Von dem berühmten englischen Ingenieur Brindley rührt der Ausspruch: "Die Vorsehung hat die Flüsse geschaffen, damit die Menschen damit Canäle speisen können". Richtiger wäre, zu sagen, daß die Flüsse in ihrem Naturzustande modernen Verkehrsansprüchen nicht Genüge leisten und daß sie dementsprechend ausgebaut und umgestaltet werden müssen. Zwischen einem nicht regulirten, den Launen der Elemente überlassenen Flusse und einem solchen, welcher mit allem Aufwande moderner technischer Hilfsmittel dem Verkehrsleben erschlossen wurde, besteht ein Unterschied etwa gleich dem zwischen einer alten verwahrlosten Wasserstraße und einem Schienenwege.
Weiter geht indeß der Vergleich nicht. Die Wasserstraße ist ein von der Natur vorgezeichneter Verkehrsweg, von dem logischerweise nicht abgewichen werden kann. Die Anlage eines Schienenweges erfolgt auf Basis der jeweiligen Bedürf- nisse und wird -- wenigstens heutigen Tags -- bezüglich seiner Lage im Terrain kaum wesentlich beeinflußt. Handelt es sich um die Förderung großer Interessen, so werden selbst sehr kostspielige, mit Ueberwindung bedeutender örtlicher Hindernisse verbundene Eisenbahnanlagen durchgeführt. Der Ausgestaltung eines Eisenbahn- netzes stehen daher nennenswerthe Erschwernisse nicht entgegen. Ganz anders verhält es sich mit den von der Natur vorgezeichneten Wasserwegen. Ihre Isolirtheit von einander wirkt in hohem Grade schädigend auf die Gesammtgestaltung des Ver- kehres zu Wasser. Kein Wunder also, daß von jeher das Bestreben sich geltend machte, wichtige Wasserstraßen untereinander durch Schaffung künstlicher Zwischen- glieder in Verbindung zu bringen, sei es um ausgedehnte Linien von internatio- naler Bedeutung aneinander zu gliedern, oder um ein örtlich vielfach verzweigtes Wasserstraßennetz -- ähnlich dem der Landwege und Eisenbahnen -- ins Leben zu rufen.
Die künstlich hergestellten Zwischenglieder in der Gestaltung der natürlichen Wasserwege sind die Canäle, und zwar in ihrer Form als Schiffahrtscanäle.
Dritter Abſchnitt.
Schiffahrtscanäle.
Von dem berühmten engliſchen Ingenieur Brindley rührt der Ausſpruch: »Die Vorſehung hat die Flüſſe geſchaffen, damit die Menſchen damit Canäle ſpeiſen können«. Richtiger wäre, zu ſagen, daß die Flüſſe in ihrem Naturzuſtande modernen Verkehrsanſprüchen nicht Genüge leiſten und daß ſie dementſprechend ausgebaut und umgeſtaltet werden müſſen. Zwiſchen einem nicht regulirten, den Launen der Elemente überlaſſenen Fluſſe und einem ſolchen, welcher mit allem Aufwande moderner techniſcher Hilfsmittel dem Verkehrsleben erſchloſſen wurde, beſteht ein Unterſchied etwa gleich dem zwiſchen einer alten verwahrloſten Waſſerſtraße und einem Schienenwege.
Weiter geht indeß der Vergleich nicht. Die Waſſerſtraße iſt ein von der Natur vorgezeichneter Verkehrsweg, von dem logiſcherweiſe nicht abgewichen werden kann. Die Anlage eines Schienenweges erfolgt auf Baſis der jeweiligen Bedürf- niſſe und wird — wenigſtens heutigen Tags — bezüglich ſeiner Lage im Terrain kaum weſentlich beeinflußt. Handelt es ſich um die Förderung großer Intereſſen, ſo werden ſelbſt ſehr koſtſpielige, mit Ueberwindung bedeutender örtlicher Hinderniſſe verbundene Eiſenbahnanlagen durchgeführt. Der Ausgeſtaltung eines Eiſenbahn- netzes ſtehen daher nennenswerthe Erſchwerniſſe nicht entgegen. Ganz anders verhält es ſich mit den von der Natur vorgezeichneten Waſſerwegen. Ihre Iſolirtheit von einander wirkt in hohem Grade ſchädigend auf die Geſammtgeſtaltung des Ver- kehres zu Waſſer. Kein Wunder alſo, daß von jeher das Beſtreben ſich geltend machte, wichtige Waſſerſtraßen untereinander durch Schaffung künſtlicher Zwiſchen- glieder in Verbindung zu bringen, ſei es um ausgedehnte Linien von internatio- naler Bedeutung aneinander zu gliedern, oder um ein örtlich vielfach verzweigtes Waſſerſtraßennetz — ähnlich dem der Landwege und Eiſenbahnen — ins Leben zu rufen.
Die künſtlich hergeſtellten Zwiſchenglieder in der Geſtaltung der natürlichen Waſſerwege ſind die Canäle, und zwar in ihrer Form als Schiffahrtscanäle.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0551"n="493"/><lb/></div><lb/><divn="3"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><head><hirendition="#b">Dritter Abſchnitt.</hi></head></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Schiffahrtscanäle.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>on dem berühmten engliſchen Ingenieur <hirendition="#g">Brindley</hi> rührt der Ausſpruch:<lb/>
»Die Vorſehung hat die Flüſſe geſchaffen, damit die Menſchen damit<lb/>
Canäle ſpeiſen können«. Richtiger wäre, zu ſagen, daß die Flüſſe in<lb/>
ihrem Naturzuſtande modernen Verkehrsanſprüchen nicht Genüge leiſten und daß<lb/>ſie dementſprechend ausgebaut und umgeſtaltet werden müſſen. Zwiſchen einem nicht<lb/>
regulirten, den Launen der Elemente überlaſſenen Fluſſe und einem ſolchen, welcher<lb/>
mit allem Aufwande moderner techniſcher Hilfsmittel dem Verkehrsleben erſchloſſen<lb/>
wurde, beſteht ein Unterſchied etwa gleich dem zwiſchen einer alten verwahrloſten<lb/>
Waſſerſtraße und einem Schienenwege.</p><lb/><p>Weiter geht indeß der Vergleich nicht. Die Waſſerſtraße iſt ein von der<lb/>
Natur vorgezeichneter Verkehrsweg, von dem logiſcherweiſe nicht abgewichen werden<lb/>
kann. Die Anlage eines Schienenweges erfolgt auf Baſis der jeweiligen Bedürf-<lb/>
niſſe und wird — wenigſtens heutigen Tags — bezüglich ſeiner Lage im Terrain<lb/>
kaum weſentlich beeinflußt. Handelt es ſich um die Förderung großer Intereſſen,<lb/>ſo werden ſelbſt ſehr koſtſpielige, mit Ueberwindung bedeutender örtlicher Hinderniſſe<lb/>
verbundene Eiſenbahnanlagen durchgeführt. Der Ausgeſtaltung eines Eiſenbahn-<lb/>
netzes ſtehen daher nennenswerthe Erſchwerniſſe nicht entgegen. Ganz anders verhält<lb/>
es ſich mit den von der Natur vorgezeichneten Waſſerwegen. Ihre Iſolirtheit von<lb/>
einander wirkt in hohem Grade ſchädigend auf die Geſammtgeſtaltung des Ver-<lb/>
kehres zu Waſſer. Kein Wunder alſo, daß von jeher das Beſtreben ſich geltend<lb/>
machte, wichtige Waſſerſtraßen untereinander durch Schaffung künſtlicher Zwiſchen-<lb/>
glieder in Verbindung zu bringen, ſei es um ausgedehnte Linien von internatio-<lb/>
naler Bedeutung aneinander zu gliedern, oder um ein örtlich vielfach verzweigtes<lb/>
Waſſerſtraßennetz — ähnlich dem der Landwege und Eiſenbahnen — ins Leben<lb/>
zu rufen.</p><lb/><p>Die künſtlich hergeſtellten Zwiſchenglieder in der Geſtaltung der natürlichen<lb/>
Waſſerwege ſind die Canäle, und zwar in ihrer Form als <hirendition="#g">Schiffahrtscanäle</hi>.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[493/0551]
Dritter Abſchnitt.
Schiffahrtscanäle.
Von dem berühmten engliſchen Ingenieur Brindley rührt der Ausſpruch:
»Die Vorſehung hat die Flüſſe geſchaffen, damit die Menſchen damit
Canäle ſpeiſen können«. Richtiger wäre, zu ſagen, daß die Flüſſe in
ihrem Naturzuſtande modernen Verkehrsanſprüchen nicht Genüge leiſten und daß
ſie dementſprechend ausgebaut und umgeſtaltet werden müſſen. Zwiſchen einem nicht
regulirten, den Launen der Elemente überlaſſenen Fluſſe und einem ſolchen, welcher
mit allem Aufwande moderner techniſcher Hilfsmittel dem Verkehrsleben erſchloſſen
wurde, beſteht ein Unterſchied etwa gleich dem zwiſchen einer alten verwahrloſten
Waſſerſtraße und einem Schienenwege.
Weiter geht indeß der Vergleich nicht. Die Waſſerſtraße iſt ein von der
Natur vorgezeichneter Verkehrsweg, von dem logiſcherweiſe nicht abgewichen werden
kann. Die Anlage eines Schienenweges erfolgt auf Baſis der jeweiligen Bedürf-
niſſe und wird — wenigſtens heutigen Tags — bezüglich ſeiner Lage im Terrain
kaum weſentlich beeinflußt. Handelt es ſich um die Förderung großer Intereſſen,
ſo werden ſelbſt ſehr koſtſpielige, mit Ueberwindung bedeutender örtlicher Hinderniſſe
verbundene Eiſenbahnanlagen durchgeführt. Der Ausgeſtaltung eines Eiſenbahn-
netzes ſtehen daher nennenswerthe Erſchwerniſſe nicht entgegen. Ganz anders verhält
es ſich mit den von der Natur vorgezeichneten Waſſerwegen. Ihre Iſolirtheit von
einander wirkt in hohem Grade ſchädigend auf die Geſammtgeſtaltung des Ver-
kehres zu Waſſer. Kein Wunder alſo, daß von jeher das Beſtreben ſich geltend
machte, wichtige Waſſerſtraßen untereinander durch Schaffung künſtlicher Zwiſchen-
glieder in Verbindung zu bringen, ſei es um ausgedehnte Linien von internatio-
naler Bedeutung aneinander zu gliedern, oder um ein örtlich vielfach verzweigtes
Waſſerſtraßennetz — ähnlich dem der Landwege und Eiſenbahnen — ins Leben
zu rufen.
Die künſtlich hergeſtellten Zwiſchenglieder in der Geſtaltung der natürlichen
Waſſerwege ſind die Canäle, und zwar in ihrer Form als Schiffahrtscanäle.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/551>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.