Die Versammlung stäubte auseinander, aus der ganzen Stadt warf sich Alles in Hast auf die Mauern. Die Stadtthore wurden mit Gräben verschanzt, Steine wurden aufgehäuft, Pallisaden in den Boden gerammelt, das Schlachthorn schmetterte, Mütter und Männer stell¬ ten sich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Ursache so vielen Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden gesenkt, durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und Opfer darzubringen.
Turnus selbst gürtete sich eilig zum Kampfe. Bald starrte er im schuppigen Erzharnische, legte sich die Gold¬ schienen an die Beine, und schnallte sich das Schwert an die Seite. Dann setzte er sich den goldenen Helm aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm Kamilla, hinter sich den Zug ihrer Volsker. Als sie den Helden erblickte, sprang die jungfräuliche Königin vom Rosse, und ihr folgte das ganze Geschwader. Dann sprach sie zu dem Rutulerfürsten: "Turnus, wenn an¬ ders ein Starker mit Recht auf sich selbst vertraut, so ge¬ lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu bestehen, und mich allein mit meinen volskischen Reitern ihm entgegenzu¬ werfen."
Neue Schlacht. Kamilla fällt.
Die Verſammlung ſtäubte auseinander, aus der ganzen Stadt warf ſich Alles in Haſt auf die Mauern. Die Stadtthore wurden mit Gräben verſchanzt, Steine wurden aufgehäuft, Palliſaden in den Boden gerammelt, das Schlachthorn ſchmetterte, Mütter und Männer ſtell¬ ten ſich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Urſache ſo vielen Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden geſenkt, durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und Opfer darzubringen.
Turnus ſelbſt gürtete ſich eilig zum Kampfe. Bald ſtarrte er im ſchuppigen Erzharniſche, legte ſich die Gold¬ ſchienen an die Beine, und ſchnallte ſich das Schwert an die Seite. Dann ſetzte er ſich den goldenen Helm aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm Kamilla, hinter ſich den Zug ihrer Volsker. Als ſie den Helden erblickte, ſprang die jungfräuliche Königin vom Roſſe, und ihr folgte das ganze Geſchwader. Dann ſprach ſie zu dem Rutulerfürſten: „Turnus, wenn an¬ ders ein Starker mit Recht auf ſich ſelbſt vertraut, ſo ge¬ lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu beſtehen, und mich allein mit meinen volskiſchen Reitern ihm entgegenzu¬ werfen.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0435"n="413"/></div><divn="3"><head><hirendition="#b">Neue Schlacht. Kamilla fällt.</hi><lb/></head><p>Die Verſammlung ſtäubte auseinander, aus der<lb/>
ganzen Stadt warf ſich Alles in Haſt auf die Mauern.<lb/>
Die Stadtthore wurden mit Gräben verſchanzt, Steine<lb/>
wurden aufgehäuft, Palliſaden in den Boden gerammelt,<lb/>
das Schlachthorn ſchmetterte, Mütter und Männer ſtell¬<lb/>
ten ſich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf<lb/>
einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an<lb/>
ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Urſache ſo vielen<lb/>
Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden geſenkt,<lb/>
durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der<lb/>
Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und<lb/>
Opfer darzubringen.</p><lb/><p>Turnus ſelbſt gürtete ſich eilig zum Kampfe. Bald<lb/>ſtarrte er im ſchuppigen Erzharniſche, legte ſich die Gold¬<lb/>ſchienen an die Beine, und ſchnallte ſich das Schwert<lb/>
an die Seite. Dann ſetzte er ſich den goldenen Helm<lb/>
aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die<lb/>
Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der<lb/>
Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm<lb/>
Kamilla, hinter ſich den Zug ihrer Volsker. Als ſie den<lb/>
Helden erblickte, ſprang die jungfräuliche Königin vom<lb/>
Roſſe, und ihr folgte das ganze Geſchwader. Dann<lb/>ſprach ſie zu dem Rutulerfürſten: „Turnus, wenn an¬<lb/>
ders ein Starker mit Recht auf ſich ſelbſt vertraut, ſo ge¬<lb/>
lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu beſtehen, und<lb/>
mich allein mit meinen volskiſchen Reitern ihm entgegenzu¬<lb/>
werfen.“<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[413/0435]
Neue Schlacht. Kamilla fällt.
Die Verſammlung ſtäubte auseinander, aus der
ganzen Stadt warf ſich Alles in Haſt auf die Mauern.
Die Stadtthore wurden mit Gräben verſchanzt, Steine
wurden aufgehäuft, Palliſaden in den Boden gerammelt,
das Schlachthorn ſchmetterte, Mütter und Männer ſtell¬
ten ſich in bunten Reihen auf den Mauerkranz. Auf
einem hohen Wagen fuhr die Königin Amata, und an
ihrer Seite ihre Tochter Lavinia, die Urſache ſo vielen
Leides, ihre reizenden Augen auf den Boden geſenkt,
durch den Schwarm der Frauen nach der Burg der
Stadt, um dort im Tempel der Minerva Gebet und
Opfer darzubringen.
Turnus ſelbſt gürtete ſich eilig zum Kampfe. Bald
ſtarrte er im ſchuppigen Erzharniſche, legte ſich die Gold¬
ſchienen an die Beine, und ſchnallte ſich das Schwert
an die Seite. Dann ſetzte er ſich den goldenen Helm
aufs Haupt, und eilte, funkelnd vom Kopfe bis auf die
Sohlen, und frohlockend in Siegeshoffnung, von der
Königsburg hinab. Unter dem Thore begegnete ihm
Kamilla, hinter ſich den Zug ihrer Volsker. Als ſie den
Helden erblickte, ſprang die jungfräuliche Königin vom
Roſſe, und ihr folgte das ganze Geſchwader. Dann
ſprach ſie zu dem Rutulerfürſten: „Turnus, wenn an¬
ders ein Starker mit Recht auf ſich ſelbſt vertraut, ſo ge¬
lobe ich heute, die Schaar des Aeneas zu beſtehen, und
mich allein mit meinen volskiſchen Reitern ihm entgegenzu¬
werfen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/435>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.