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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Odysseus und der Bettler Irus.

Die Freier waren noch immer beisammen, als ein
berüchtigter Bettler aus der Stadt in den Saal trat,
ein ungeheurer Vielfraß, groß von Gestalt, aber ohne
alle Leibeskraft; von Haus aus hieß er Arnäus, aber
die Jugend der Stadt nannte ihn mit einem Unnamen,
Irus, was einen Boten bezeichnete, denn er pflegte um
Lohn Botendienste zu thun. Die Eifersucht führte ihn
herbei, denn er hatte von einem Nebenbuhler gehört, und
so kam er heran, den Odysseus aus seinem eigenen Hause
zu vertreiben. "Weiche von der Thüre, Greis," rief er
beim Eintreten, "siehst du nicht, wie mir Alles mit den
Augen zuwinkt, dich am Fuß hinauszuschleppen? Geh
freiwillig und zwinge mich nicht dazu!" Finster blickte
ihn Odysseus an und sprach: "Die Schwelle hat Raum
für uns beide. Du scheinst mir arm zu seyn wie ich.
Beneide mich nicht, wie ich selbst dir deinen Antheil gönne.
Reize meinen Zorn nicht und fordere mich nicht zum
Faustkampf heraus: so alt ich bin, so möchten dir doch
bald Brust und Lippen bluten, und das Haus dürfte
morgen Ruhe vor dir haben." Jetzt fing Irus nur noch
ärger zu poltern an: "Was schwatzest du da, Fresser,"
sprach er, "was plauderst du wie ein Hökerweib? Ein
paar Streiche von mir rechts und links sollen dir Backen
und Maul zerschmettern, daß dir die Zähne auf den Bo¬
den fallen wie aus einem Schweinsrüssel. Hast du Lust,
es mit einem Jüngling aufzunehmen, wie ich einer bin?"

Schwab, das klass. Alterthum III. 15
Odyſſeus und der Bettler Irus.

Die Freier waren noch immer beiſammen, als ein
berüchtigter Bettler aus der Stadt in den Saal trat,
ein ungeheurer Vielfraß, groß von Geſtalt, aber ohne
alle Leibeskraft; von Haus aus hieß er Arnäus, aber
die Jugend der Stadt nannte ihn mit einem Unnamen,
Irus, was einen Boten bezeichnete, denn er pflegte um
Lohn Botendienſte zu thun. Die Eiferſucht führte ihn
herbei, denn er hatte von einem Nebenbuhler gehört, und
ſo kam er heran, den Odyſſeus aus ſeinem eigenen Hauſe
zu vertreiben. „Weiche von der Thüre, Greis,“ rief er
beim Eintreten, „ſiehſt du nicht, wie mir Alles mit den
Augen zuwinkt, dich am Fuß hinauszuſchleppen? Geh
freiwillig und zwinge mich nicht dazu!“ Finſter blickte
ihn Odyſſeus an und ſprach: „Die Schwelle hat Raum
für uns beide. Du ſcheinſt mir arm zu ſeyn wie ich.
Beneide mich nicht, wie ich ſelbſt dir deinen Antheil gönne.
Reize meinen Zorn nicht und fordere mich nicht zum
Fauſtkampf heraus: ſo alt ich bin, ſo möchten dir doch
bald Bruſt und Lippen bluten, und das Haus dürfte
morgen Ruhe vor dir haben.“ Jetzt fing Irus nur noch
ärger zu poltern an: „Was ſchwatzeſt du da, Freſſer,“
ſprach er, „was plauderſt du wie ein Hökerweib? Ein
paar Streiche von mir rechts und links ſollen dir Backen
und Maul zerſchmettern, daß dir die Zähne auf den Bo¬
den fallen wie aus einem Schweinsrüſſel. Haſt du Luſt,
es mit einem Jüngling aufzunehmen, wie ich einer bin?“

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[225/0247] Odyſſeus und der Bettler Irus. Die Freier waren noch immer beiſammen, als ein berüchtigter Bettler aus der Stadt in den Saal trat, ein ungeheurer Vielfraß, groß von Geſtalt, aber ohne alle Leibeskraft; von Haus aus hieß er Arnäus, aber die Jugend der Stadt nannte ihn mit einem Unnamen, Irus, was einen Boten bezeichnete, denn er pflegte um Lohn Botendienſte zu thun. Die Eiferſucht führte ihn herbei, denn er hatte von einem Nebenbuhler gehört, und ſo kam er heran, den Odyſſeus aus ſeinem eigenen Hauſe zu vertreiben. „Weiche von der Thüre, Greis,“ rief er beim Eintreten, „ſiehſt du nicht, wie mir Alles mit den Augen zuwinkt, dich am Fuß hinauszuſchleppen? Geh freiwillig und zwinge mich nicht dazu!“ Finſter blickte ihn Odyſſeus an und ſprach: „Die Schwelle hat Raum für uns beide. Du ſcheinſt mir arm zu ſeyn wie ich. Beneide mich nicht, wie ich ſelbſt dir deinen Antheil gönne. Reize meinen Zorn nicht und fordere mich nicht zum Fauſtkampf heraus: ſo alt ich bin, ſo möchten dir doch bald Bruſt und Lippen bluten, und das Haus dürfte morgen Ruhe vor dir haben.“ Jetzt fing Irus nur noch ärger zu poltern an: „Was ſchwatzeſt du da, Freſſer,“ ſprach er, „was plauderſt du wie ein Hökerweib? Ein paar Streiche von mir rechts und links ſollen dir Backen und Maul zerſchmettern, daß dir die Zähne auf den Bo¬ den fallen wie aus einem Schweinsrüſſel. Haſt du Luſt, es mit einem Jüngling aufzunehmen, wie ich einer bin?“ Schwab, das klaſſ. Alterthum III. 15

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/247>, abgerufen am 21.11.2024.