Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.VI. Der Besuch, welchen Gabrielle der kleinen Prinzessin gemeldet hat, ist eine alte Bäuerin in einem schwarzen Seidenmantel, der in langen geraden Falten von ihrem Hals herab ihre Gestalt umfließt, und einer großen, weißen Haube über einem schönen, schwarzäugigen Gesicht - die ehemalige Amme Julie's. "Ah Nanon, kommst Du endlich!" ruft Julie, wirft sich in ihre Arme und schmiegt sich an sie wie ein ängstliches Kind, das sich vor dem Gewitter fürchtet; "hast Du ihn gesehen? - Wie geht es ihm?" "Er ist wohler, hat gestern das Bett verlassen - aber sein Herz vergeht vor Sehnsucht." "Armer Freund!" seufzt Julie und versteckt ihr erröthendes Gesichtchen an der Schulter der Alten. "Hat er Dir keinen Brief übergeben für mich?" VI. Der Besuch, welchen Gabrielle der kleinen Prinzessin gemeldet hat, ist eine alte Bäuerin in einem schwarzen Seidenmantel, der in langen geraden Falten von ihrem Hals herab ihre Gestalt umfließt, und einer großen, weißen Haube über einem schönen, schwarzäugigen Gesicht – die ehemalige Amme Julie’s. „Ah Nanon, kommst Du endlich!“ ruft Julie, wirft sich in ihre Arme und schmiegt sich an sie wie ein ängstliches Kind, das sich vor dem Gewitter fürchtet; „hast Du ihn gesehen? – Wie geht es ihm?“ „Er ist wohler, hat gestern das Bett verlassen – aber sein Herz vergeht vor Sehnsucht.“ „Armer Freund!“ seufzt Julie und versteckt ihr erröthendes Gesichtchen an der Schulter der Alten. „Hat er Dir keinen Brief übergeben für mich?“ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0072" n="72"/> <div n="1"> <head>VI.</head> <p>Der Besuch, welchen Gabrielle der kleinen Prinzessin gemeldet hat, ist eine alte Bäuerin in einem schwarzen Seidenmantel, der in langen geraden Falten von ihrem Hals herab ihre Gestalt umfließt, und einer großen, weißen Haube über einem schönen, schwarzäugigen Gesicht – die ehemalige Amme Julie’s.</p> <p>„Ah Nanon, kommst Du endlich!“ ruft Julie, wirft sich in ihre Arme und schmiegt sich an sie wie ein ängstliches Kind, das sich vor dem Gewitter fürchtet; „hast Du ihn gesehen? – Wie geht es ihm?“</p> <p>„Er ist wohler, hat gestern das Bett verlassen – aber sein Herz vergeht vor Sehnsucht.“</p> <p>„Armer Freund!“ seufzt Julie und versteckt ihr erröthendes Gesichtchen an der Schulter der Alten. „Hat er Dir keinen Brief übergeben für mich?“</p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0072]
VI. Der Besuch, welchen Gabrielle der kleinen Prinzessin gemeldet hat, ist eine alte Bäuerin in einem schwarzen Seidenmantel, der in langen geraden Falten von ihrem Hals herab ihre Gestalt umfließt, und einer großen, weißen Haube über einem schönen, schwarzäugigen Gesicht – die ehemalige Amme Julie’s.
„Ah Nanon, kommst Du endlich!“ ruft Julie, wirft sich in ihre Arme und schmiegt sich an sie wie ein ängstliches Kind, das sich vor dem Gewitter fürchtet; „hast Du ihn gesehen? – Wie geht es ihm?“
„Er ist wohler, hat gestern das Bett verlassen – aber sein Herz vergeht vor Sehnsucht.“
„Armer Freund!“ seufzt Julie und versteckt ihr erröthendes Gesichtchen an der Schulter der Alten. „Hat er Dir keinen Brief übergeben für mich?“
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/72>, abgerufen am 23.02.2025. |