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Scriver, Christian: Das Verlohrne und wiedergefundene Schäfflein. Magdeburg, 1672.

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§. 29.

Zwar kan man nicht in Abrede seyn/ daß zuweiln
der fromme HErr und Heiland seinen Gläubigen einen bit-
tern Trunck einschencket/ daß er sie mit Thränen-Brodt spei-
set/ und mit grossen massen voll Thränen träncket/ Er füh-
ret sie zuweiln durch einen rauhen und Dornigten Weg/ Er
züchtiget sie wegen ihrer Sünden/ Er stellet sich zuweiln hart
und frembd gegen sie/ und dieses kan er nicht Umbgang ha-
ben/ wegen der sündlichen Art/ so im Fleisch der Gläubigen
noch hinterstellig ist/ doch ist alles hertzlich gut gemeint/ und
er betrübet die Menschen nicht von Hertzen/ leßt sie auch nie-
mahln ohne Troßt/ und Labsal/ Er weiß alle ihre bittere
Trüncke mit einem und andern Tröpflein seiner Liebe und
seines himmlischen Troßts/ dermassen zu versüssen/ daß sie
dennoch bekennen und befinden/ daß sein Joch sanfft und
seine Last leicht ist.

§. 30.

Jn den Kirchengeschichten (Ruffin. l. 2. c. 30.)
findet man ein Exempel eines Jünglings/ Theodorus ge-
nant/ welcher unter dem abtrünnigen Keiser Julianus schreck-
lich gemartert worden/ das er aber nicht geachtet/ sondern
mit Freudigkeit gesungen (Psalm. XCVII. 7.) Schämen
mussen sich alle die den Bildern dienen/ und sich der
Götzen ruhmen.
Alß er aber nach überstandenen Pein ge-
fraget worden/ wie er hette außhalten/ und in solcher erschreck-
lichen Marter so freudig seyn können? Hat er geantwortet:
Er hette zwar etwas Schmertzen gefühlet/ doch were ein
schöner Jüngling bey ihm gestanden (welcher zweiffels frey
ein Engel gewesen) der ihm mit einem Tüchlein hette den
Angstschweiß abgewischet/ mit kühlen Wasser besprenget
und erquicket/ und dieses/ sätzet der Geschichtschreiber/ habe
er zu Antiochia selbst von dem Theodoro gehöret/ So
machts der HErr JEsus mit seinen Gläubigen/ Ob sie

zwar
§. 29.

Zwar kan man nicht in Abrede ſeyn/ daß zuweiln
der fromme HErr und Heiland ſeinen Glaͤubigen einen bit-
tern Trunck einſchencket/ daß er ſie mit Thraͤnen-Brodt ſpei-
ſet/ und mit groſſen maſſen voll Thraͤnen traͤncket/ Er fuͤh-
ret ſie zuweiln durch einen rauhen und Dornigten Weg/ Er
zuͤchtiget ſie wegen ihrer Suͤnden/ Er ſtellet ſich zuweiln hart
und frembd gegen ſie/ und dieſes kan er nicht Umbgang ha-
ben/ wegen der ſuͤndlichen Art/ ſo im Fleiſch der Glaͤubigen
noch hinterſtellig iſt/ doch iſt alles hertzlich gut gemeint/ und
er betruͤbet die Menſchen nicht von Hertzen/ leßt ſie auch nie-
mahln ohne Troßt/ und Labſal/ Er weiß alle ihre bittere
Truͤncke mit einem und andern Troͤpflein ſeiner Liebe und
ſeines himmliſchen Troßts/ dermaſſen zu verſuͤſſen/ daß ſie
dennoch bekennen und befinden/ daß ſein Joch ſanfft und
ſeine Laſt leicht iſt.

§. 30.

Jn den Kirchengeſchichten (Ruffin. l. 2. c. 30.)
findet man ein Exempel eines Juͤnglings/ Theodorus ge-
nant/ welcher unter dem abtruͤnnigen Keiſer Julianus ſchreck-
lich gemartert worden/ das er aber nicht geachtet/ ſondern
mit Freudigkeit geſungen (Pſalm. XCVII. 7.) Schaͤmen
můſſen ſich alle die den Bildern dienen/ und ſich der
Goͤtzen růhmen.
Alß er aber nach uͤberſtandenen Pein ge-
fraget worden/ wie er hette außhalten/ uñ in ſolcher erſchreck-
lichen Marter ſo freudig ſeyn koͤnnen? Hat er geantwortet:
Er hette zwar etwas Schmertzen gefuͤhlet/ doch were ein
ſchoͤner Juͤngling bey ihm geſtanden (welcher zweiffels frey
ein Engel geweſen) der ihm mit einem Tuͤchlein hette den
Angſtſchweiß abgewiſchet/ mit kuͤhlen Waſſer beſprenget
und erquicket/ und dieſes/ ſaͤtzet der Geſchichtſchreiber/ habe
er zu Antiochia ſelbſt von dem Theodoro gehoͤret/ So
machts der HErr JEſus mit ſeinen Glaͤubigen/ Ob ſie

zwar
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[0064] §. 29.Zwar kan man nicht in Abrede ſeyn/ daß zuweiln der fromme HErr und Heiland ſeinen Glaͤubigen einen bit- tern Trunck einſchencket/ daß er ſie mit Thraͤnen-Brodt ſpei- ſet/ und mit groſſen maſſen voll Thraͤnen traͤncket/ Er fuͤh- ret ſie zuweiln durch einen rauhen und Dornigten Weg/ Er zuͤchtiget ſie wegen ihrer Suͤnden/ Er ſtellet ſich zuweiln hart und frembd gegen ſie/ und dieſes kan er nicht Umbgang ha- ben/ wegen der ſuͤndlichen Art/ ſo im Fleiſch der Glaͤubigen noch hinterſtellig iſt/ doch iſt alles hertzlich gut gemeint/ und er betruͤbet die Menſchen nicht von Hertzen/ leßt ſie auch nie- mahln ohne Troßt/ und Labſal/ Er weiß alle ihre bittere Truͤncke mit einem und andern Troͤpflein ſeiner Liebe und ſeines himmliſchen Troßts/ dermaſſen zu verſuͤſſen/ daß ſie dennoch bekennen und befinden/ daß ſein Joch ſanfft und ſeine Laſt leicht iſt. §. 30.Jn den Kirchengeſchichten (Ruffin. l. 2. c. 30.) findet man ein Exempel eines Juͤnglings/ Theodorus ge- nant/ welcher unter dem abtruͤnnigen Keiſer Julianus ſchreck- lich gemartert worden/ das er aber nicht geachtet/ ſondern mit Freudigkeit geſungen (Pſalm. XCVII. 7.) Schaͤmen můſſen ſich alle die den Bildern dienen/ und ſich der Goͤtzen růhmen. Alß er aber nach uͤberſtandenen Pein ge- fraget worden/ wie er hette außhalten/ uñ in ſolcher erſchreck- lichen Marter ſo freudig ſeyn koͤnnen? Hat er geantwortet: Er hette zwar etwas Schmertzen gefuͤhlet/ doch were ein ſchoͤner Juͤngling bey ihm geſtanden (welcher zweiffels frey ein Engel geweſen) der ihm mit einem Tuͤchlein hette den Angſtſchweiß abgewiſchet/ mit kuͤhlen Waſſer beſprenget und erquicket/ und dieſes/ ſaͤtzet der Geſchichtſchreiber/ habe er zu Antiochia ſelbſt von dem Theodoro gehoͤret/ So machts der HErr JEſus mit ſeinen Glaͤubigen/ Ob ſie zwar

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Zitationshilfe: Scriver, Christian: Das Verlohrne und wiedergefundene Schäfflein. Magdeburg, 1672, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scriver_schaefflein_1672/64>, abgerufen am 13.11.2024.