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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
leichtern, ist ein weitgreifender Einfluss der Landesgesetzgebung zuge-
lassen und gestattet, dass die Berufsgenossenschaften die laufende Ver-
waltung an Organe der kommunalen Selbstverwaltung übertragen.

So ist dieselbe z. B. in Preussen an die Provinzialausschüsse und
an die Kreis- bezw. Städteausschüsse überwiesen.

Bei den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, welche für Rech-
nung des Reiches oder eines Bundesstaates verwaltet werden, tritt an
Stelle der Berufsgenossenschaft das Reich bezw. der Staat.

Die Kosten der Unfallversicherung werden in den Berufsgenossen-
schaften nach dem Umlageverfahren durch Beiträge aufgebracht,
welche auf die Mitglieder nach Ablauf eines jeden Jahres umgelegt
werden; dabei wird für jedes Jahr nur derjenige Betrag aufgebracht,
welcher in demselben Jahre aus Anlass der in diesem Jahre oder früher
entstandenen Unfälle bezw. an Verwaltungskosten bar auszuzahlen ge-
wesen ist, und ausserdem derjenige Betrag, welcher in den Reservefond
eingelegt werden muss.

Als Unterlage für die Bemessung der Beiträge dient in den Be-
rufsgenossenschaften im allgemeinen die Höhe des in dem betreffenden
Jahre thatsächlich gezahlten Lohnes und die Gefährlichkeit der Be-
triebe, welche zu diesem Zwecke nach Massgabe von Gefahrentarifen
in Gefahrenklassen eingeschätzt sind. Bei der Land- und Forstwirt-
schaft wird hierzu entweder der abgeschätzte Arbeitsbedarf der be-
treffenden Wirtschaft oder, nach Bestimmung der Statuten oder Landes-
gesetze, eine Steuer, insbesondere die Grundsteuer, benutzt. Letzteres
ist in Bayern, Sachsen, Württemberg und Hessen der Fall. In Preussen
hat man die Wahl des Massstabes den Berufsgenossenschaften anheim-
gestellt, von welchen drei die Umlegung nach dem Arbeitsbedarfe, die
übrigen neun aber jene nach der Grundsteuer beschlossen haben; Baden
hat landesgesetzlich die Einschätzung nach dem Arbeitsbedarfe obliga-
torisch vorgeschrieben.

Die Beamten, welche im Dienste des Reichs, der Bundesstaaten
oder der Kommunen stehen, sind von den Unfallversicherungsgesetzen
deshalb ausgeschlossen, weil die Unfallentschädigung bei diesen Per-
sonen sich thatsächlich als ein Pensionsanspruch oder als ein Teil
der Reliktenfürsorge darstellt. Dabei bestand die Meinung, dass den
in unfallversicherungspflichtigen Betrieben verunglückten Beamten durch
besondere dienstpragmatische Gesetze oder durch besondere statuta-
rische Bestimmungen der betreffenden Kommunalverbände eine gleich-
artige Fürsorge gesichert werden sollte wie den Arbeitern. Solche sog.
Beamten-Unfallgesetze sind auch in allen Staaten erlassen, in
welchen die Beamten nicht ohnehin durch die allgemeinen Bestimmungen
über die Verhältnisse der Staatsbeamten mindestens die durch das Un-
fallversicherungsgesetz den Arbeitern eingeräumten Bezüge geniessen

B. Zweiter (spezieller) Teil.
leichtern, ist ein weitgreifender Einfluſs der Landesgesetzgebung zuge-
lassen und gestattet, daſs die Berufsgenossenschaften die laufende Ver-
waltung an Organe der kommunalen Selbstverwaltung übertragen.

So ist dieselbe z. B. in Preuſsen an die Provinzialausschüsse und
an die Kreis- bezw. Städteausschüsse überwiesen.

Bei den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, welche für Rech-
nung des Reiches oder eines Bundesstaates verwaltet werden, tritt an
Stelle der Berufsgenossenschaft das Reich bezw. der Staat.

Die Kosten der Unfallversicherung werden in den Berufsgenossen-
schaften nach dem Umlageverfahren durch Beiträge aufgebracht,
welche auf die Mitglieder nach Ablauf eines jeden Jahres umgelegt
werden; dabei wird für jedes Jahr nur derjenige Betrag aufgebracht,
welcher in demselben Jahre aus Anlaſs der in diesem Jahre oder früher
entstandenen Unfälle bezw. an Verwaltungskosten bar auszuzahlen ge-
wesen ist, und auſserdem derjenige Betrag, welcher in den Reservefond
eingelegt werden muſs.

Als Unterlage für die Bemessung der Beiträge dient in den Be-
rufsgenossenschaften im allgemeinen die Höhe des in dem betreffenden
Jahre thatsächlich gezahlten Lohnes und die Gefährlichkeit der Be-
triebe, welche zu diesem Zwecke nach Maſsgabe von Gefahrentarifen
in Gefahrenklassen eingeschätzt sind. Bei der Land- und Forstwirt-
schaft wird hierzu entweder der abgeschätzte Arbeitsbedarf der be-
treffenden Wirtschaft oder, nach Bestimmung der Statuten oder Landes-
gesetze, eine Steuer, insbesondere die Grundsteuer, benutzt. Letzteres
ist in Bayern, Sachsen, Württemberg und Hessen der Fall. In Preuſsen
hat man die Wahl des Maſsstabes den Berufsgenossenschaften anheim-
gestellt, von welchen drei die Umlegung nach dem Arbeitsbedarfe, die
übrigen neun aber jene nach der Grundsteuer beschlossen haben; Baden
hat landesgesetzlich die Einschätzung nach dem Arbeitsbedarfe obliga-
torisch vorgeschrieben.

Die Beamten, welche im Dienste des Reichs, der Bundesstaaten
oder der Kommunen stehen, sind von den Unfallversicherungsgesetzen
deshalb ausgeschlossen, weil die Unfallentschädigung bei diesen Per-
sonen sich thatsächlich als ein Pensionsanspruch oder als ein Teil
der Reliktenfürsorge darstellt. Dabei bestand die Meinung, daſs den
in unfallversicherungspflichtigen Betrieben verunglückten Beamten durch
besondere dienstpragmatische Gesetze oder durch besondere statuta-
rische Bestimmungen der betreffenden Kommunalverbände eine gleich-
artige Fürsorge gesichert werden sollte wie den Arbeitern. Solche sog.
Beamten-Unfallgesetze sind auch in allen Staaten erlassen, in
welchen die Beamten nicht ohnehin durch die allgemeinen Bestimmungen
über die Verhältnisse der Staatsbeamten mindestens die durch das Un-
fallversicherungsgesetz den Arbeitern eingeräumten Bezüge genieſsen

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[220/0238] B. Zweiter (spezieller) Teil. leichtern, ist ein weitgreifender Einfluſs der Landesgesetzgebung zuge- lassen und gestattet, daſs die Berufsgenossenschaften die laufende Ver- waltung an Organe der kommunalen Selbstverwaltung übertragen. So ist dieselbe z. B. in Preuſsen an die Provinzialausschüsse und an die Kreis- bezw. Städteausschüsse überwiesen. Bei den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, welche für Rech- nung des Reiches oder eines Bundesstaates verwaltet werden, tritt an Stelle der Berufsgenossenschaft das Reich bezw. der Staat. Die Kosten der Unfallversicherung werden in den Berufsgenossen- schaften nach dem Umlageverfahren durch Beiträge aufgebracht, welche auf die Mitglieder nach Ablauf eines jeden Jahres umgelegt werden; dabei wird für jedes Jahr nur derjenige Betrag aufgebracht, welcher in demselben Jahre aus Anlaſs der in diesem Jahre oder früher entstandenen Unfälle bezw. an Verwaltungskosten bar auszuzahlen ge- wesen ist, und auſserdem derjenige Betrag, welcher in den Reservefond eingelegt werden muſs. Als Unterlage für die Bemessung der Beiträge dient in den Be- rufsgenossenschaften im allgemeinen die Höhe des in dem betreffenden Jahre thatsächlich gezahlten Lohnes und die Gefährlichkeit der Be- triebe, welche zu diesem Zwecke nach Maſsgabe von Gefahrentarifen in Gefahrenklassen eingeschätzt sind. Bei der Land- und Forstwirt- schaft wird hierzu entweder der abgeschätzte Arbeitsbedarf der be- treffenden Wirtschaft oder, nach Bestimmung der Statuten oder Landes- gesetze, eine Steuer, insbesondere die Grundsteuer, benutzt. Letzteres ist in Bayern, Sachsen, Württemberg und Hessen der Fall. In Preuſsen hat man die Wahl des Maſsstabes den Berufsgenossenschaften anheim- gestellt, von welchen drei die Umlegung nach dem Arbeitsbedarfe, die übrigen neun aber jene nach der Grundsteuer beschlossen haben; Baden hat landesgesetzlich die Einschätzung nach dem Arbeitsbedarfe obliga- torisch vorgeschrieben. Die Beamten, welche im Dienste des Reichs, der Bundesstaaten oder der Kommunen stehen, sind von den Unfallversicherungsgesetzen deshalb ausgeschlossen, weil die Unfallentschädigung bei diesen Per- sonen sich thatsächlich als ein Pensionsanspruch oder als ein Teil der Reliktenfürsorge darstellt. Dabei bestand die Meinung, daſs den in unfallversicherungspflichtigen Betrieben verunglückten Beamten durch besondere dienstpragmatische Gesetze oder durch besondere statuta- rische Bestimmungen der betreffenden Kommunalverbände eine gleich- artige Fürsorge gesichert werden sollte wie den Arbeitern. Solche sog. Beamten-Unfallgesetze sind auch in allen Staaten erlassen, in welchen die Beamten nicht ohnehin durch die allgemeinen Bestimmungen über die Verhältnisse der Staatsbeamten mindestens die durch das Un- fallversicherungsgesetz den Arbeitern eingeräumten Bezüge genieſsen

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/238>, abgerufen am 26.04.2024.