Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Ke

Wir bewundern anbey die Zweydeutigkeit; denn
Hr. Tenzel kann sowohl die Schlünde oder Gru-
ben,
und auch die Winde gedämpfet sehen.
Wie unerschöpflich sind doch die Mittelwörter an
Erfindungen!

Kern.

Jch werde keine Erklärung von diesem unent-
behrlichen Worte geben. Man weiß es doch wohl,
daß in unsern Tagen das Kernichte scharf untersu-
chet wird. Das Kernichte in Gedichten, das
Kernichte in Reden,
gehöret in die Kritik, und
nicht ins Wörterbuch. Man schlage den Clerc
nach, in seiner arte critica, den ersten Band,
den andern Theil, das 8te und 9te Capitel. Ge-
wiß kann ich nicht behaupten, ob Clerc dieses Wor-
tes gedacht habe. Genug! das Kernichte gehöret
zu diesen beyden Capiteln. Jch will nur den Red-
nern zum Troste die Schönheit dieses Wörtchens
anzeigen. Diejenigen, die mit dem Grundtexte,
und dessen mannigfältigen Erklärungen viel zu
schaffen haben, ehe sie eine Sache an ihren Ort ge-
stellet seyn lassen; diese, sage ich, können hier ei-
ne Zierlichkeit finden. Ein altmodischer Schrift-
steller bleibt bey seiner Leyer und Einfalt. Er
schreibet:

Der Spruch hat keinen Verstand, wann
wir diese Meynung annehmen.

Das ist ein einfältiger und grober Ausdruck! Wer
wollte so unartig freveln, und die Ausleger so hart
widerlegen! Heutiges Tages muß man höflich seyn.
Man schreibe doch lieber mit Buttstädten:
Der Kern des Jnhalts, der sonst in dieser

Stel-
Ke

Wir bewundern anbey die Zweydeutigkeit; denn
Hr. Tenzel kann ſowohl die Schluͤnde oder Gru-
ben,
und auch die Winde gedaͤmpfet ſehen.
Wie unerſchoͤpflich ſind doch die Mittelwoͤrter an
Erfindungen!

Kern.

Jch werde keine Erklaͤrung von dieſem unent-
behrlichen Worte geben. Man weiß es doch wohl,
daß in unſern Tagen das Kernichte ſcharf unterſu-
chet wird. Das Kernichte in Gedichten, das
Kernichte in Reden,
gehoͤret in die Kritik, und
nicht ins Woͤrterbuch. Man ſchlage den Clerc
nach, in ſeiner arte critica, den erſten Band,
den andern Theil, das 8te und 9te Capitel. Ge-
wiß kann ich nicht behaupten, ob Clerc dieſes Wor-
tes gedacht habe. Genug! das Kernichte gehoͤret
zu dieſen beyden Capiteln. Jch will nur den Red-
nern zum Troſte die Schoͤnheit dieſes Woͤrtchens
anzeigen. Diejenigen, die mit dem Grundtexte,
und deſſen mannigfaͤltigen Erklaͤrungen viel zu
ſchaffen haben, ehe ſie eine Sache an ihren Ort ge-
ſtellet ſeyn laſſen; dieſe, ſage ich, koͤnnen hier ei-
ne Zierlichkeit finden. Ein altmodiſcher Schrift-
ſteller bleibt bey ſeiner Leyer und Einfalt. Er
ſchreibet:

Der Spruch hat keinen Verſtand, wann
wir dieſe Meynung annehmen.

Das iſt ein einfaͤltiger und grober Ausdruck! Wer
wollte ſo unartig freveln, und die Ausleger ſo hart
widerlegen! Heutiges Tages muß man hoͤflich ſeyn.
Man ſchreibe doch lieber mit Buttſtaͤdten:
Der Kern des Jnhalts, der ſonſt in dieſer

Stel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0268" n="242"/>
            <fw place="top" type="header">Ke</fw><lb/>
            <p>Wir bewundern anbey die Zweydeutigkeit; denn<lb/><hi rendition="#fr">Hr. Tenzel</hi> kann &#x017F;owohl die <hi rendition="#fr">Schlu&#x0364;nde</hi> oder <hi rendition="#fr">Gru-<lb/>
ben,</hi> und auch die <hi rendition="#fr">Winde geda&#x0364;mpfet</hi> &#x017F;ehen.<lb/>
Wie uner&#x017F;cho&#x0364;pflich &#x017F;ind doch die <hi rendition="#fr">Mittelwo&#x0364;rter</hi> an<lb/>
Erfindungen!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Kern.</head>
            <p>Jch werde keine Erkla&#x0364;rung von die&#x017F;em unent-<lb/>
behrlichen Worte geben. Man weiß es doch wohl,<lb/>
daß in un&#x017F;ern Tagen <hi rendition="#fr">das Kernichte</hi> &#x017F;charf unter&#x017F;u-<lb/>
chet wird. <hi rendition="#fr">Das Kernichte in Gedichten, das<lb/>
Kernichte in Reden,</hi> geho&#x0364;ret <hi rendition="#fr">in die Kritik,</hi> und<lb/>
nicht ins Wo&#x0364;rterbuch. Man &#x017F;chlage <hi rendition="#fr">den Clerc</hi><lb/>
nach, in &#x017F;einer <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">arte critica,</hi></hi> den er&#x017F;ten Band,<lb/>
den andern Theil, das 8te und 9te Capitel. Ge-<lb/>
wiß kann ich nicht behaupten, ob <hi rendition="#fr">Clerc</hi> die&#x017F;es Wor-<lb/>
tes gedacht habe. Genug! <hi rendition="#fr">das Kernichte</hi> geho&#x0364;ret<lb/>
zu die&#x017F;en beyden Capiteln. Jch will nur den Red-<lb/>
nern zum Tro&#x017F;te die Scho&#x0364;nheit die&#x017F;es Wo&#x0364;rtchens<lb/>
anzeigen. Diejenigen, die mit dem Grundtexte,<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;en mannigfa&#x0364;ltigen Erkla&#x0364;rungen viel zu<lb/>
&#x017F;chaffen haben, ehe &#x017F;ie eine Sache an ihren Ort ge-<lb/>
&#x017F;tellet &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en; die&#x017F;e, &#x017F;age ich, ko&#x0364;nnen hier ei-<lb/>
ne Zierlichkeit finden. Ein altmodi&#x017F;cher Schrift-<lb/>
&#x017F;teller bleibt bey &#x017F;einer Leyer und Einfalt. Er<lb/>
&#x017F;chreibet:</p><lb/>
            <cit>
              <quote> <hi rendition="#fr">Der Spruch hat keinen Ver&#x017F;tand, wann<lb/>
wir die&#x017F;e Meynung annehmen.</hi> </quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Das i&#x017F;t ein einfa&#x0364;ltiger und grober Ausdruck! Wer<lb/>
wollte &#x017F;o unartig freveln, und die Ausleger &#x017F;o hart<lb/>
widerlegen! Heutiges Tages muß man ho&#x0364;flich &#x017F;eyn.<lb/>
Man &#x017F;chreibe doch lieber mit Butt&#x017F;ta&#x0364;dten:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Der Kern des Jnhalts, der &#x017F;on&#x017F;t in die&#x017F;er</hi></hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Stel-</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0268] Ke Wir bewundern anbey die Zweydeutigkeit; denn Hr. Tenzel kann ſowohl die Schluͤnde oder Gru- ben, und auch die Winde gedaͤmpfet ſehen. Wie unerſchoͤpflich ſind doch die Mittelwoͤrter an Erfindungen! Kern. Jch werde keine Erklaͤrung von dieſem unent- behrlichen Worte geben. Man weiß es doch wohl, daß in unſern Tagen das Kernichte ſcharf unterſu- chet wird. Das Kernichte in Gedichten, das Kernichte in Reden, gehoͤret in die Kritik, und nicht ins Woͤrterbuch. Man ſchlage den Clerc nach, in ſeiner arte critica, den erſten Band, den andern Theil, das 8te und 9te Capitel. Ge- wiß kann ich nicht behaupten, ob Clerc dieſes Wor- tes gedacht habe. Genug! das Kernichte gehoͤret zu dieſen beyden Capiteln. Jch will nur den Red- nern zum Troſte die Schoͤnheit dieſes Woͤrtchens anzeigen. Diejenigen, die mit dem Grundtexte, und deſſen mannigfaͤltigen Erklaͤrungen viel zu ſchaffen haben, ehe ſie eine Sache an ihren Ort ge- ſtellet ſeyn laſſen; dieſe, ſage ich, koͤnnen hier ei- ne Zierlichkeit finden. Ein altmodiſcher Schrift- ſteller bleibt bey ſeiner Leyer und Einfalt. Er ſchreibet: Der Spruch hat keinen Verſtand, wann wir dieſe Meynung annehmen. Das iſt ein einfaͤltiger und grober Ausdruck! Wer wollte ſo unartig freveln, und die Ausleger ſo hart widerlegen! Heutiges Tages muß man hoͤflich ſeyn. Man ſchreibe doch lieber mit Buttſtaͤdten: Der Kern des Jnhalts, der ſonſt in dieſer Stel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/268
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/268>, abgerufen am 21.11.2024.