckung hindurch in keiner Weise bemerkbar machen, während die-
selben Muskeln bei den fruchtbaren Forellen sehr fleischig entwickelt sind und
ihre Anwesenheit dadurch verrathen, dass sie die allgemeine Hautbedeckung
an der Basis der Afterflosse zu einem länglichen Hautwulste erheben, der an
den nach vollendetem Laichgeschäfte sehr stark abgemagerten Individuen
ganz besonders auffällt.

Ich kann die Familie der Salmoneer nicht verlassen, ohne noch einmal
darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung der einzelnen hieher gehörigen Ar-
ten zu den schwierigsten Aufgaben der Ichthyologen gehört. Wir können uns
daher nicht wundern, wenn selbst ausgezeichnete Zoologen in dieser Be-
ziehung ihre Ansichten wechselten und bald eine geringere, bald eine grössere
Anzahl von Salmoneer-Arten aufstellten. Indem ich mich zu der Ansicht hin-
neige, dass die wenigen in Europa einheimischen Salmoneer-Arten je nach
ihrer verschiedenen geographischen Vertheilung ausserordentlich variiren,
muss ich bekennen, dass Agassiz gewiss der Wahrheit sehr nahe getreten
war, als er1) im Jahre 1835 den Satz aussprach, dass die bezahnten Salmo-
neer
des europäischen Continents, von denen jedes Land Europa’s besondere
Arten besitzen sollte, zu vielen localen Varietäten abänderten und sich nur
auf die folgenden sechs Arten beschränkten, nämlich auf S. Umbla, S. Fario,
S. Trutta, S. lacustris, S. Salar, S. Hucho
. Wie ich bereits gezeigt habe, ist
Agassiz von dieser Specieseintheilung später wieder abgewichen, indem er
von dem Seelachs (S. lacustris) eine zweite Art abtrennte.

In noch auffallenderer Weise hat Nilsson seine Ansicht über die schwe-
dischen Salmoneer dreimal gewechselt. Nachdem derselbe2) im Jahre 1832
zwölf in Schweden einheimische Arten der Gattung Salmo beschrieben hatte,
überzeugte sich derselbe3) durch seine späteren Untersuchungen, dass alle

1) Vergl. dessen: Remarks on the different species of the genus Salmo, which fre-
quent the various Rivers and Lakes of Europe, in dem Report of the fourth meeting of the
british association. London, 1835. pag. 617. S. auch Wiegmann’s Archiv. 1. Jahrg. 1835.
Bd. II. pag. 265.
2) Vergl. dessen: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lundae, 1832. pag. 2.
3) S. dessen: Brief an den Prof. Sundevall in Stockholm über die Lachsarten Schwe-
dens, welcher Brief vom letztern in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften daselbst
am 12ten April 1848 mit der Bemerkung vorgetragen wurde, dass unläugbar von allen zur
skandinavischen Fauna gehörenden Fischen die Lachsfische am schwersten zu erforschen
seien. (Öfversigt af k. Vetenskaps-Academiens Förhandlingar. 1848. pag. 59, übersetzt in
Wiegmann’s Archiv. 15ten Jahrg. 1849. Bd. I. pag. 305.)
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[323/0336] Gattung: Trutta. sie in gleicher Grösse gegeneinander hält, nicht bloss durch die geringere Entwicklung der Flossen, sowie durch die magere und zurückgezogene Uro- genital-Papille ab, sie unterscheiden sich auch noch besonders durch die scheinbar grösseren Schuppen, weil die letzteren von keiner Hautwucherung überdeckt werden, und durch die nur schwach entwickelten Strahlenmus- keln, welche in der Basis der Afterflosse versteckt sich durch die allgemeine Hautbedeckung hindurch in keiner Weise bemerkbar machen, während die- selben Muskeln bei den fruchtbaren Forellen sehr fleischig entwickelt sind und ihre Anwesenheit dadurch verrathen, dass sie die allgemeine Hautbedeckung an der Basis der Afterflosse zu einem länglichen Hautwulste erheben, der an den nach vollendetem Laichgeschäfte sehr stark abgemagerten Individuen ganz besonders auffällt. Ich kann die Familie der Salmoneer nicht verlassen, ohne noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung der einzelnen hieher gehörigen Ar- ten zu den schwierigsten Aufgaben der Ichthyologen gehört. Wir können uns daher nicht wundern, wenn selbst ausgezeichnete Zoologen in dieser Be- ziehung ihre Ansichten wechselten und bald eine geringere, bald eine grössere Anzahl von Salmoneer-Arten aufstellten. Indem ich mich zu der Ansicht hin- neige, dass die wenigen in Europa einheimischen Salmoneer-Arten je nach ihrer verschiedenen geographischen Vertheilung ausserordentlich variiren, muss ich bekennen, dass Agassiz gewiss der Wahrheit sehr nahe getreten war, als er 1) im Jahre 1835 den Satz aussprach, dass die bezahnten Salmo- neer des europäischen Continents, von denen jedes Land Europa’s besondere Arten besitzen sollte, zu vielen localen Varietäten abänderten und sich nur auf die folgenden sechs Arten beschränkten, nämlich auf S. Umbla, S. Fario, S. Trutta, S. lacustris, S. Salar, S. Hucho. Wie ich bereits gezeigt habe, ist Agassiz von dieser Specieseintheilung später wieder abgewichen, indem er von dem Seelachs (S. lacustris) eine zweite Art abtrennte. In noch auffallenderer Weise hat Nilsson seine Ansicht über die schwe- dischen Salmoneer dreimal gewechselt. Nachdem derselbe 2) im Jahre 1832 zwölf in Schweden einheimische Arten der Gattung Salmo beschrieben hatte, überzeugte sich derselbe 3) durch seine späteren Untersuchungen, dass alle 1) Vergl. dessen: Remarks on the different species of the genus Salmo, which fre- quent the various Rivers and Lakes of Europe, in dem Report of the fourth meeting of the british association. London, 1835. pag. 617. S. auch Wiegmann’s Archiv. 1. Jahrg. 1835. Bd. II. pag. 265. 2) Vergl. dessen: Prodromus Ichthyologiae scandinavicae. Lundae, 1832. pag. 2. 3) S. dessen: Brief an den Prof. Sundevall in Stockholm über die Lachsarten Schwe- dens, welcher Brief vom letztern in der Sitzung der Akademie der Wissenschaften daselbst am 12ten April 1848 mit der Bemerkung vorgetragen wurde, dass unläugbar von allen zur skandinavischen Fauna gehörenden Fischen die Lachsfische am schwersten zu erforschen seien. (Öfversigt af k. Vetenskaps-Academiens Förhandlingar. 1848. pag. 59, übersetzt in Wiegmann’s Archiv. 15ten Jahrg. 1849. Bd. I. pag. 305.) 21*

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/336>, abgerufen am 26.04.2024.