sie nicht Schnürleiber an? Wer sich etwas leb- haft vorstellen kann: der denke sich einmal einen solchen Tanz! So wie sich Harlekin dennoch am Segen in der bischöflichen Tracht verrieth: so verräth sich der Hr. Magister auch am Wackeln. Wir möchten den Hn. wohl einmal tanzen sehen. Gehen die Verse auch nicht recht zu Tanze? Hier- auf folget ein schön Soldaten- und Jägerballet. Jm obigen Tanze trug Tirza ein Lamm unterm Arme. Wo das nun in der Angst was verlohren hat? Wie werden dann die Damen nicht auf Schaafmiste getanzet haben!
Taub.
Jn den alten Postillen lesen wir, daß der Heyland einen Tauben geheilet habe. Unsere hei- ligen Redner, die eben so zahlreich, als die Postil- lenschreiber, werden, unterscheiden sich in ihrer Schreibart himmelweit von der Einfalt der Alten. Es ist ihre Schuldigkeit, und die gelehrte Welt hat den größten Nutzen davon. Man nehme die Re- densart: der Heyland hat einen Tauben geheilet, und halte folgendes Blümchen dagegen:
"Der Heyland heilete einen Menschen, "dessen beyde an dem Haupte sonst "künstlich geöffnete Gänge, deren wir uns "bedienen, den uns von der Luft zugetra- "genen Schall zu sammlen, zu verneh- "men, und zu unterscheiden, von seiner "Gebuhrt an verstopfet waren."
Jch bekenne es, daß ich nicht eben täglich so glück- lich bin, solche herrliche Beschreibungen auszuspä- hen. Das Kerniche, Volle, Schöne, und das
Uner-
Ta
ſie nicht Schnuͤrleiber an? Wer ſich etwas leb- haft vorſtellen kann: der denke ſich einmal einen ſolchen Tanz! So wie ſich Harlekin dennoch am Segen in der biſchoͤflichen Tracht verrieth: ſo verraͤth ſich der Hr. Magiſter auch am Wackeln. Wir moͤchten den Hn. wohl einmal tanzen ſehen. Gehen die Verſe auch nicht recht zu Tanze? Hier- auf folget ein ſchoͤn Soldaten- und Jaͤgerballet. Jm obigen Tanze trug Tirza ein Lamm unterm Arme. Wo das nun in der Angſt was verlohren hat? Wie werden dann die Damen nicht auf Schaafmiſte getanzet haben!
Taub.
Jn den alten Poſtillen leſen wir, daß der Heyland einen Tauben geheilet habe. Unſere hei- ligen Redner, die eben ſo zahlreich, als die Poſtil- lenſchreiber, werden, unterſcheiden ſich in ihrer Schreibart himmelweit von der Einfalt der Alten. Es iſt ihre Schuldigkeit, und die gelehrte Welt hat den groͤßten Nutzen davon. Man nehme die Re- densart: der Heyland hat einen Tauben geheilet, und halte folgendes Bluͤmchen dagegen:
“Der Heyland heilete einen Menſchen, “deſſen beyde an dem Haupte ſonſt “kuͤnſtlich geoͤffnete Gaͤnge, deren wir uns “bedienen, den uns von der Luft zugetra- “genen Schall zu ſammlen, zu verneh- “men, und zu unterſcheiden, von ſeiner “Gebuhrt an verſtopfet waren.”
Jch bekenne es, daß ich nicht eben taͤglich ſo gluͤck- lich bin, ſolche herrliche Beſchreibungen auszuſpaͤ- hen. Das Kerniche, Volle, Schoͤne, und das
Uner-
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ſolchen Tanz! So wie ſich Harlekin dennoch am
Segen in der biſchoͤflichen Tracht verrieth: ſo
verraͤth ſich der Hr. Magiſter auch am Wackeln.
Wir moͤchten den Hn. wohl einmal tanzen ſehen.
Gehen die Verſe auch nicht recht zu Tanze? Hier-
auf folget ein ſchoͤn Soldaten- und Jaͤgerballet.
Jm obigen Tanze trug Tirza ein Lamm unterm
Arme. Wo das nun in der Angſt was verlohren
hat? Wie werden dann die Damen nicht auf
Schaafmiſte getanzet haben!
Taub. Jn den alten Poſtillen leſen wir, daß der
Heyland einen Tauben geheilet habe. Unſere hei-
ligen Redner, die eben ſo zahlreich, als die Poſtil-
lenſchreiber, werden, unterſcheiden ſich in ihrer
Schreibart himmelweit von der Einfalt der Alten.
Es iſt ihre Schuldigkeit, und die gelehrte Welt hat
den groͤßten Nutzen davon. Man nehme die Re-
densart: der Heyland hat einen Tauben geheilet,
und halte folgendes Bluͤmchen dagegen:
“Der Heyland heilete einen Menſchen,
“deſſen beyde an dem Haupte ſonſt
“kuͤnſtlich geoͤffnete Gaͤnge, deren wir uns
“bedienen, den uns von der Luft zugetra-
“genen Schall zu ſammlen, zu verneh-
“men, und zu unterſcheiden, von ſeiner
“Gebuhrt an verſtopfet waren.”
Jch bekenne es, daß ich nicht eben taͤglich ſo gluͤck-
lich bin, ſolche herrliche Beſchreibungen auszuſpaͤ-
hen. Das Kerniche, Volle, Schoͤne, und das
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/439>, abgerufen am 04.03.2025.
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