Jch rathe eben nicht, daß man sichs angewöhne, so plan zu schreiben. Man gebe der Sache eine klei- ne Wendung. Man besinne sich auf den Abend der Welt, und spreche:
Der Abend der Welt wird hereinbrechen, ehe sich die Meynungen über diese Sache vereinigen werden.
Sagt man auch der Mittag der Welt? die Mit- ternacht der Welt? Herr Bodmer singet da- her in seiner Elegie, auf das Absterben seines Soh- nes, sehr geistig. Er will sagen: Heute werde ich mit Erzählung dieser Sache nicht fertig. Wie male- risch drücket er diesen gemeinen Gedanken nicht aus?
-- -- eh würden dunkle Schatten Den Himmel überziehn, und diesen Tag bestatten.
Warum ist doch unsere Welt bey einem täglichen Begräbnisse des Tages so gleichgültig!
Abzählen.
Bedeutet nach meiner Meynung, von mehrern Stücken eine gewisse Zahl absondern. So zählet man z. E. von zwölf Thalern vier Tha- ler zu einer bestimmten Ausgabe ab. Man wird aber aus verschiedenen Schriften einen bessern Ge- brauch dieses Wortes lernen, welches in Trauerre- den von großem Nachdrucke ist. Jch setze als be- kannt voraus, daß ein Redner die Gabe habe, in traurigen Fällen erhaben zu denken, und hoch zu sprechen. Es ist eine allgemeine Meynung, daß der Mensch sterben muß, wann seine Zeit da ist. So matt spricht man zwar im gemeinen Leben; und alsdenn ist auch der Ausdruck gut. Ein Trauer-
redner
Ab
Jch rathe eben nicht, daß man ſichs angewoͤhne, ſo plan zu ſchreiben. Man gebe der Sache eine klei- ne Wendung. Man beſinne ſich auf den Abend der Welt, und ſpreche:
Der Abend der Welt wird hereinbrechen, ehe ſich die Meynungen uͤber dieſe Sache vereinigen werden.
Sagt man auch der Mittag der Welt? die Mit- ternacht der Welt? Herr Bodmer ſinget da- her in ſeiner Elegie, auf das Abſterben ſeines Soh- nes, ſehr geiſtig. Er will ſagen: Heute werde ich mit Erzaͤhlung dieſer Sache nicht fertig. Wie male- riſch druͤcket er dieſen gemeinen Gedanken nicht aus?
— — eh wuͤrden dunkle Schatten Den Himmel uͤberziehn, und dieſen Tag beſtatten.
Warum iſt doch unſere Welt bey einem taͤglichen Begraͤbniſſe des Tages ſo gleichguͤltig!
Abzaͤhlen.
Bedeutet nach meiner Meynung, von mehrern Stuͤcken eine gewiſſe Zahl abſondern. So zaͤhlet man z. E. von zwoͤlf Thalern vier Tha- ler zu einer beſtimmten Ausgabe ab. Man wird aber aus verſchiedenen Schriften einen beſſern Ge- brauch dieſes Wortes lernen, welches in Trauerre- den von großem Nachdrucke iſt. Jch ſetze als be- kannt voraus, daß ein Redner die Gabe habe, in traurigen Faͤllen erhaben zu denken, und hoch zu ſprechen. Es iſt eine allgemeine Meynung, daß der Menſch ſterben muß, wann ſeine Zeit da iſt. So matt ſpricht man zwar im gemeinen Leben; und alsdenn iſt auch der Ausdruck gut. Ein Trauer-
redner
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Ab
Jch rathe eben nicht, daß man ſichs angewoͤhne, ſo
plan zu ſchreiben. Man gebe der Sache eine klei-
ne Wendung. Man beſinne ſich auf den Abend
der Welt, und ſpreche:
Der Abend der Welt wird hereinbrechen,
ehe ſich die Meynungen uͤber dieſe Sache
vereinigen werden.
Sagt man auch der Mittag der Welt? die Mit-
ternacht der Welt? Herr Bodmer ſinget da-
her in ſeiner Elegie, auf das Abſterben ſeines Soh-
nes, ſehr geiſtig. Er will ſagen: Heute werde ich
mit Erzaͤhlung dieſer Sache nicht fertig. Wie male-
riſch druͤcket er dieſen gemeinen Gedanken nicht aus?
— — eh wuͤrden dunkle Schatten
Den Himmel uͤberziehn, und dieſen Tag
beſtatten.
Warum iſt doch unſere Welt bey einem taͤglichen
Begraͤbniſſe des Tages ſo gleichguͤltig!
Abzaͤhlen. Bedeutet nach meiner Meynung, von
mehrern Stuͤcken eine gewiſſe Zahl abſondern.
So zaͤhlet man z. E. von zwoͤlf Thalern vier Tha-
ler zu einer beſtimmten Ausgabe ab. Man wird
aber aus verſchiedenen Schriften einen beſſern Ge-
brauch dieſes Wortes lernen, welches in Trauerre-
den von großem Nachdrucke iſt. Jch ſetze als be-
kannt voraus, daß ein Redner die Gabe habe, in
traurigen Faͤllen erhaben zu denken, und hoch zu
ſprechen. Es iſt eine allgemeine Meynung, daß
der Menſch ſterben muß, wann ſeine Zeit da iſt.
So matt ſpricht man zwar im gemeinen Leben; und
alsdenn iſt auch der Ausdruck gut. Ein Trauer-
redner
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/54>, abgerufen am 21.11.2024.
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