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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Cyprinoidei.
oder weniger in die Länge gestreckt ist. Die zarten Schuppen zeigen kaum
eine Spur von Radien und erscheinen daher fast ganz glatt.

Die blaugrüne Farbe des Rückens varürt vielfach und geht zuweilen in
Grasgrün über, sticht in allen Fällen gegen die ausgezeichnet schön silber-
glänzenden Seiten ungemein ab. Die Rücken- und Schwanzflosse erscheinen
graulich, die übrigen Flossen dagegen farblos, doch zeigt sich zuweilen die
Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt.

Es kömmt dieser Fisch in allen fliessenden und stehenden Gewässern
von Mitteleuropa mit Ausnahme der höher gelegenen Gebirgsseen und Ge-
birgsbäche, sehr häufig vor. Er führt im eigentlichen Bayern den Namen
"Laube" oder "Lauge", in Würzburg heisst er "Schneiderfisch" oder "Läge", in
Aschaffenburg "Albele"; in Norddeutschland ist dieser Fisch unter dem Na-
men "Uckelei" allgemein gekannt.

Eine von mir in der Isar aufgefundene Varietät entspricht ihrer Form
nach fast vollständig dem von Heckel und Kner beschriebenen Alburnus bre-
viceps;
ich fand zugleich an dieser Varietät ein hervorstehendes Kinn und die
Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt. Die Lauben
des Würm- und Bodensee's besitzen einen sehr steil aufsteigenden Unterkiefer
und viel grössere Augen als die Lauben der Isar und der Donau. Aspius al-
burnoides
, welchen mir Selys-Longchamps aus Belgien gefälligst mittheilte,
stimmte mit gewissen Formen des Alburnus lucidus vollkommen überein, so
dass ich in dieser Beziehung Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 133) beitrete,
welche den Aspius alburnoides nur für eine Varietät des Alburnus lucidus
erklären.

Die Laichzeit der Laube fällt in den Monat Mai. Es halten sich die Lauben
sehr gern in grossen Gesellschaften zusammen und schwimmen oft ganz ober-
flächlich im Wasser, wobei sie es verstehen, wenn ein raubgieriger Barsch
sich unter sie stürzt, sich ausserhalb des Wassers eine Strecke weit fortzu-
schnellen und so den Verfolgungen ihres Feindes zu entschlüpfen. Viel häu-
figer und sicherer werden sie durch ihr oberflächliches Schwimmen den See-
schwalben und Möven zur Beute, dafür behaften sich aber auch diese Wasser-
vögel mit einem Bandwurm, der als Ligula simplicissima frei in der Leibeshöhle
der Lauben ungemein häufig vorkömmt und durch die verschluckten Lauben
in den Darm jener Vögel übergepflanzt wird.

Im vorigen Jahrhundert wurde die sonst ganz werthlose Laube bekannt-
lich sehr stark verfolgt und in ungeheuren Massen eingefangen, um aus dem
Silberglanz ihrer Schuppen die sogenannte Essence d'Orient zu bereiten,
welche zur Anfertigung von falschen Perlen verwendet wurde. Seit den
letzten Jahren wird der Fang der Lauben auf dem Mittelrhein von neuem sehr
stark betrieben und die von diesen Fischen gewonnene Perlessenz nach Paris
gesendet, indem von dort aus diese falschen Perlen jetzt wieder in die Mode

Familie: Cyprinoidei.
oder weniger in die Länge gestreckt ist. Die zarten Schuppen zeigen kaum
eine Spur von Radien und erscheinen daher fast ganz glatt.

Die blaugrüne Farbe des Rückens varürt vielfach und geht zuweilen in
Grasgrün über, sticht in allen Fällen gegen die ausgezeichnet schön silber-
glänzenden Seiten ungemein ab. Die Rücken- und Schwanzflosse erscheinen
graulich, die übrigen Flossen dagegen farblos, doch zeigt sich zuweilen die
Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt.

Es kömmt dieser Fisch in allen fliessenden und stehenden Gewässern
von Mitteleuropa mit Ausnahme der höher gelegenen Gebirgsseen und Ge-
birgsbäche, sehr häufig vor. Er führt im eigentlichen Bayern den Namen
»Laube« oder »Lauge«, in Würzburg heisst er »Schneiderfisch« oder »Läge«, in
Aschaffenburg »Albele«; in Norddeutschland ist dieser Fisch unter dem Na-
men »Uckelei« allgemein gekannt.

Eine von mir in der Isar aufgefundene Varietät entspricht ihrer Form
nach fast vollständig dem von Heckel und Kner beschriebenen Alburnus bre-
viceps;
ich fand zugleich an dieser Varietät ein hervorstehendes Kinn und die
Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt. Die Lauben
des Würm- und Bodensee’s besitzen einen sehr steil aufsteigenden Unterkiefer
und viel grössere Augen als die Lauben der Isar und der Donau. Aspius al-
burnoides
, welchen mir Selys-Longchamps aus Belgien gefälligst mittheilte,
stimmte mit gewissen Formen des Alburnus lucidus vollkommen überein, so
dass ich in dieser Beziehung Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 133) beitrete,
welche den Aspius alburnoides nur für eine Varietät des Alburnus lucidus
erklären.

Die Laichzeit der Laube fällt in den Monat Mai. Es halten sich die Lauben
sehr gern in grossen Gesellschaften zusammen und schwimmen oft ganz ober-
flächlich im Wasser, wobei sie es verstehen, wenn ein raubgieriger Barsch
sich unter sie stürzt, sich ausserhalb des Wassers eine Strecke weit fortzu-
schnellen und so den Verfolgungen ihres Feindes zu entschlüpfen. Viel häu-
figer und sicherer werden sie durch ihr oberflächliches Schwimmen den See-
schwalben und Möven zur Beute, dafür behaften sich aber auch diese Wasser-
vögel mit einem Bandwurm, der als Ligula simplicissima frei in der Leibeshöhle
der Lauben ungemein häufig vorkömmt und durch die verschluckten Lauben
in den Darm jener Vögel übergepflanzt wird.

Im vorigen Jahrhundert wurde die sonst ganz werthlose Laube bekannt-
lich sehr stark verfolgt und in ungeheuren Massen eingefangen, um aus dem
Silberglanz ihrer Schuppen die sogenannte Essence d’Orient zu bereiten,
welche zur Anfertigung von falschen Perlen verwendet wurde. Seit den
letzten Jahren wird der Fang der Lauben auf dem Mittelrhein von neuem sehr
stark betrieben und die von diesen Fischen gewonnene Perlessenz nach Paris
gesendet, indem von dort aus diese falschen Perlen jetzt wieder in die Mode

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[156/0169] Familie: Cyprinoidei. oder weniger in die Länge gestreckt ist. Die zarten Schuppen zeigen kaum eine Spur von Radien und erscheinen daher fast ganz glatt. Die blaugrüne Farbe des Rückens varürt vielfach und geht zuweilen in Grasgrün über, sticht in allen Fällen gegen die ausgezeichnet schön silber- glänzenden Seiten ungemein ab. Die Rücken- und Schwanzflosse erscheinen graulich, die übrigen Flossen dagegen farblos, doch zeigt sich zuweilen die Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt. Es kömmt dieser Fisch in allen fliessenden und stehenden Gewässern von Mitteleuropa mit Ausnahme der höher gelegenen Gebirgsseen und Ge- birgsbäche, sehr häufig vor. Er führt im eigentlichen Bayern den Namen »Laube« oder »Lauge«, in Würzburg heisst er »Schneiderfisch« oder »Läge«, in Aschaffenburg »Albele«; in Norddeutschland ist dieser Fisch unter dem Na- men »Uckelei« allgemein gekannt. Eine von mir in der Isar aufgefundene Varietät entspricht ihrer Form nach fast vollständig dem von Heckel und Kner beschriebenen Alburnus bre- viceps; ich fand zugleich an dieser Varietät ein hervorstehendes Kinn und die Basis der Bauchflossen und der Afterflosse orangengelb gefärbt. Die Lauben des Würm- und Bodensee’s besitzen einen sehr steil aufsteigenden Unterkiefer und viel grössere Augen als die Lauben der Isar und der Donau. Aspius al- burnoides, welchen mir Selys-Longchamps aus Belgien gefälligst mittheilte, stimmte mit gewissen Formen des Alburnus lucidus vollkommen überein, so dass ich in dieser Beziehung Heckel und Kner (Nr. 13: pag. 133) beitrete, welche den Aspius alburnoides nur für eine Varietät des Alburnus lucidus erklären. Die Laichzeit der Laube fällt in den Monat Mai. Es halten sich die Lauben sehr gern in grossen Gesellschaften zusammen und schwimmen oft ganz ober- flächlich im Wasser, wobei sie es verstehen, wenn ein raubgieriger Barsch sich unter sie stürzt, sich ausserhalb des Wassers eine Strecke weit fortzu- schnellen und so den Verfolgungen ihres Feindes zu entschlüpfen. Viel häu- figer und sicherer werden sie durch ihr oberflächliches Schwimmen den See- schwalben und Möven zur Beute, dafür behaften sich aber auch diese Wasser- vögel mit einem Bandwurm, der als Ligula simplicissima frei in der Leibeshöhle der Lauben ungemein häufig vorkömmt und durch die verschluckten Lauben in den Darm jener Vögel übergepflanzt wird. Im vorigen Jahrhundert wurde die sonst ganz werthlose Laube bekannt- lich sehr stark verfolgt und in ungeheuren Massen eingefangen, um aus dem Silberglanz ihrer Schuppen die sogenannte Essence d’Orient zu bereiten, welche zur Anfertigung von falschen Perlen verwendet wurde. Seit den letzten Jahren wird der Fang der Lauben auf dem Mittelrhein von neuem sehr stark betrieben und die von diesen Fischen gewonnene Perlessenz nach Paris gesendet, indem von dort aus diese falschen Perlen jetzt wieder in die Mode

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/169>, abgerufen am 26.04.2024.