Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite


Erster Abschnitt.


Hüttenwerke.

Wenn die Einbildungskraft inmitten des modernen Weltgetriebes nach
einem Bilde sucht, das ihr den Geist der Zeit vermitteln soll, wird
sie über all das Flirrende, Bewegliche -- fast möchte man sagen:
irrlichternde -- Haschen und Hasten einer über die Maßen verfeinerten Cultur
erst dort den gewünschten Ruhepunkt finden, wo die materielle Arbeit ihren Thron
aufgeschlagen hat. Er ist nicht prunkhaft, aber ehern -- er flimmert nicht in den
farbigen Lichtern edlen Geschmeides, sondern strahlt in der Helle eines Lichtes, in
dessen Bereich es kein dichterisches Dämmern, kein künstlerisches Gaukelspiel giebt.
Auf diesem Throne sitzen zwei weibliche Gestalten, körperlich fest umrissen und
dennoch sinnbildlich verklärt: Kraft und Energie.

Daß sie nicht blos Phantome, sondern Herrscherinnen von Gottes Gnaden
sind, zeigt ihr Machtbereich, der den gesammten Planeten umfaßt. Die materielle
Arbeit, getragen von der Universalität des Zeitgeistes, hat jene ungeheuere Um-
wälzung auf culturellem Gebiete hervorgerufen, die sich in relativ fabelhaft kurzer
Zeit vollzogen und vor deren Ergebnissen wir mit scheuer Bewunderung stehen.
Man mag sagen was man will, man mag mit koketter Selbstgefälligkeit der
prickelnden Ueberfeinerung unserer ganzen Gedankenwelt, die wie ein Feuerwerk
über das Geschlecht der Gegenwart hinwegknistert, den Spiegel vorhalten und sich
des geistig-sinnlichen Elementes, das all unser Streben und Schaffen durchwärmt,
erfreuen: Großes, wahrhaft Imposantes hat nur die Technik zu Tage gefördert.
Alles Andere ist mehr oder weniger sinnberückendes Gaukelspiel -- die Wunder
der Technik stehen fest und ehern und legen Zeugniß davon ab, daß der schaffende
Mensch noch nicht in die flitterigen Schleier eingehüllt ist, mit welchen die ins
Blaue raisonnirenden Zeitphilosophen unser geistiges Leben einspinnen.

Wir sind nicht ermüdet, wie man behauptet, wir schleichen nicht als decadente
Gespenster durch diese Welt, um nach den Silberfäden einer bizarren Phantasie,
nach den verschwommenen Gestalten künstlerischer und dichterischer Inspirationen zu



Erſter Abſchnitt.


Hüttenwerke.

Wenn die Einbildungskraft inmitten des modernen Weltgetriebes nach
einem Bilde ſucht, das ihr den Geiſt der Zeit vermitteln ſoll, wird
ſie über all das Flirrende, Bewegliche — faſt möchte man ſagen:
irrlichternde — Haſchen und Haſten einer über die Maßen verfeinerten Cultur
erſt dort den gewünſchten Ruhepunkt finden, wo die materielle Arbeit ihren Thron
aufgeſchlagen hat. Er iſt nicht prunkhaft, aber ehern — er flimmert nicht in den
farbigen Lichtern edlen Geſchmeides, ſondern ſtrahlt in der Helle eines Lichtes, in
deſſen Bereich es kein dichteriſches Dämmern, kein künſtleriſches Gaukelſpiel giebt.
Auf dieſem Throne ſitzen zwei weibliche Geſtalten, körperlich feſt umriſſen und
dennoch ſinnbildlich verklärt: Kraft und Energie.

Daß ſie nicht blos Phantome, ſondern Herrſcherinnen von Gottes Gnaden
ſind, zeigt ihr Machtbereich, der den geſammten Planeten umfaßt. Die materielle
Arbeit, getragen von der Univerſalität des Zeitgeiſtes, hat jene ungeheuere Um-
wälzung auf culturellem Gebiete hervorgerufen, die ſich in relativ fabelhaft kurzer
Zeit vollzogen und vor deren Ergebniſſen wir mit ſcheuer Bewunderung ſtehen.
Man mag ſagen was man will, man mag mit koketter Selbſtgefälligkeit der
prickelnden Ueberfeinerung unſerer ganzen Gedankenwelt, die wie ein Feuerwerk
über das Geſchlecht der Gegenwart hinwegkniſtert, den Spiegel vorhalten und ſich
des geiſtig-ſinnlichen Elementes, das all unſer Streben und Schaffen durchwärmt,
erfreuen: Großes, wahrhaft Impoſantes hat nur die Technik zu Tage gefördert.
Alles Andere iſt mehr oder weniger ſinnberückendes Gaukelſpiel — die Wunder
der Technik ſtehen feſt und ehern und legen Zeugniß davon ab, daß der ſchaffende
Menſch noch nicht in die flitterigen Schleier eingehüllt iſt, mit welchen die ins
Blaue raiſonnirenden Zeitphiloſophen unſer geiſtiges Leben einſpinnen.

Wir ſind nicht ermüdet, wie man behauptet, wir ſchleichen nicht als decadente
Geſpenſter durch dieſe Welt, um nach den Silberfäden einer bizarren Phantaſie,
nach den verſchwommenen Geſtalten künſtleriſcher und dichteriſcher Inſpirationen zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0161" n="135"/><lb/><lb/>
          <div n="3">
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi> </hi> </head>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Hüttenwerke.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">W</hi>enn die Einbildungskraft inmitten des modernen Weltgetriebes nach<lb/>
einem Bilde &#x017F;ucht, das ihr den Gei&#x017F;t der Zeit vermitteln &#x017F;oll, wird<lb/>
&#x017F;ie über all das Flirrende, Bewegliche &#x2014; fa&#x017F;t möchte man &#x017F;agen:<lb/>
irrlichternde &#x2014; Ha&#x017F;chen und Ha&#x017F;ten einer über die Maßen verfeinerten Cultur<lb/>
er&#x017F;t dort den gewün&#x017F;chten Ruhepunkt finden, wo die materielle Arbeit ihren Thron<lb/>
aufge&#x017F;chlagen hat. Er i&#x017F;t nicht prunkhaft, aber ehern &#x2014; er flimmert nicht in den<lb/>
farbigen Lichtern edlen Ge&#x017F;chmeides, &#x017F;ondern &#x017F;trahlt in der Helle eines Lichtes, in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Bereich es kein dichteri&#x017F;ches Dämmern, kein kün&#x017F;tleri&#x017F;ches Gaukel&#x017F;piel giebt.<lb/>
Auf die&#x017F;em Throne &#x017F;itzen zwei weibliche Ge&#x017F;talten, körperlich fe&#x017F;t umri&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
dennoch &#x017F;innbildlich verklärt: <hi rendition="#g">Kraft</hi> und <hi rendition="#g">Energie</hi>.</p><lb/>
            <p>Daß &#x017F;ie nicht blos Phantome, &#x017F;ondern Herr&#x017F;cherinnen von Gottes Gnaden<lb/>
&#x017F;ind, zeigt ihr Machtbereich, der den ge&#x017F;ammten Planeten umfaßt. Die materielle<lb/>
Arbeit, getragen von der Univer&#x017F;alität des Zeitgei&#x017F;tes, hat jene ungeheuere Um-<lb/>
wälzung auf culturellem Gebiete hervorgerufen, die &#x017F;ich in relativ fabelhaft kurzer<lb/>
Zeit vollzogen und vor deren Ergebni&#x017F;&#x017F;en wir mit &#x017F;cheuer Bewunderung &#x017F;tehen.<lb/>
Man mag &#x017F;agen was man will, man mag mit koketter Selb&#x017F;tgefälligkeit der<lb/>
prickelnden Ueberfeinerung un&#x017F;erer ganzen Gedankenwelt, die wie ein Feuerwerk<lb/>
über das Ge&#x017F;chlecht der Gegenwart hinwegkni&#x017F;tert, den Spiegel vorhalten und &#x017F;ich<lb/>
des gei&#x017F;tig-&#x017F;innlichen Elementes, das all un&#x017F;er Streben und Schaffen durchwärmt,<lb/>
erfreuen: Großes, wahrhaft Impo&#x017F;antes hat nur die Technik zu Tage gefördert.<lb/>
Alles Andere i&#x017F;t mehr oder weniger &#x017F;innberückendes Gaukel&#x017F;piel &#x2014; die Wunder<lb/>
der Technik &#x017F;tehen fe&#x017F;t und ehern und legen Zeugniß davon ab, daß der &#x017F;chaffende<lb/>
Men&#x017F;ch noch nicht in die flitterigen Schleier eingehüllt i&#x017F;t, mit welchen die ins<lb/>
Blaue rai&#x017F;onnirenden Zeitphilo&#x017F;ophen un&#x017F;er gei&#x017F;tiges Leben ein&#x017F;pinnen.</p><lb/>
            <p>Wir &#x017F;ind nicht ermüdet, wie man behauptet, wir &#x017F;chleichen nicht als decadente<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;ter durch die&#x017F;e Welt, um nach den Silberfäden einer bizarren Phanta&#x017F;ie,<lb/>
nach den ver&#x017F;chwommenen Ge&#x017F;talten kün&#x017F;tleri&#x017F;cher und dichteri&#x017F;cher In&#x017F;pirationen zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0161] Erſter Abſchnitt. Hüttenwerke. Wenn die Einbildungskraft inmitten des modernen Weltgetriebes nach einem Bilde ſucht, das ihr den Geiſt der Zeit vermitteln ſoll, wird ſie über all das Flirrende, Bewegliche — faſt möchte man ſagen: irrlichternde — Haſchen und Haſten einer über die Maßen verfeinerten Cultur erſt dort den gewünſchten Ruhepunkt finden, wo die materielle Arbeit ihren Thron aufgeſchlagen hat. Er iſt nicht prunkhaft, aber ehern — er flimmert nicht in den farbigen Lichtern edlen Geſchmeides, ſondern ſtrahlt in der Helle eines Lichtes, in deſſen Bereich es kein dichteriſches Dämmern, kein künſtleriſches Gaukelſpiel giebt. Auf dieſem Throne ſitzen zwei weibliche Geſtalten, körperlich feſt umriſſen und dennoch ſinnbildlich verklärt: Kraft und Energie. Daß ſie nicht blos Phantome, ſondern Herrſcherinnen von Gottes Gnaden ſind, zeigt ihr Machtbereich, der den geſammten Planeten umfaßt. Die materielle Arbeit, getragen von der Univerſalität des Zeitgeiſtes, hat jene ungeheuere Um- wälzung auf culturellem Gebiete hervorgerufen, die ſich in relativ fabelhaft kurzer Zeit vollzogen und vor deren Ergebniſſen wir mit ſcheuer Bewunderung ſtehen. Man mag ſagen was man will, man mag mit koketter Selbſtgefälligkeit der prickelnden Ueberfeinerung unſerer ganzen Gedankenwelt, die wie ein Feuerwerk über das Geſchlecht der Gegenwart hinwegkniſtert, den Spiegel vorhalten und ſich des geiſtig-ſinnlichen Elementes, das all unſer Streben und Schaffen durchwärmt, erfreuen: Großes, wahrhaft Impoſantes hat nur die Technik zu Tage gefördert. Alles Andere iſt mehr oder weniger ſinnberückendes Gaukelſpiel — die Wunder der Technik ſtehen feſt und ehern und legen Zeugniß davon ab, daß der ſchaffende Menſch noch nicht in die flitterigen Schleier eingehüllt iſt, mit welchen die ins Blaue raiſonnirenden Zeitphiloſophen unſer geiſtiges Leben einſpinnen. Wir ſind nicht ermüdet, wie man behauptet, wir ſchleichen nicht als decadente Geſpenſter durch dieſe Welt, um nach den Silberfäden einer bizarren Phantaſie, nach den verſchwommenen Geſtalten künſtleriſcher und dichteriſcher Inſpirationen zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/161
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/161>, abgerufen am 22.12.2024.