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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und Freiheit zu lustwandeln. Wenn ich dies unruhige Herzklopfen recht verstehe, so mengt sich etwas in meine Empfindungen, wogegen meine horazische Weisheit schwerlich wird Stand halten können. Nimm dich in Acht, Samuel! nimm dich in Acht! Ich fürchte, du wirst bald gar nicht mehr wissen, wie es an der Zeit ist; deine Jahre hast du schon halb und halb vergessen.

Nun, Herr, Alles ist gut! rief Paul, als er, nach geraumer Zeit, munter hereintrat. Aber Sie hatten Recht; Gretchen fand meinen Einfall gar nicht fein. Mit genauer Noth hab' ich verhindert, daß sie unsere neuen Kleider wieder ablegte, sobald sie die ihrigen zurück erhalten hatte. Bloß die Vorstellung, welche Freude es Ihnen machen würde, sie in dem Anzuge zu sehen, schien sie nach und nach zu besänftigen. Sie wird kommen, glaub' ich, Ihnen für das Geschenk zu danken. Nu, ich will nichts verrathen: aber sie sieht aus -- wunderschön! und die Schuhe passen auf ein Haar; darnach hab' ich gleich geguckt.

Asmodi! murmelte ich zwischen den Zähnen, -- hebe dich hinweg, Versucher! Da ging die Thür auf, und Gretchen trat mit dem Frühstück herein. Meine unsicheren Blicke glitten von der reizenden Gestalt ab und blieben am Boden haften, so daß die netten Füßchen das Erste waren, was mir in die Augen fiel. Paul hatte Recht; die Schuhe paßten wie angegossen. -- Gretchen lispelte einige Worte von Dank. Ich sah auf und fühlte, daß mir das Blut ins Gesicht stieg, wäh-

und Freiheit zu lustwandeln. Wenn ich dies unruhige Herzklopfen recht verstehe, so mengt sich etwas in meine Empfindungen, wogegen meine horazische Weisheit schwerlich wird Stand halten können. Nimm dich in Acht, Samuel! nimm dich in Acht! Ich fürchte, du wirst bald gar nicht mehr wissen, wie es an der Zeit ist; deine Jahre hast du schon halb und halb vergessen.

Nun, Herr, Alles ist gut! rief Paul, als er, nach geraumer Zeit, munter hereintrat. Aber Sie hatten Recht; Gretchen fand meinen Einfall gar nicht fein. Mit genauer Noth hab' ich verhindert, daß sie unsere neuen Kleider wieder ablegte, sobald sie die ihrigen zurück erhalten hatte. Bloß die Vorstellung, welche Freude es Ihnen machen würde, sie in dem Anzuge zu sehen, schien sie nach und nach zu besänftigen. Sie wird kommen, glaub' ich, Ihnen für das Geschenk zu danken. Nu, ich will nichts verrathen: aber sie sieht aus — wunderschön! und die Schuhe passen auf ein Haar; darnach hab' ich gleich geguckt.

Asmodi! murmelte ich zwischen den Zähnen, — hebe dich hinweg, Versucher! Da ging die Thür auf, und Gretchen trat mit dem Frühstück herein. Meine unsicheren Blicke glitten von der reizenden Gestalt ab und blieben am Boden haften, so daß die netten Füßchen das Erste waren, was mir in die Augen fiel. Paul hatte Recht; die Schuhe paßten wie angegossen. — Gretchen lispelte einige Worte von Dank. Ich sah auf und fühlte, daß mir das Blut ins Gesicht stieg, wäh-

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[0047] und Freiheit zu lustwandeln. Wenn ich dies unruhige Herzklopfen recht verstehe, so mengt sich etwas in meine Empfindungen, wogegen meine horazische Weisheit schwerlich wird Stand halten können. Nimm dich in Acht, Samuel! nimm dich in Acht! Ich fürchte, du wirst bald gar nicht mehr wissen, wie es an der Zeit ist; deine Jahre hast du schon halb und halb vergessen. Nun, Herr, Alles ist gut! rief Paul, als er, nach geraumer Zeit, munter hereintrat. Aber Sie hatten Recht; Gretchen fand meinen Einfall gar nicht fein. Mit genauer Noth hab' ich verhindert, daß sie unsere neuen Kleider wieder ablegte, sobald sie die ihrigen zurück erhalten hatte. Bloß die Vorstellung, welche Freude es Ihnen machen würde, sie in dem Anzuge zu sehen, schien sie nach und nach zu besänftigen. Sie wird kommen, glaub' ich, Ihnen für das Geschenk zu danken. Nu, ich will nichts verrathen: aber sie sieht aus — wunderschön! und die Schuhe passen auf ein Haar; darnach hab' ich gleich geguckt. Asmodi! murmelte ich zwischen den Zähnen, — hebe dich hinweg, Versucher! Da ging die Thür auf, und Gretchen trat mit dem Frühstück herein. Meine unsicheren Blicke glitten von der reizenden Gestalt ab und blieben am Boden haften, so daß die netten Füßchen das Erste waren, was mir in die Augen fiel. Paul hatte Recht; die Schuhe paßten wie angegossen. — Gretchen lispelte einige Worte von Dank. Ich sah auf und fühlte, daß mir das Blut ins Gesicht stieg, wäh-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/47>, abgerufen am 26.04.2024.