Dieser nahm den Königssohn gastfreundlich auf und zeigte sich bereitwillig, den Zug mit ihm zu übernehmen. In¬ dessen kehrten sie unverrichteter Dinge zurück, und als sie die Mauern von Tiryns bestiegen hatten, um mit den Blicken die Gegend durchschweifen und die gestohlenen Rinder irgendwo entdecken zu können, siehe, da bemäch¬ tigte sich der unselige Wahnsinn auf einmal wieder des Heldengeistes; Herkules, von Juno's Zorn getrieben, hielt seinen treuen Freund Iphitus für einen Mitver¬ schworenen des Vaters, und stürzte ihn über die hohen Stadtmauern von Tiryns herab.
Herkules bei Admetus.
Zu der Zeit, als der Held, aus dem Hause des Kö¬ nigs von Dechalia mit Unwillen entwichen, in der Irre umherstreifte, hat sich folgendes begeben. Zu Pherä in Thessalien lebte der edle König Admetus mit seiner jun¬ gen und schönen Gemahlin Alcestis, die ihren Gatten über Alles liebte, von blühenden Kindern umringt, von glücklichen Unterthanen geliebt. In früherer Zeit, als Apollo, der die Cyklopen getödtet hatte, aus dem Olymp entflohen war und sich gezwungen sah, einem Sterblichen dienstbar zu werden, hatte ihn Admetus, der Sohn des Feres, liebreich aufgenommen, und er weidete ihm als Sklave seine Rinder. Seitdem stand er unter dem wirk¬ samen Schutze des später von seinem Vater Jupiter wie¬ der zu Gnaden angenommenen Gottes. Als nun die Lebenszeit des Königs Admetus verstrichen und vom Schicksal ihm der Tod zuerkannt war, da wirkte sein
Dieſer nahm den Königsſohn gaſtfreundlich auf und zeigte ſich bereitwillig, den Zug mit ihm zu übernehmen. In¬ deſſen kehrten ſie unverrichteter Dinge zurück, und als ſie die Mauern von Tiryns beſtiegen hatten, um mit den Blicken die Gegend durchſchweifen und die geſtohlenen Rinder irgendwo entdecken zu können, ſiehe, da bemäch¬ tigte ſich der unſelige Wahnſinn auf einmal wieder des Heldengeiſtes; Herkules, von Juno's Zorn getrieben, hielt ſeinen treuen Freund Iphitus für einen Mitver¬ ſchworenen des Vaters, und ſtürzte ihn über die hohen Stadtmauern von Tiryns herab.
Herkules bei Admetus.
Zu der Zeit, als der Held, aus dem Hauſe des Kö¬ nigs von Dechalia mit Unwillen entwichen, in der Irre umherſtreifte, hat ſich folgendes begeben. Zu Pherä in Theſſalien lebte der edle König Admetus mit ſeiner jun¬ gen und ſchönen Gemahlin Alceſtis, die ihren Gatten über Alles liebte, von blühenden Kindern umringt, von glücklichen Unterthanen geliebt. In früherer Zeit, als Apollo, der die Cyklopen getödtet hatte, aus dem Olymp entflohen war und ſich gezwungen ſah, einem Sterblichen dienſtbar zu werden, hatte ihn Admetus, der Sohn des Feres, liebreich aufgenommen, und er weidete ihm als Sklave ſeine Rinder. Seitdem ſtand er unter dem wirk¬ ſamen Schutze des ſpäter von ſeinem Vater Jupiter wie¬ der zu Gnaden angenommenen Gottes. Als nun die Lebenszeit des Königs Admetus verſtrichen und vom Schickſal ihm der Tod zuerkannt war, da wirkte ſein
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Dieſer nahm den Königsſohn gaſtfreundlich auf und zeigte
ſich bereitwillig, den Zug mit ihm zu übernehmen. In¬
deſſen kehrten ſie unverrichteter Dinge zurück, und als ſie
die Mauern von Tiryns beſtiegen hatten, um mit den
Blicken die Gegend durchſchweifen und die geſtohlenen
Rinder irgendwo entdecken zu können, ſiehe, da bemäch¬
tigte ſich der unſelige Wahnſinn auf einmal wieder des
Heldengeiſtes; Herkules, von Juno's Zorn getrieben,
hielt ſeinen treuen Freund Iphitus für einen Mitver¬
ſchworenen des Vaters, und ſtürzte ihn über die hohen
Stadtmauern von Tiryns herab.
Herkules bei Admetus .
Zu der Zeit, als der Held, aus dem Hauſe des Kö¬
nigs von Dechalia mit Unwillen entwichen, in der Irre
umherſtreifte, hat ſich folgendes begeben. Zu Pherä in
Theſſalien lebte der edle König Admetus mit ſeiner jun¬
gen und ſchönen Gemahlin Alceſtis, die ihren Gatten
über Alles liebte, von blühenden Kindern umringt, von
glücklichen Unterthanen geliebt. In früherer Zeit, als
Apollo, der die Cyklopen getödtet hatte, aus dem Olymp
entflohen war und ſich gezwungen ſah, einem Sterblichen
dienſtbar zu werden, hatte ihn Admetus, der Sohn des
Feres, liebreich aufgenommen, und er weidete ihm als
Sklave ſeine Rinder. Seitdem ſtand er unter dem wirk¬
ſamen Schutze des ſpäter von ſeinem Vater Jupiter wie¬
der zu Gnaden angenommenen Gottes. Als nun die
Lebenszeit des Königs Admetus verſtrichen und vom
Schickſal ihm der Tod zuerkannt war, da wirkte ſein
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/266>, abgerufen am 17.11.2024.
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