der Regel bey uns nicht mit zu den ausgezeichneten Tugenden der Hausofficianten der Grossen gehört. In Neapel brachte er mich in einem eigenen Wagen in das Haus eines seiner Bekannten an dem Thore von Toledo, bis ich den Herrn Heigelin aufgesucht hatte, an den meine Empfehlung von Wien lautete. Es ist wirklich sehr wohlthätig, wenn man, bey dem ersten Eintritt in so einen Ort wie Neapel ist, als Wildfrem¬ der eine so freundliche Hand zur Leitung findet, bis man sich selbst etwas orientieren kann.
Neapel.
Du musst und wirst von mir nicht erwarten, dass ich Dir eine topische, statistische, literarische oder vollständig kosmische Beschreibung von den Städten gebe, wo ich mich einige Zeit aufhalte. Dazu ist mein Aufenthalt zu kurz; die kannst Du von Reisen¬ den von Profession oder aus den Fächern besonderer Wissenschaften gewiss besser bekommen. Ich erzähle Dir nur freundschaftlich, was ich sehe, was mich vielleicht beschäftigt und wie es mir geht. Meine Wohnung ist hier auf Mont Oliveto. Wie der Ort zu dem Namen des Oehlberges kommt weiss ich nicht; er ist aber einer der besten Strassen der Stadt, nicht weit von Toledo, mit welchem er sich oben vereini¬ get. Die Besitzerin des Hauses ist eine Französin, die sich seit einigen Jahren der hiesigen Revolution wegen zu ihrer Sicherheit in Marseille aufhält. Ich habe Ursache zufrieden zu seyn; es ist gut und billig. Die
der Regel bey uns nicht mit zu den ausgezeichneten Tugenden der Hausofficianten der Groſsen gehört. In Neapel brachte er mich in einem eigenen Wagen in das Haus eines seiner Bekannten an dem Thore von Toledo, bis ich den Herrn Heigelin aufgesucht hatte, an den meine Empfehlung von Wien lautete. Es ist wirklich sehr wohlthätig, wenn man, bey dem ersten Eintritt in so einen Ort wie Neapel ist, als Wildfrem¬ der eine so freundliche Hand zur Leitung findet, bis man sich selbst etwas orientieren kann.
Neapel.
Du muſst und wirst von mir nicht erwarten, daſs ich Dir eine topische, statistische, literarische oder vollständig kosmische Beschreibung von den Städten gebe, wo ich mich einige Zeit aufhalte. Dazu ist mein Aufenthalt zu kurz; die kannst Du von Reisen¬ den von Profession oder aus den Fächern besonderer Wissenschaften gewiſs besser bekommen. Ich erzähle Dir nur freundschaftlich, was ich sehe, was mich vielleicht beschäftigt und wie es mir geht. Meine Wohnung ist hier auf Mont Oliveto. Wie der Ort zu dem Namen des Oehlberges kommt weiſs ich nicht; er ist aber einer der besten Straſsen der Stadt, nicht weit von Toledo, mit welchem er sich oben vereini¬ get. Die Besitzerin des Hauses ist eine Französin, die sich seit einigen Jahren der hiesigen Revolution wegen zu ihrer Sicherheit in Marseille aufhält. Ich habe Ursache zufrieden zu seyn; es ist gut und billig. Die
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0212"n="186"/>
der Regel bey uns nicht mit zu den ausgezeichneten<lb/>
Tugenden der Hausofficianten der Groſsen gehört. In<lb/>
Neapel brachte er mich in einem eigenen Wagen in<lb/>
das Haus eines seiner Bekannten an dem Thore von<lb/>
Toledo, bis ich den Herrn Heigelin aufgesucht hatte,<lb/>
an den meine Empfehlung von Wien lautete. Es ist<lb/>
wirklich sehr wohlthätig, wenn man, bey dem ersten<lb/>
Eintritt in so einen Ort wie Neapel ist, als Wildfrem¬<lb/>
der eine so freundliche Hand zur Leitung findet, bis<lb/>
man sich selbst etwas orientieren kann.</p><lb/></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/><div><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#g">Neapel</hi>.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>u muſst und wirst von mir nicht erwarten, daſs<lb/>
ich Dir eine topische, statistische, literarische oder<lb/>
vollständig kosmische Beschreibung von den Städten<lb/>
gebe, wo ich mich einige Zeit aufhalte. Dazu ist<lb/>
mein Aufenthalt zu kurz; die kannst Du von Reisen¬<lb/>
den von Profession oder aus den Fächern besonderer<lb/>
Wissenschaften gewiſs besser bekommen. Ich erzähle<lb/>
Dir nur freundschaftlich, was ich sehe, was mich<lb/>
vielleicht beschäftigt und wie es mir geht. Meine<lb/>
Wohnung ist hier auf Mont Oliveto. Wie der Ort zu<lb/>
dem Namen des Oehlberges kommt weiſs ich nicht;<lb/>
er ist aber einer der besten Straſsen der Stadt, nicht<lb/>
weit von Toledo, mit welchem er sich oben vereini¬<lb/>
get. Die Besitzerin des Hauses ist eine Französin, die<lb/>
sich seit einigen Jahren der hiesigen Revolution wegen<lb/>
zu ihrer Sicherheit in Marseille aufhält. Ich habe<lb/>
Ursache zufrieden zu seyn; es ist gut und billig. Die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[186/0212]
der Regel bey uns nicht mit zu den ausgezeichneten
Tugenden der Hausofficianten der Groſsen gehört. In
Neapel brachte er mich in einem eigenen Wagen in
das Haus eines seiner Bekannten an dem Thore von
Toledo, bis ich den Herrn Heigelin aufgesucht hatte,
an den meine Empfehlung von Wien lautete. Es ist
wirklich sehr wohlthätig, wenn man, bey dem ersten
Eintritt in so einen Ort wie Neapel ist, als Wildfrem¬
der eine so freundliche Hand zur Leitung findet, bis
man sich selbst etwas orientieren kann.
Neapel.
Du muſst und wirst von mir nicht erwarten, daſs
ich Dir eine topische, statistische, literarische oder
vollständig kosmische Beschreibung von den Städten
gebe, wo ich mich einige Zeit aufhalte. Dazu ist
mein Aufenthalt zu kurz; die kannst Du von Reisen¬
den von Profession oder aus den Fächern besonderer
Wissenschaften gewiſs besser bekommen. Ich erzähle
Dir nur freundschaftlich, was ich sehe, was mich
vielleicht beschäftigt und wie es mir geht. Meine
Wohnung ist hier auf Mont Oliveto. Wie der Ort zu
dem Namen des Oehlberges kommt weiſs ich nicht;
er ist aber einer der besten Straſsen der Stadt, nicht
weit von Toledo, mit welchem er sich oben vereini¬
get. Die Besitzerin des Hauses ist eine Französin, die
sich seit einigen Jahren der hiesigen Revolution wegen
zu ihrer Sicherheit in Marseille aufhält. Ich habe
Ursache zufrieden zu seyn; es ist gut und billig. Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/212>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.