Wie wir in unseren Mittheilungen über schnellfeuernde Geschütze aus- führten, steht bei der Artillerie die Entscheidung darüber in den meisten Staaten noch aus, ob man die bisherige Kanone aufgeben und zu den bereits sehr vervollkommneten schnellfeuernden, beziehungsweise sich selbst ladenden Geschützen übergehen soll. In dieser Hinsicht ist die Infanterie der eben genannten Waffe bis auf einen Punkt, auf den wir weiter unten zurückkommen, weit vorausgeeilt. Schnellfeuer ist bei den Großmächten und den meisten kleineren Staaten die Losung, und es bestehen selbst in der Art und Weise, wie das schnelle Feuern erzielt werden soll, nur noch geringe Meinungsunterschiede. Die Kriege der Zukunft werden wahrscheinlich allein durch das furchtbarste Infanterie- und Artillerie- feuer aus weiten Entfernungen entschieden, und es erscheinen Nahkämpfe, Sturm- angriffe u. dgl. jetzt nahezu ausgeschlossen.
Im Jahre 1866, waren mit Ausnahme Preußens, alle übrigen Mächte mit dem Vorderlader bewaffnet. Nach dem Kriege jedoch trat ein bedeutsamer Umschwung ein; zuerst wurden die alten Vorderlader umgestaltet, ein Nothbehelf, der sich als unzweckmäßig und kostspielig erwies und dahin führte, daß allenthalben neue Hinterlader zur Einführung gelangten: in Frankreich das Chassepot-Gewehr, Caliber 11 Millimeter, in Preußen das Mauser-Gewehr Modell 1871, Caliber 11 Millimeter (allerdings erst nach dem Kriege 1870/71, welcher noch mit dem Dreyse-Gewehr ausgefochten wurde), in Oesterreich-Ungarn das Werndl- Gewehr Modell 1867/77 und 1873/77, Caliber 11 Millimeter, und in Ruß- land das BerdanII-Gewehr. Der Krieg 1870/71 brachte die enorme Wichtigkeit des Schießens auf große Distanzen zur Erkenntniß, was in einigen Staaten wieder zu Umänderungen an den eingeführten Gewehren, bei anderen Staaten vollends zu Neuanschaffungen führte. Indeß war man schon im amerikanischen Secessions-
Dritter Abſchnitt.
Die Handfeuerwaffen.
Die Armeegewehre.
Wie wir in unſeren Mittheilungen über ſchnellfeuernde Geſchütze aus- führten, ſteht bei der Artillerie die Entſcheidung darüber in den meiſten Staaten noch aus, ob man die bisherige Kanone aufgeben und zu den bereits ſehr vervollkommneten ſchnellfeuernden, beziehungsweiſe ſich ſelbſt ladenden Geſchützen übergehen ſoll. In dieſer Hinſicht iſt die Infanterie der eben genannten Waffe bis auf einen Punkt, auf den wir weiter unten zurückkommen, weit vorausgeeilt. Schnellfeuer iſt bei den Großmächten und den meiſten kleineren Staaten die Loſung, und es beſtehen ſelbſt in der Art und Weiſe, wie das ſchnelle Feuern erzielt werden ſoll, nur noch geringe Meinungsunterſchiede. Die Kriege der Zukunft werden wahrſcheinlich allein durch das furchtbarſte Infanterie- und Artillerie- feuer aus weiten Entfernungen entſchieden, und es erſcheinen Nahkämpfe, Sturm- angriffe u. dgl. jetzt nahezu ausgeſchloſſen.
Im Jahre 1866, waren mit Ausnahme Preußens, alle übrigen Mächte mit dem Vorderlader bewaffnet. Nach dem Kriege jedoch trat ein bedeutſamer Umſchwung ein; zuerſt wurden die alten Vorderlader umgeſtaltet, ein Nothbehelf, der ſich als unzweckmäßig und koſtſpielig erwies und dahin führte, daß allenthalben neue Hinterlader zur Einführung gelangten: in Frankreich das Chaſſepot-Gewehr, Caliber 11 Millimeter, in Preußen das Mauſer-Gewehr Modell 1871, Caliber 11 Millimeter (allerdings erſt nach dem Kriege 1870/71, welcher noch mit dem Dreyſe-Gewehr ausgefochten wurde), in Oeſterreich-Ungarn das Werndl- Gewehr Modell 1867/77 und 1873/77, Caliber 11 Millimeter, und in Ruß- land das BerdanII-Gewehr. Der Krieg 1870/71 brachte die enorme Wichtigkeit des Schießens auf große Diſtanzen zur Erkenntniß, was in einigen Staaten wieder zu Umänderungen an den eingeführten Gewehren, bei anderen Staaten vollends zu Neuanſchaffungen führte. Indeß war man ſchon im amerikaniſchen Seceſſions-
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Dritter Abſchnitt.
Die Handfeuerwaffen.
Die Armeegewehre.
Wie wir in unſeren Mittheilungen über ſchnellfeuernde Geſchütze aus-
führten, ſteht bei der Artillerie die Entſcheidung darüber in den
meiſten Staaten noch aus, ob man die bisherige Kanone aufgeben
und zu den bereits ſehr vervollkommneten ſchnellfeuernden, beziehungsweiſe ſich
ſelbſt ladenden Geſchützen übergehen ſoll. In dieſer Hinſicht iſt die Infanterie der
eben genannten Waffe bis auf einen Punkt, auf den wir weiter unten zurückkommen,
weit vorausgeeilt. Schnellfeuer iſt bei den Großmächten und den meiſten kleineren
Staaten die Loſung, und es beſtehen ſelbſt in der Art und Weiſe, wie das ſchnelle
Feuern erzielt werden ſoll, nur noch geringe Meinungsunterſchiede. Die Kriege der
Zukunft werden wahrſcheinlich allein durch das furchtbarſte Infanterie- und Artillerie-
feuer aus weiten Entfernungen entſchieden, und es erſcheinen Nahkämpfe, Sturm-
angriffe u. dgl. jetzt nahezu ausgeſchloſſen.
Im Jahre 1866, waren mit Ausnahme Preußens, alle übrigen Mächte mit
dem Vorderlader bewaffnet. Nach dem Kriege jedoch trat ein bedeutſamer Umſchwung
ein; zuerſt wurden die alten Vorderlader umgeſtaltet, ein Nothbehelf, der ſich als
unzweckmäßig und koſtſpielig erwies und dahin führte, daß allenthalben neue
Hinterlader zur Einführung gelangten: in Frankreich das Chaſſepot-Gewehr,
Caliber 11 Millimeter, in Preußen das Mauſer-Gewehr Modell 1871, Caliber
11 Millimeter (allerdings erſt nach dem Kriege 1870/71, welcher noch mit dem
Dreyſe-Gewehr ausgefochten wurde), in Oeſterreich-Ungarn das Werndl-
Gewehr Modell 1867/77 und 1873/77, Caliber 11 Millimeter, und in Ruß-
land das Berdan II-Gewehr. Der Krieg 1870/71 brachte die enorme Wichtigkeit
des Schießens auf große Diſtanzen zur Erkenntniß, was in einigen Staaten wieder
zu Umänderungen an den eingeführten Gewehren, bei anderen Staaten vollends
zu Neuanſchaffungen führte. Indeß war man ſchon im amerikaniſchen Seceſſions-
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 791. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/873>, abgerufen am 21.11.2024.
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