Als ich vor acht Jahren durch ein höchstes Rescript vom 3ten Mai 1854 den ehrenvollen Auftrag erhielt, die südbayrischen Seen in ichthyologischer Beziehung zu untersuchen, übernahm ich diesen Auftrag mit grösster Freude und frohen Muthes, weil mir die Schwierigkeiten, welche mit dieser Arbeit verbunden waren, nur schwach entgegenschimmerten und ich mir zutraute, es würde mir, ausgerüstet mit gutem Willen, nicht schwer fallen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Aber je näher ich an die mir gestellte Auf- gabe herantrat, je mehr ich mich in diese ichthyologischen Untersuchungen vertiefte, um so schwieriger und zeitraubender trat mir die Lösung dieser Aufgabe entgegen, deren Breite und Umfang sich vor meinen Augen um so mehr erweiterte und ausdehnte, je mehr Mühe und Zeit ich daran setzte, die mir anvertraute Arbeit zu Ende zu bringen.
Sehr bald, nachdem ich die Arbeit begonnen, mussten die engen Gren- zen, in welchen nach dem Wortlaute der mir gestellten Aufgabe sich meine Untersuchungen bewegen sollten, erweitert werden, denn ich sah wohl ein, dass, wenn ich die südbayrischen Seen in ihrer ichthyologischen Beziehung untersuchen sollte, sowohl die Gewässer, welche sich in diese Seen ergiessen, als auch die Bäche und Flüsse, welche aus diesen Seen entspringen, nicht unberücksichtigt bleiben durften, da die sehr beweglichen Wasserbewohner theils zu ihrer eigenen Erhaltung, theils zu ihrer Fortpflanzung sehr häufig den Ort ihres Aufenthalts wechseln. Durch diese vielen Fischen eigenthüm- liche Wanderlust wird es den Ichthyologen ausserordentlich erschwert, die Lebensweise gewisser Fische in ihrer Vollständigkeit aufzufassen, abgesehen davon, dass es überhaupt für den Zoologen eine der schwierigsten Aufgaben ist, sich von dem Thun und Treiben der in der Tiefe des dem Beobachter unzugänglichen Wassers lebenden Fische einen vollständigen und ganz zuver- lässigen Begriff zu machen. Es bleibt dem Beobachter in dieser Beziehung oft nichts übrig, als aus dem Verhalten und Aussehen eines frisch gefangenen
v. Siebold, Fische. 1
Einleitung.
Als ich vor acht Jahren durch ein höchstes Rescript vom 3ten Mai 1854 den ehrenvollen Auftrag erhielt, die südbayrischen Seen in ichthyologischer Beziehung zu untersuchen, übernahm ich diesen Auftrag mit grösster Freude und frohen Muthes, weil mir die Schwierigkeiten, welche mit dieser Arbeit verbunden waren, nur schwach entgegenschimmerten und ich mir zutraute, es würde mir, ausgerüstet mit gutem Willen, nicht schwer fallen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Aber je näher ich an die mir gestellte Auf- gabe herantrat, je mehr ich mich in diese ichthyologischen Untersuchungen vertiefte, um so schwieriger und zeitraubender trat mir die Lösung dieser Aufgabe entgegen, deren Breite und Umfang sich vor meinen Augen um so mehr erweiterte und ausdehnte, je mehr Mühe und Zeit ich daran setzte, die mir anvertraute Arbeit zu Ende zu bringen.
Sehr bald, nachdem ich die Arbeit begonnen, mussten die engen Gren- zen, in welchen nach dem Wortlaute der mir gestellten Aufgabe sich meine Untersuchungen bewegen sollten, erweitert werden, denn ich sah wohl ein, dass, wenn ich die südbayrischen Seen in ihrer ichthyologischen Beziehung untersuchen sollte, sowohl die Gewässer, welche sich in diese Seen ergiessen, als auch die Bäche und Flüsse, welche aus diesen Seen entspringen, nicht unberücksichtigt bleiben durften, da die sehr beweglichen Wasserbewohner theils zu ihrer eigenen Erhaltung, theils zu ihrer Fortpflanzung sehr häufig den Ort ihres Aufenthalts wechseln. Durch diese vielen Fischen eigenthüm- liche Wanderlust wird es den Ichthyologen ausserordentlich erschwert, die Lebensweise gewisser Fische in ihrer Vollständigkeit aufzufassen, abgesehen davon, dass es überhaupt für den Zoologen eine der schwierigsten Aufgaben ist, sich von dem Thun und Treiben der in der Tiefe des dem Beobachter unzugänglichen Wassers lebenden Fische einen vollständigen und ganz zuver- lässigen Begriff zu machen. Es bleibt dem Beobachter in dieser Beziehung oft nichts übrig, als aus dem Verhalten und Aussehen eines frisch gefangenen
v. Siebold, Fische. 1
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Einleitung.
Als ich vor acht Jahren durch ein höchstes Rescript vom 3ten Mai 1854
den ehrenvollen Auftrag erhielt, die südbayrischen Seen in ichthyologischer
Beziehung zu untersuchen, übernahm ich diesen Auftrag mit grösster Freude
und frohen Muthes, weil mir die Schwierigkeiten, welche mit dieser Arbeit
verbunden waren, nur schwach entgegenschimmerten und ich mir zutraute,
es würde mir, ausgerüstet mit gutem Willen, nicht schwer fallen, diese
Schwierigkeiten zu überwinden. Aber je näher ich an die mir gestellte Auf-
gabe herantrat, je mehr ich mich in diese ichthyologischen Untersuchungen
vertiefte, um so schwieriger und zeitraubender trat mir die Lösung dieser
Aufgabe entgegen, deren Breite und Umfang sich vor meinen Augen um so
mehr erweiterte und ausdehnte, je mehr Mühe und Zeit ich daran setzte, die
mir anvertraute Arbeit zu Ende zu bringen.
Sehr bald, nachdem ich die Arbeit begonnen, mussten die engen Gren-
zen, in welchen nach dem Wortlaute der mir gestellten Aufgabe sich meine
Untersuchungen bewegen sollten, erweitert werden, denn ich sah wohl ein,
dass, wenn ich die südbayrischen Seen in ihrer ichthyologischen Beziehung
untersuchen sollte, sowohl die Gewässer, welche sich in diese Seen ergiessen,
als auch die Bäche und Flüsse, welche aus diesen Seen entspringen, nicht
unberücksichtigt bleiben durften, da die sehr beweglichen Wasserbewohner
theils zu ihrer eigenen Erhaltung, theils zu ihrer Fortpflanzung sehr häufig
den Ort ihres Aufenthalts wechseln. Durch diese vielen Fischen eigenthüm-
liche Wanderlust wird es den Ichthyologen ausserordentlich erschwert, die
Lebensweise gewisser Fische in ihrer Vollständigkeit aufzufassen, abgesehen
davon, dass es überhaupt für den Zoologen eine der schwierigsten Aufgaben
ist, sich von dem Thun und Treiben der in der Tiefe des dem Beobachter
unzugänglichen Wassers lebenden Fische einen vollständigen und ganz zuver-
lässigen Begriff zu machen. Es bleibt dem Beobachter in dieser Beziehung
oft nichts übrig, als aus dem Verhalten und Aussehen eines frisch gefangenen
v. Siebold, Fische. 1
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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/14>, abgerufen am 28.12.2024.
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