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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

Es ist also anzunehmen und auch den thatsächlichen Verhältnissen
entsprechend, dass Flächen bewaldet sind, welche eine anderweitige Be-
nutzung, speziell eine landwirtschaftliche Benutzung, sehr wohl gestatten
und hierbei auch einen höheren Ertrag liefern würden, als dermalen;
anderseits finden sich aber auch ausgedehnte Flächen, welche zweck-
mässiger aufgeforstet werden würden.

Im volkswirtschaftlichen Interesse muss gefordert werden, dass jede
Fläche der Benutzungsweise zugeführt wird, bei welcher sie dauernd
die grösste Bodenrente gewährt und für die Gesamtheit den
höchsten Nutzen abwirft; beide Forderungen fallen in der Regel,
aber nicht immer zusammen; namentlich ist dies nicht der Fall bei
den Waldungen, welche für ihre nähere oder weitere Umgebung die
Eigenschaft eines Schutzwaldes besitzen. Das Interesse des jeweiligen
Besitzers, die höchste Rente zu erzielen, steht hier öfters im Widerspruch
mit den Forderungen des allgemeinen Wohles.

Da es eine Aufgabe der Staatsverwaltung ist, auf eine derartige
Verteilung der Bodenbenutzungsformen hinzuwirken, so liegt jedenfalls
die Veranlassung vor, zunächst mit dem eigenen Besitze zu beginnen.

Zu diesem Zwecke müssen vor allem die zur landwirtschaft-
lichen Benutzung geeigneten, zur Zeit der Forstwirtschaft unter-
worfenen Böden ersterer zugewendet werden, sofern nicht volks-
wirtschaftliche Interessen den Fortbestand des Waldes auf ihnen er-
heischen.1)

So einfach und klar diese Forderung aber an sich erscheint, so
schwierig ist es, sie richtig durchzuführen.

Es besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen der tech-
nischen Möglichkeit, eine bestimmte Fläche landwirtschaftlich zu be-
nutzen, und der wirtschaftlichen Rentabilität eines landwirtschaftlichen
Betriebes.

Wenn man von den Extremen der rauhesten Gebirgslagen, steilen
und steinigen Hängen, sowie eigentlichem Flugsand absieht, sind vielleicht
70 Proz. aller z.Z. bewaldeten Flächen relativer Waldboden (vergl.
S. 10) und fähig, vorübergehend oder bei intensiver Pflege durch
reichliche Düngung, Ent- und Bewässerung vielleicht auch dauernd land-
wirtschaftliche Gewächse zu tragen. Zahlreiche Beispiele in den Gebieten,
wo in grösserem oder kleinerem Massstabe Waldfeldbau getrieben wird,
sowie die so häufig vorkommende Neuanlage von Dienstländereien auf
gerodetem Waldlande, Rodungen von Privatwaldungen u. s. w. bieten
hinreichende Belege hierfür. Es wäre jedoch sehr unrichtig, wenn man
glauben wollte, es sei möglich und zweckmässig, sofort im grossen
Massstabe
mit der Umwandlung von Wald in Feld vorzugehen, um

1) Vgl. Jentsch, Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1890. S. 663.
B. Zweiter (spezieller) Teil.

Es ist also anzunehmen und auch den thatsächlichen Verhältnissen
entsprechend, daſs Flächen bewaldet sind, welche eine anderweitige Be-
nutzung, speziell eine landwirtschaftliche Benutzung, sehr wohl gestatten
und hierbei auch einen höheren Ertrag liefern würden, als dermalen;
anderseits finden sich aber auch ausgedehnte Flächen, welche zweck-
mäſsiger aufgeforstet werden würden.

Im volkswirtschaftlichen Interesse muſs gefordert werden, daſs jede
Fläche der Benutzungsweise zugeführt wird, bei welcher sie dauernd
die gröſste Bodenrente gewährt und für die Gesamtheit den
höchsten Nutzen abwirft; beide Forderungen fallen in der Regel,
aber nicht immer zusammen; namentlich ist dies nicht der Fall bei
den Waldungen, welche für ihre nähere oder weitere Umgebung die
Eigenschaft eines Schutzwaldes besitzen. Das Interesse des jeweiligen
Besitzers, die höchste Rente zu erzielen, steht hier öfters im Widerspruch
mit den Forderungen des allgemeinen Wohles.

Da es eine Aufgabe der Staatsverwaltung ist, auf eine derartige
Verteilung der Bodenbenutzungsformen hinzuwirken, so liegt jedenfalls
die Veranlassung vor, zunächst mit dem eigenen Besitze zu beginnen.

Zu diesem Zwecke müssen vor allem die zur landwirtschaft-
lichen Benutzung geeigneten, zur Zeit der Forstwirtschaft unter-
worfenen Böden ersterer zugewendet werden, sofern nicht volks-
wirtschaftliche Interessen den Fortbestand des Waldes auf ihnen er-
heischen.1)

So einfach und klar diese Forderung aber an sich erscheint, so
schwierig ist es, sie richtig durchzuführen.

Es besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen der tech-
nischen Möglichkeit, eine bestimmte Fläche landwirtschaftlich zu be-
nutzen, und der wirtschaftlichen Rentabilität eines landwirtschaftlichen
Betriebes.

Wenn man von den Extremen der rauhesten Gebirgslagen, steilen
und steinigen Hängen, sowie eigentlichem Flugsand absieht, sind vielleicht
70 Proz. aller z.Z. bewaldeten Flächen relativer Waldboden (vergl.
S. 10) und fähig, vorübergehend oder bei intensiver Pflege durch
reichliche Düngung, Ent- und Bewässerung vielleicht auch dauernd land-
wirtschaftliche Gewächse zu tragen. Zahlreiche Beispiele in den Gebieten,
wo in gröſserem oder kleinerem Maſsstabe Waldfeldbau getrieben wird,
sowie die so häufig vorkommende Neuanlage von Dienstländereien auf
gerodetem Waldlande, Rodungen von Privatwaldungen u. s. w. bieten
hinreichende Belege hierfür. Es wäre jedoch sehr unrichtig, wenn man
glauben wollte, es sei möglich und zweckmäſsig, sofort im groſsen
Maſsstabe
mit der Umwandlung von Wald in Feld vorzugehen, um

1) Vgl. Jentsch, Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1890. S. 663.
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[86/0104] B. Zweiter (spezieller) Teil. Es ist also anzunehmen und auch den thatsächlichen Verhältnissen entsprechend, daſs Flächen bewaldet sind, welche eine anderweitige Be- nutzung, speziell eine landwirtschaftliche Benutzung, sehr wohl gestatten und hierbei auch einen höheren Ertrag liefern würden, als dermalen; anderseits finden sich aber auch ausgedehnte Flächen, welche zweck- mäſsiger aufgeforstet werden würden. Im volkswirtschaftlichen Interesse muſs gefordert werden, daſs jede Fläche der Benutzungsweise zugeführt wird, bei welcher sie dauernd die gröſste Bodenrente gewährt und für die Gesamtheit den höchsten Nutzen abwirft; beide Forderungen fallen in der Regel, aber nicht immer zusammen; namentlich ist dies nicht der Fall bei den Waldungen, welche für ihre nähere oder weitere Umgebung die Eigenschaft eines Schutzwaldes besitzen. Das Interesse des jeweiligen Besitzers, die höchste Rente zu erzielen, steht hier öfters im Widerspruch mit den Forderungen des allgemeinen Wohles. Da es eine Aufgabe der Staatsverwaltung ist, auf eine derartige Verteilung der Bodenbenutzungsformen hinzuwirken, so liegt jedenfalls die Veranlassung vor, zunächst mit dem eigenen Besitze zu beginnen. Zu diesem Zwecke müssen vor allem die zur landwirtschaft- lichen Benutzung geeigneten, zur Zeit der Forstwirtschaft unter- worfenen Böden ersterer zugewendet werden, sofern nicht volks- wirtschaftliche Interessen den Fortbestand des Waldes auf ihnen er- heischen. 1) So einfach und klar diese Forderung aber an sich erscheint, so schwierig ist es, sie richtig durchzuführen. Es besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen der tech- nischen Möglichkeit, eine bestimmte Fläche landwirtschaftlich zu be- nutzen, und der wirtschaftlichen Rentabilität eines landwirtschaftlichen Betriebes. Wenn man von den Extremen der rauhesten Gebirgslagen, steilen und steinigen Hängen, sowie eigentlichem Flugsand absieht, sind vielleicht 70 Proz. aller z.Z. bewaldeten Flächen relativer Waldboden (vergl. S. 10) und fähig, vorübergehend oder bei intensiver Pflege durch reichliche Düngung, Ent- und Bewässerung vielleicht auch dauernd land- wirtschaftliche Gewächse zu tragen. Zahlreiche Beispiele in den Gebieten, wo in gröſserem oder kleinerem Maſsstabe Waldfeldbau getrieben wird, sowie die so häufig vorkommende Neuanlage von Dienstländereien auf gerodetem Waldlande, Rodungen von Privatwaldungen u. s. w. bieten hinreichende Belege hierfür. Es wäre jedoch sehr unrichtig, wenn man glauben wollte, es sei möglich und zweckmäſsig, sofort im groſsen Maſsstabe mit der Umwandlung von Wald in Feld vorzugehen, um 1) Vgl. Jentsch, Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1890. S. 663.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/104>, abgerufen am 26.04.2024.