deren Geburtshelfern geben wird, an der Menschheit wieder gut zu machen, was er an derselben gesündiget.
Ich habe mich brieflich an Dr. Everken gewendet mit der Anfrage, ob er, seit er solche Unmittelbarkeit vermieden, auch die unterchlorichtsaure Natronlösung nicht vergessen habe, ob er seit dieser Zeit das Puerperalfieber seltener beobachtet, und erhielt folgende Antwort:
Verehrtester Herr Collega!
Die durch den Geh. Med. Rath Dr. Schmidt an angege- bener Stelle damals veröffentlichte Aeusserung über den Aus- bruch des Puerperalfiebers in dem meiner Leitung übergebe- nen Gebärhause beruht auf Thatsachen, deren ursächliches Verhältniss wenn auch nicht die Gewissheit, wenigstens doch mehr als die Möglichkeit zum Grunde hat.
Wiederholt kamen einzelne Fälle von Puerperalfieber vor, als eine Verbreitung desselben über mehrere Wöchnerin- nen stattfand; ich muss gestehen, dass mit dem Ausbrechen der Krankheit ein Umstand sich vereinigt hatte, der durch Ihre Mittheilung als ursächlicher Moment dargestellt wurde. Von Zeit zu Zeit hatte ich in dem Leichenhause des Hospitals und in dem des Gebärhauses adhaeriste Leichen secirt. Es konnte mir nicht einfallen, diesen Umstand als alleinige Ursache auf- zustellen, aber es musste mich veranlassen, nach Leichenunter- suchungen keine Verrichtungen an Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen vorzunehmen. Es kamen keine Puerperal- fieber ferner vor, ich muss aber hinzufügen, dass kurze Zeit darauf, als ein Umsichgreifen der Krankheit stattgefunden hatte, das Gebärhaus von dem Krankenhause getrennt wurde, nicht dass seit dieser Zeit ein sporadisches Vorkommen selbst nicht beobachtet wurde. --
Sie werden mir zugeben, verehrtester Herr Collega, dass die Entscheidung schwer ist, dass vielleicht nirgends der Schluss mehr täuscht: post hoc, ergo propter hoc, als in der Medicin.
30 *
deren Geburtshelfern geben wird, an der Menschheit wieder gut zu machen, was er an derselben gesündiget.
Ich habe mich brieflich an Dr. Everken gewendet mit der Anfrage, ob er, seit er solche Unmittelbarkeit vermieden, auch die unterchlorichtsaure Natronlösung nicht vergessen habe, ob er seit dieser Zeit das Puerperalfieber seltener beobachtet, und erhielt folgende Antwort:
Verehrtester Herr Collega!
Die durch den Geh. Med. Rath Dr. Schmidt an angege- bener Stelle damals veröffentlichte Aeusserung über den Aus- bruch des Puerperalfiebers in dem meiner Leitung übergebe- nen Gebärhause beruht auf Thatsachen, deren ursächliches Verhältniss wenn auch nicht die Gewissheit, wenigstens doch mehr als die Möglichkeit zum Grunde hat.
Wiederholt kamen einzelne Fälle von Puerperalfieber vor, als eine Verbreitung desselben über mehrere Wöchnerin- nen stattfand; ich muss gestehen, dass mit dem Ausbrechen der Krankheit ein Umstand sich vereinigt hatte, der durch Ihre Mittheilung als ursächlicher Moment dargestellt wurde. Von Zeit zu Zeit hatte ich in dem Leichenhause des Hospitals und in dem des Gebärhauses adhaeriste Leichen secirt. Es konnte mir nicht einfallen, diesen Umstand als alleinige Ursache auf- zustellen, aber es musste mich veranlassen, nach Leichenunter- suchungen keine Verrichtungen an Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen vorzunehmen. Es kamen keine Puerperal- fieber ferner vor, ich muss aber hinzufügen, dass kurze Zeit darauf, als ein Umsichgreifen der Krankheit stattgefunden hatte, das Gebärhaus von dem Krankenhause getrennt wurde, nicht dass seit dieser Zeit ein sporadisches Vorkommen selbst nicht beobachtet wurde. —
Sie werden mir zugeben, verehrtester Herr Collega, dass die Entscheidung schwer ist, dass vielleicht nirgends der Schluss mehr täuscht: post hoc, ergo propter hoc, als in der Medicin.
30 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0479"n="467"/>
deren Geburtshelfern geben wird, an der Menschheit wieder<lb/>
gut zu machen, was er an derselben gesündiget.</p><lb/><p>Ich habe mich brieflich an Dr. Everken gewendet mit der<lb/>
Anfrage, ob er, seit er solche Unmittelbarkeit vermieden, auch<lb/>
die unterchlorichtsaure Natronlösung nicht vergessen habe, ob<lb/>
er seit dieser Zeit das Puerperalfieber seltener beobachtet, und<lb/>
erhielt folgende Antwort:</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><opener><salute><hirendition="#g">Verehrtester Herr Collega</hi>!</salute></opener><lb/><p>Die durch den Geh. Med. Rath Dr. Schmidt an angege-<lb/>
bener Stelle damals veröffentlichte Aeusserung über den Aus-<lb/>
bruch des Puerperalfiebers in dem meiner Leitung übergebe-<lb/>
nen Gebärhause beruht auf Thatsachen, deren ursächliches<lb/>
Verhältniss wenn auch nicht die Gewissheit, wenigstens doch<lb/>
mehr als die Möglichkeit zum Grunde hat.</p><lb/><p>Wiederholt kamen einzelne Fälle von Puerperalfieber<lb/>
vor, als eine Verbreitung desselben über mehrere Wöchnerin-<lb/>
nen stattfand; ich muss gestehen, dass mit dem Ausbrechen<lb/>
der Krankheit ein Umstand sich vereinigt hatte, der durch<lb/>
Ihre Mittheilung als ursächlicher Moment dargestellt wurde.<lb/>
Von Zeit zu Zeit hatte ich in dem Leichenhause des Hospitals<lb/>
und in dem des Gebärhauses adhaeriste Leichen secirt. Es konnte<lb/>
mir nicht einfallen, diesen Umstand als alleinige Ursache auf-<lb/>
zustellen, aber es musste mich veranlassen, nach Leichenunter-<lb/>
suchungen keine Verrichtungen an Schwangeren, Gebärenden<lb/>
und Wöchnerinnen vorzunehmen. Es kamen keine Puerperal-<lb/>
fieber ferner vor, ich muss aber hinzufügen, dass kurze Zeit<lb/>
darauf, als ein Umsichgreifen der Krankheit stattgefunden<lb/>
hatte, das Gebärhaus von dem Krankenhause getrennt wurde,<lb/>
nicht dass seit dieser Zeit ein sporadisches Vorkommen selbst<lb/>
nicht beobachtet wurde. —</p><lb/><p>Sie werden mir zugeben, verehrtester Herr Collega, dass<lb/>
die Entscheidung schwer ist, dass vielleicht nirgends der<lb/>
Schluss mehr täuscht: <hirendition="#i">post hoc, ergo propter hoc,</hi> als in der<lb/>
Medicin.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">30 *</fw><lb/></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[467/0479]
deren Geburtshelfern geben wird, an der Menschheit wieder
gut zu machen, was er an derselben gesündiget.
Ich habe mich brieflich an Dr. Everken gewendet mit der
Anfrage, ob er, seit er solche Unmittelbarkeit vermieden, auch
die unterchlorichtsaure Natronlösung nicht vergessen habe, ob
er seit dieser Zeit das Puerperalfieber seltener beobachtet, und
erhielt folgende Antwort:
Verehrtester Herr Collega!
Die durch den Geh. Med. Rath Dr. Schmidt an angege-
bener Stelle damals veröffentlichte Aeusserung über den Aus-
bruch des Puerperalfiebers in dem meiner Leitung übergebe-
nen Gebärhause beruht auf Thatsachen, deren ursächliches
Verhältniss wenn auch nicht die Gewissheit, wenigstens doch
mehr als die Möglichkeit zum Grunde hat.
Wiederholt kamen einzelne Fälle von Puerperalfieber
vor, als eine Verbreitung desselben über mehrere Wöchnerin-
nen stattfand; ich muss gestehen, dass mit dem Ausbrechen
der Krankheit ein Umstand sich vereinigt hatte, der durch
Ihre Mittheilung als ursächlicher Moment dargestellt wurde.
Von Zeit zu Zeit hatte ich in dem Leichenhause des Hospitals
und in dem des Gebärhauses adhaeriste Leichen secirt. Es konnte
mir nicht einfallen, diesen Umstand als alleinige Ursache auf-
zustellen, aber es musste mich veranlassen, nach Leichenunter-
suchungen keine Verrichtungen an Schwangeren, Gebärenden
und Wöchnerinnen vorzunehmen. Es kamen keine Puerperal-
fieber ferner vor, ich muss aber hinzufügen, dass kurze Zeit
darauf, als ein Umsichgreifen der Krankheit stattgefunden
hatte, das Gebärhaus von dem Krankenhause getrennt wurde,
nicht dass seit dieser Zeit ein sporadisches Vorkommen selbst
nicht beobachtet wurde. —
Sie werden mir zugeben, verehrtester Herr Collega, dass
die Entscheidung schwer ist, dass vielleicht nirgends der
Schluss mehr täuscht: post hoc, ergo propter hoc, als in der
Medicin.
30 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/479>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.