Das moderne Schlachtschiff ist das vollendetste Product der heutigen Technik. Wenn man Veranlassung nimmt, es zu bewundern, gilt dies nicht dem Zwecke, sondern der Leistung. So groß aber auch die Zahl der eisernen Ungethüme sein mag, welche dermalen die Meere beleben: man vermißt an ihnen einen einheitlichen Typus, denn in dem großartigen Werden und Schaffen der Kriegsmittel zur See sind beständig Wandlungen wahrnehmbar, welche den Er- findungsgeist aufs äußerste anspannen, zu stets neuen Triumphen der Technik sich gestalten und ein inniges Zusammenwirken von theoretischem Wissen und praktischem Können erfordern.
Vielleicht hat dieser stete Entwickelungsgang, in welchem ein Organ um das andere eine gesteigerte Kräftigung findet und jede nachfolgende Leistung organisch aus den vorhergegangenen sich entwickelt, für den Fachmann, der dies Alles vor seinen Augen sich abspielen sieht, nichts Ueberraschendes. Dem Laien, dem dieser Zusammenhang abgeht, wird dieser lebendige Kraftausdruck zu einer förmlichen Märchendichtung. Hierfür spricht der Umstand, welch mächtigen Eindruck eine moderne "Seeschlachtmaschine" -- "Schiffe" können die meisten Typen wohl kaum genannt werden -- auf die Phantasie des Nichtfachmannes ausübt. Er betritt das Deck des ihm fremdartigen Ungethümes und fühlt sich sofort überwältigt von den großartigen und sinnreichen Einrichtungen einer solchen Kriegsmaschine. Er erkennt in ihr einen Triumph der Technik sondergleichen, wenn er sich vor Augen hält, welche Massen hier als Schwimmkörper dem Wasser anvertraut sind, wie diesen Massen, als bewegte Last, eine ungeheuere Angriffskraft innewohnt, wie sich der Mensch auf diesem schwimmenden Mechanismus durch Schutzmittel außer- gewöhnlicher Art gegen die vernichtende Gewalt der modernen Riesengeschütze wappnet, hierbei aber die letzteren selber hinter Panzer, Thürme und Brustwehren birgt, um seine vernichtenden Angriffe auszuführen.
Erſter Abſchnitt.
Die Entwickelung der Kriegsmarinen.
Das moderne Schlachtſchiff iſt das vollendetſte Product der heutigen Technik. Wenn man Veranlaſſung nimmt, es zu bewundern, gilt dies nicht dem Zwecke, ſondern der Leiſtung. So groß aber auch die Zahl der eiſernen Ungethüme ſein mag, welche dermalen die Meere beleben: man vermißt an ihnen einen einheitlichen Typus, denn in dem großartigen Werden und Schaffen der Kriegsmittel zur See ſind beſtändig Wandlungen wahrnehmbar, welche den Er- findungsgeiſt aufs äußerſte anſpannen, zu ſtets neuen Triumphen der Technik ſich geſtalten und ein inniges Zuſammenwirken von theoretiſchem Wiſſen und praktiſchem Können erfordern.
Vielleicht hat dieſer ſtete Entwickelungsgang, in welchem ein Organ um das andere eine geſteigerte Kräftigung findet und jede nachfolgende Leiſtung organiſch aus den vorhergegangenen ſich entwickelt, für den Fachmann, der dies Alles vor ſeinen Augen ſich abſpielen ſieht, nichts Ueberraſchendes. Dem Laien, dem dieſer Zuſammenhang abgeht, wird dieſer lebendige Kraftausdruck zu einer förmlichen Märchendichtung. Hierfür ſpricht der Umſtand, welch mächtigen Eindruck eine moderne »Seeſchlachtmaſchine« — »Schiffe« können die meiſten Typen wohl kaum genannt werden — auf die Phantaſie des Nichtfachmannes ausübt. Er betritt das Deck des ihm fremdartigen Ungethümes und fühlt ſich ſofort überwältigt von den großartigen und ſinnreichen Einrichtungen einer ſolchen Kriegsmaſchine. Er erkennt in ihr einen Triumph der Technik ſondergleichen, wenn er ſich vor Augen hält, welche Maſſen hier als Schwimmkörper dem Waſſer anvertraut ſind, wie dieſen Maſſen, als bewegte Laſt, eine ungeheuere Angriffskraft innewohnt, wie ſich der Menſch auf dieſem ſchwimmenden Mechanismus durch Schutzmittel außer- gewöhnlicher Art gegen die vernichtende Gewalt der modernen Rieſengeſchütze wappnet, hierbei aber die letzteren ſelber hinter Panzer, Thürme und Bruſtwehren birgt, um ſeine vernichtenden Angriffe auszuführen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0609"n="549"/><lb/><divn="3"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><head><hirendition="#b">Erſter Abſchnitt.</hi></head></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Die Entwickelung der Kriegsmarinen.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>as moderne Schlachtſchiff iſt das vollendetſte Product der heutigen Technik.<lb/><hirendition="#et">Wenn man Veranlaſſung nimmt, es zu bewundern, gilt dies nicht dem<lb/>
Zwecke, ſondern der Leiſtung. So groß aber auch die Zahl der eiſernen</hi><lb/>
Ungethüme ſein mag, welche dermalen die Meere beleben: man vermißt an ihnen<lb/>
einen einheitlichen Typus, denn in dem großartigen Werden und Schaffen der<lb/>
Kriegsmittel zur See ſind beſtändig Wandlungen wahrnehmbar, welche den Er-<lb/>
findungsgeiſt aufs äußerſte anſpannen, zu ſtets neuen Triumphen der Technik ſich<lb/>
geſtalten und ein inniges Zuſammenwirken von theoretiſchem Wiſſen und praktiſchem<lb/>
Können erfordern.</p><lb/><p>Vielleicht hat dieſer ſtete Entwickelungsgang, in welchem ein Organ um das<lb/>
andere eine geſteigerte Kräftigung findet und jede nachfolgende Leiſtung organiſch<lb/>
aus den vorhergegangenen ſich entwickelt, für den Fachmann, der dies Alles vor<lb/>ſeinen Augen ſich abſpielen ſieht, nichts Ueberraſchendes. Dem Laien, dem dieſer<lb/>
Zuſammenhang abgeht, wird dieſer lebendige Kraftausdruck zu einer förmlichen<lb/>
Märchendichtung. Hierfür ſpricht der Umſtand, welch mächtigen Eindruck eine<lb/>
moderne »Seeſchlachtmaſchine« — »Schiffe« können die meiſten Typen wohl kaum<lb/>
genannt werden — auf die Phantaſie des Nichtfachmannes ausübt. Er betritt<lb/>
das Deck des ihm fremdartigen Ungethümes und fühlt ſich ſofort überwältigt von<lb/>
den großartigen und ſinnreichen Einrichtungen einer ſolchen Kriegsmaſchine. Er<lb/>
erkennt in ihr einen Triumph der Technik ſondergleichen, wenn er ſich vor Augen<lb/>
hält, welche Maſſen hier als Schwimmkörper dem Waſſer anvertraut ſind, wie<lb/>
dieſen Maſſen, als bewegte Laſt, eine ungeheuere Angriffskraft innewohnt, wie ſich<lb/>
der Menſch auf dieſem ſchwimmenden Mechanismus durch Schutzmittel außer-<lb/>
gewöhnlicher Art gegen die vernichtende Gewalt der modernen Rieſengeſchütze<lb/>
wappnet, hierbei aber die letzteren ſelber hinter Panzer, Thürme und Bruſtwehren<lb/>
birgt, um ſeine vernichtenden Angriffe auszuführen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[549/0609]
Erſter Abſchnitt.
Die Entwickelung der Kriegsmarinen.
Das moderne Schlachtſchiff iſt das vollendetſte Product der heutigen Technik.
Wenn man Veranlaſſung nimmt, es zu bewundern, gilt dies nicht dem
Zwecke, ſondern der Leiſtung. So groß aber auch die Zahl der eiſernen
Ungethüme ſein mag, welche dermalen die Meere beleben: man vermißt an ihnen
einen einheitlichen Typus, denn in dem großartigen Werden und Schaffen der
Kriegsmittel zur See ſind beſtändig Wandlungen wahrnehmbar, welche den Er-
findungsgeiſt aufs äußerſte anſpannen, zu ſtets neuen Triumphen der Technik ſich
geſtalten und ein inniges Zuſammenwirken von theoretiſchem Wiſſen und praktiſchem
Können erfordern.
Vielleicht hat dieſer ſtete Entwickelungsgang, in welchem ein Organ um das
andere eine geſteigerte Kräftigung findet und jede nachfolgende Leiſtung organiſch
aus den vorhergegangenen ſich entwickelt, für den Fachmann, der dies Alles vor
ſeinen Augen ſich abſpielen ſieht, nichts Ueberraſchendes. Dem Laien, dem dieſer
Zuſammenhang abgeht, wird dieſer lebendige Kraftausdruck zu einer förmlichen
Märchendichtung. Hierfür ſpricht der Umſtand, welch mächtigen Eindruck eine
moderne »Seeſchlachtmaſchine« — »Schiffe« können die meiſten Typen wohl kaum
genannt werden — auf die Phantaſie des Nichtfachmannes ausübt. Er betritt
das Deck des ihm fremdartigen Ungethümes und fühlt ſich ſofort überwältigt von
den großartigen und ſinnreichen Einrichtungen einer ſolchen Kriegsmaſchine. Er
erkennt in ihr einen Triumph der Technik ſondergleichen, wenn er ſich vor Augen
hält, welche Maſſen hier als Schwimmkörper dem Waſſer anvertraut ſind, wie
dieſen Maſſen, als bewegte Laſt, eine ungeheuere Angriffskraft innewohnt, wie ſich
der Menſch auf dieſem ſchwimmenden Mechanismus durch Schutzmittel außer-
gewöhnlicher Art gegen die vernichtende Gewalt der modernen Rieſengeſchütze
wappnet, hierbei aber die letzteren ſelber hinter Panzer, Thürme und Bruſtwehren
birgt, um ſeine vernichtenden Angriffe auszuführen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/609>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.