Da die alleinige Ursache des Kindbettfiebers, nämlich ein zersetzter thierisch-organischer Stoff, den Individuen entweder von Aussen eingebracht wird, oder da dieser Stoff auch in den Individuen entstehen kann, so besteht die Aufgabe der Prophy- laxis des Kindbettfiebers darin, die Einbringung zersetzter Stoffe von Aussen zu verhüten, die Entstehung zersetzter Stoffe in den Individuen hintanzuhalten, und endlich die wirklich entstandenen zersetzten Stoffe so schnell wie möglich aus dem Organismus zu entfernen, um wo möglich deren Resorption, und dadurch den Ausbruch des Kindbettfiebers zu verhüten.
Der Träger, mittelst welchem am häufigsten ein zersetzter Stoff den Individuen von Aussen eingebracht wird, ist der untersuchende Finger.
Da es bei einer grossen Anzahl von Schülern sicherer ist, den Finger nicht zu verunreinigen, als den verunreinigten wieder zu reinigen, so wende ich mich an sämmtliche Regie- rungen mit der Bitte um die Erlassung eines Gesetzes, welches jedem im Gebärhause Beschäftigten für die Dauer seiner Beschäftigung im Gebärhause verbietet, sich mit Dingen zu beschäftigen, welche geeignet sind, seine Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen.
Die unabweisbare Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes machte mir die Erfahrung klar, dass es mir trotz aller Energie nicht gelungen ist, an der I. Gebärklinik zu Wien die Fälle von Kindbettfieber auf die Fälle von Selbstinfection zu beschränken.
Prophylaxis des Kindbettfiebers.
Da die alleinige Ursache des Kindbettfiebers, nämlich ein zersetzter thierisch-organischer Stoff, den Individuen entweder von Aussen eingebracht wird, oder da dieser Stoff auch in den Individuen entstehen kann, so besteht die Aufgabe der Prophy- laxis des Kindbettfiebers darin, die Einbringung zersetzter Stoffe von Aussen zu verhüten, die Entstehung zersetzter Stoffe in den Individuen hintanzuhalten, und endlich die wirklich entstandenen zersetzten Stoffe so schnell wie möglich aus dem Organismus zu entfernen, um wo möglich deren Resorption, und dadurch den Ausbruch des Kindbettfiebers zu verhüten.
Der Träger, mittelst welchem am häufigsten ein zersetzter Stoff den Individuen von Aussen eingebracht wird, ist der untersuchende Finger.
Da es bei einer grossen Anzahl von Schülern sicherer ist, den Finger nicht zu verunreinigen, als den verunreinigten wieder zu reinigen, so wende ich mich an sämmtliche Regie- rungen mit der Bitte um die Erlassung eines Gesetzes, welches jedem im Gebärhause Beschäftigten für die Dauer seiner Beschäftigung im Gebärhause verbietet, sich mit Dingen zu beschäftigen, welche geeignet sind, seine Hände mit zersetzten Stoffen zu verunreinigen.
Die unabweisbare Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes machte mir die Erfahrung klar, dass es mir trotz aller Energie nicht gelungen ist, an der I. Gebärklinik zu Wien die Fälle von Kindbettfieber auf die Fälle von Selbstinfection zu beschränken.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0278"n="[266]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Prophylaxis des Kindbettfiebers.</hi></head><lb/><p>Da die alleinige Ursache des Kindbettfiebers, nämlich ein<lb/>
zersetzter thierisch-organischer Stoff, den Individuen entweder<lb/>
von Aussen eingebracht wird, oder da dieser Stoff auch in den<lb/>
Individuen entstehen kann, so besteht die Aufgabe der Prophy-<lb/>
laxis des Kindbettfiebers darin, die Einbringung zersetzter<lb/>
Stoffe von Aussen zu verhüten, die Entstehung zersetzter<lb/>
Stoffe in den Individuen hintanzuhalten, und endlich die<lb/>
wirklich entstandenen zersetzten Stoffe so schnell wie möglich<lb/>
aus dem Organismus zu entfernen, um wo möglich deren<lb/>
Resorption, und dadurch den Ausbruch des Kindbettfiebers zu<lb/>
verhüten.</p><lb/><p>Der Träger, mittelst welchem am häufigsten ein zersetzter<lb/>
Stoff den Individuen von Aussen eingebracht wird, ist der<lb/>
untersuchende Finger.</p><lb/><p>Da es bei einer grossen Anzahl von Schülern sicherer ist,<lb/>
den Finger nicht zu verunreinigen, als den verunreinigten<lb/>
wieder zu reinigen, so wende ich mich an sämmtliche Regie-<lb/>
rungen mit der Bitte um die Erlassung eines Gesetzes, welches<lb/>
jedem im Gebärhause Beschäftigten für die Dauer seiner<lb/>
Beschäftigung im Gebärhause verbietet, sich mit Dingen zu<lb/>
beschäftigen, welche geeignet sind, seine Hände mit zersetzten<lb/>
Stoffen zu verunreinigen.</p><lb/><p>Die unabweisbare Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes<lb/>
machte mir die Erfahrung klar, dass es mir trotz aller Energie<lb/>
nicht gelungen ist, an der I. Gebärklinik zu Wien die<lb/>
Fälle von Kindbettfieber auf die Fälle von Selbstinfection zu<lb/>
beschränken.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[[266]/0278]
Prophylaxis des Kindbettfiebers.
Da die alleinige Ursache des Kindbettfiebers, nämlich ein
zersetzter thierisch-organischer Stoff, den Individuen entweder
von Aussen eingebracht wird, oder da dieser Stoff auch in den
Individuen entstehen kann, so besteht die Aufgabe der Prophy-
laxis des Kindbettfiebers darin, die Einbringung zersetzter
Stoffe von Aussen zu verhüten, die Entstehung zersetzter
Stoffe in den Individuen hintanzuhalten, und endlich die
wirklich entstandenen zersetzten Stoffe so schnell wie möglich
aus dem Organismus zu entfernen, um wo möglich deren
Resorption, und dadurch den Ausbruch des Kindbettfiebers zu
verhüten.
Der Träger, mittelst welchem am häufigsten ein zersetzter
Stoff den Individuen von Aussen eingebracht wird, ist der
untersuchende Finger.
Da es bei einer grossen Anzahl von Schülern sicherer ist,
den Finger nicht zu verunreinigen, als den verunreinigten
wieder zu reinigen, so wende ich mich an sämmtliche Regie-
rungen mit der Bitte um die Erlassung eines Gesetzes, welches
jedem im Gebärhause Beschäftigten für die Dauer seiner
Beschäftigung im Gebärhause verbietet, sich mit Dingen zu
beschäftigen, welche geeignet sind, seine Hände mit zersetzten
Stoffen zu verunreinigen.
Die unabweisbare Nothwendigkeit eines solchen Gesetzes
machte mir die Erfahrung klar, dass es mir trotz aller Energie
nicht gelungen ist, an der I. Gebärklinik zu Wien die
Fälle von Kindbettfieber auf die Fälle von Selbstinfection zu
beschränken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. [266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/278>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.