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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.
rend bei der Lachsforelle (der fruchtbaren Form der Seeforelle) die Schuppen
zu jeder Zeit fest in der Haut sitzen, sehe ich mich veranlasst, darauf auf-
merksam zu machen, dass, wenn sich an den brünstigen weiblichen Seefo-
rellen auch keine eigentliche Hautschwarte entwickelt, die Haut derselben bei
Annäherung der Brunstzeit dennoch in Wucherung geräth und die Schuppen
von ihr stärker eingehüllt und festgehalten werden. Nach vollbrachtem Fort-
pflanzungsgeschäfte schwindet sowohl bei den Milchnern wie bei den Rog-
nern der Seeforelle die erwähnte Hautwucherung wieder, und sitzen alsdann
ihre Schuppen in der zarten und dünnen Haut ebenso lose wie bei den steri-
len Maiforellen der östreichischen Seen und den sterilen Schwebforellen des
Bodensees das ganze Jahr hindurch.

Die Verbreitung der Trutta lacustris, welche nur die Seen der Alpen
und Voralpen bewohnt, ist eine sehr ausgedehnte, da sich dieser Salmoneer
von Genf und Neuchatel bis Gmund fast in allen innerhalb oder vor der
schweizerischen, bayrischen und östreichischen Alpenkette gelegenen grösse-
ren Seen findet.

In Bezug auf die bayrischen Alpen- und Voralpen-Seen kenne ich das
Vorkommen des Seelachses, ausser im Bodensee und Chiemsee, noch im
Christsee, Walchensee, Kochelsee, Würmsee, Tegernsee, Königssee, Ober-
und Hintersee, unter denen mir sterile Formen aus dem Bodensee, Kochelsee,
und Tegernsee durch die Hände gegangen sind.

Seitdem Bloch die sterile Maiforelle der östreichischen Seen als beson-
dere Art unter dem Namen Salmo Schiffermülleri beschrieben und Agassiz
die sterile Schwebforelle des Bodensee's als Salmo lacustris von der frucht-
baren Seeforelle getrennt hatte, sind die Begriffe der Ichthyologen in Bezug
auf die Unterscheidungsmerkmale der unsere Binnenseen bewohnenden See-
forellen in die grösste Verwirrung gerathen, welche noch besonders durch die
vielen verschiedenen Namen vermehrt wurde, womit die Fischer diesen Sal-
moneer
, je nachdem derselbe im Frühling oder Herbst, an dieser oder jener
Localität, mit oder ohne Hochzeitskleid gefangen wird, zu bezeichnen pfle-
gen. Ich lege zwar grossen Werth auf die Mittheilungen verständiger Fischer,
da man von ihnen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Fische viel
lernen kann, zur Unterscheidung und Abgrenzung von Arten und Abarten
der Salmoneer geben aber selbst die erfahrensten Fischer den Ichthyologen
keine Hülfsmittel an die Hand. Heckel hat jedenfalls zu viel Gewicht auf die
Aussagen des vielerfahrenen Fischers Schmoller gelegt, welcher ihm (Nr. 11e:
pag. 286 u. 287) die Maiforelle und Lachsforelle des Attersees als zwei ver-
schiedene Arten schilderte, sonst hätte der sonst so umsichtige Wiener Ich-
thyolog auf den Gedanken kommen müssen, dass die Maiforelle nur eine ste-
rile Abart der Lachsforelle jenes Sees sei, zumal da einige Notizen, welche
Heckel bei seinem Besuche der östreichischen Alpenseen einsammelte, ganz

Familie: Salmonoidei.
rend bei der Lachsforelle (der fruchtbaren Form der Seeforelle) die Schuppen
zu jeder Zeit fest in der Haut sitzen, sehe ich mich veranlasst, darauf auf-
merksam zu machen, dass, wenn sich an den brünstigen weiblichen Seefo-
rellen auch keine eigentliche Hautschwarte entwickelt, die Haut derselben bei
Annäherung der Brunstzeit dennoch in Wucherung geräth und die Schuppen
von ihr stärker eingehüllt und festgehalten werden. Nach vollbrachtem Fort-
pflanzungsgeschäfte schwindet sowohl bei den Milchnern wie bei den Rog-
nern der Seeforelle die erwähnte Hautwucherung wieder, und sitzen alsdann
ihre Schuppen in der zarten und dünnen Haut ebenso lose wie bei den steri-
len Maiforellen der östreichischen Seen und den sterilen Schwebforellen des
Bodensees das ganze Jahr hindurch.

Die Verbreitung der Trutta lacustris, welche nur die Seen der Alpen
und Voralpen bewohnt, ist eine sehr ausgedehnte, da sich dieser Salmoneer
von Genf und Neuchâtel bis Gmund fast in allen innerhalb oder vor der
schweizerischen, bayrischen und östreichischen Alpenkette gelegenen grösse-
ren Seen findet.

In Bezug auf die bayrischen Alpen- und Voralpen-Seen kenne ich das
Vorkommen des Seelachses, ausser im Bodensee und Chiemsee, noch im
Christsee, Walchensee, Kochelsee, Würmsee, Tegernsee, Königssee, Ober-
und Hintersee, unter denen mir sterile Formen aus dem Bodensee, Kochelsee,
und Tegernsee durch die Hände gegangen sind.

Seitdem Bloch die sterile Maiforelle der östreichischen Seen als beson-
dere Art unter dem Namen Salmo Schiffermülleri beschrieben und Agassiz
die sterile Schwebforelle des Bodensee’s als Salmo lacustris von der frucht-
baren Seeforelle getrennt hatte, sind die Begriffe der Ichthyologen in Bezug
auf die Unterscheidungsmerkmale der unsere Binnenseen bewohnenden See-
forellen in die grösste Verwirrung gerathen, welche noch besonders durch die
vielen verschiedenen Namen vermehrt wurde, womit die Fischer diesen Sal-
moneer
, je nachdem derselbe im Frühling oder Herbst, an dieser oder jener
Localität, mit oder ohne Hochzeitskleid gefangen wird, zu bezeichnen pfle-
gen. Ich lege zwar grossen Werth auf die Mittheilungen verständiger Fischer,
da man von ihnen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Fische viel
lernen kann, zur Unterscheidung und Abgrenzung von Arten und Abarten
der Salmoneer geben aber selbst die erfahrensten Fischer den Ichthyologen
keine Hülfsmittel an die Hand. Heckel hat jedenfalls zu viel Gewicht auf die
Aussagen des vielerfahrenen Fischers Schmoller gelegt, welcher ihm (Nr. 11e:
pag. 286 u. 287) die Maiforelle und Lachsforelle des Attersees als zwei ver-
schiedene Arten schilderte, sonst hätte der sonst so umsichtige Wiener Ich-
thyolog auf den Gedanken kommen müssen, dass die Maiforelle nur eine ste-
rile Abart der Lachsforelle jenes Sees sei, zumal da einige Notizen, welche
Heckel bei seinem Besuche der östreichischen Alpenseen einsammelte, ganz

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[306/0319] Familie: Salmonoidei. rend bei der Lachsforelle (der fruchtbaren Form der Seeforelle) die Schuppen zu jeder Zeit fest in der Haut sitzen, sehe ich mich veranlasst, darauf auf- merksam zu machen, dass, wenn sich an den brünstigen weiblichen Seefo- rellen auch keine eigentliche Hautschwarte entwickelt, die Haut derselben bei Annäherung der Brunstzeit dennoch in Wucherung geräth und die Schuppen von ihr stärker eingehüllt und festgehalten werden. Nach vollbrachtem Fort- pflanzungsgeschäfte schwindet sowohl bei den Milchnern wie bei den Rog- nern der Seeforelle die erwähnte Hautwucherung wieder, und sitzen alsdann ihre Schuppen in der zarten und dünnen Haut ebenso lose wie bei den steri- len Maiforellen der östreichischen Seen und den sterilen Schwebforellen des Bodensees das ganze Jahr hindurch. Die Verbreitung der Trutta lacustris, welche nur die Seen der Alpen und Voralpen bewohnt, ist eine sehr ausgedehnte, da sich dieser Salmoneer von Genf und Neuchâtel bis Gmund fast in allen innerhalb oder vor der schweizerischen, bayrischen und östreichischen Alpenkette gelegenen grösse- ren Seen findet. In Bezug auf die bayrischen Alpen- und Voralpen-Seen kenne ich das Vorkommen des Seelachses, ausser im Bodensee und Chiemsee, noch im Christsee, Walchensee, Kochelsee, Würmsee, Tegernsee, Königssee, Ober- und Hintersee, unter denen mir sterile Formen aus dem Bodensee, Kochelsee, und Tegernsee durch die Hände gegangen sind. Seitdem Bloch die sterile Maiforelle der östreichischen Seen als beson- dere Art unter dem Namen Salmo Schiffermülleri beschrieben und Agassiz die sterile Schwebforelle des Bodensee’s als Salmo lacustris von der frucht- baren Seeforelle getrennt hatte, sind die Begriffe der Ichthyologen in Bezug auf die Unterscheidungsmerkmale der unsere Binnenseen bewohnenden See- forellen in die grösste Verwirrung gerathen, welche noch besonders durch die vielen verschiedenen Namen vermehrt wurde, womit die Fischer diesen Sal- moneer, je nachdem derselbe im Frühling oder Herbst, an dieser oder jener Localität, mit oder ohne Hochzeitskleid gefangen wird, zu bezeichnen pfle- gen. Ich lege zwar grossen Werth auf die Mittheilungen verständiger Fischer, da man von ihnen über die Lebensweise und Fortpflanzung der Fische viel lernen kann, zur Unterscheidung und Abgrenzung von Arten und Abarten der Salmoneer geben aber selbst die erfahrensten Fischer den Ichthyologen keine Hülfsmittel an die Hand. Heckel hat jedenfalls zu viel Gewicht auf die Aussagen des vielerfahrenen Fischers Schmoller gelegt, welcher ihm (Nr. 11e: pag. 286 u. 287) die Maiforelle und Lachsforelle des Attersees als zwei ver- schiedene Arten schilderte, sonst hätte der sonst so umsichtige Wiener Ich- thyolog auf den Gedanken kommen müssen, dass die Maiforelle nur eine ste- rile Abart der Lachsforelle jenes Sees sei, zumal da einige Notizen, welche Heckel bei seinem Besuche der östreichischen Alpenseen einsammelte, ganz

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/319>, abgerufen am 26.04.2024.