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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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auszog, und selbiges ohne sein Vermercken auf den
Boden fallen ließ, weßwegen ich mein Schnupff-
Tuch darauf warff, und beydes zugleich aufnahm.
Mein Schatz wurde dieses nicht gewahr, sondern
eilete hurtig fort, ich aber verfügte mich auch ge-
schwind in meine Schlaff-Cammer, wickelte das
versiegelt gewesene Billet auf, und fand darinnen
folgende Worte, welche ich auswendig gelernet,
auch nimmermehr vergessen werde:

Mein Allerliebster!

VJer Nächte habt ihr zu meinem grösten
Vergnügen bey mir zugebracht, aber
wo dann die 3 darauf folgenden: Bey eurer
Liebsten nicht, das weiß ich gewiß, und
wolte wohl errathen wo sonsten. Allein,
ich will voritzo die Liebe mehr als die Eifer-
sucht über mich herrschen lassen, und bitten,
daß ihr mir die Gefälligkeit erzeiger, und

puncto 12. Uhr zu mir kommet, denn die Thür
ist offen, und alles wohl bestellet, weil mein
Wiedersacher wenigstens in 3. Tagen nicht
wieder kömmt. Vergnüget nur mich, und
das, was ihr mir unter das Hertze verschafft
habt, diese Nacht noch einmahl zu guter
letzte, weil ich doch wohl glaube, daß ihr
nachhero von eurer Liebste nicht viel wer-
der abkommen können. Setzet dem Stöh-
rer unseres Vergnügens noch ein rechtschaf-
fenes Horn auf, ehe ihr selbst in die Sclave-
rey gerathet, welche ich so wohl als mein

eige-

auszog, und ſelbiges ohne ſein Vermercken auf den
Boden fallen ließ, weßwegen ich mein Schnupff-
Tuch darauf warff, und beydes zugleich aufnahm.
Mein Schatz wurde dieſes nicht gewahr, ſondern
eilete hurtig fort, ich aber verfuͤgte mich auch ge-
ſchwind in meine Schlaff-Cammer, wickelte das
verſiegelt geweſene Billet auf, und fand darinnen
folgende Worte, welche ich auswendig gelernet,
auch nimmermehr vergeſſen werde:

Mein Allerliebſter!

VJer Naͤchte habt ihr zu meinem groͤſten
Vergnuͤgen bey mir zugebracht, aber
wo dann die 3 darauf folgenden: Bey eurer
Liebſten nicht, das weiß ich gewiß, und
wolte wohl errathen wo ſonſten. Allein,
ich will voritzo die Liebe mehr als die Eifer-
ſucht uͤber mich herrſchen laſſen, und bitten,
daß ihr mir die Gefaͤlligkeit erzeiger, und

puncto 12. Uhr zu mir kommet, denn die Thuͤr
iſt offen, und alles wohl beſtellet, weil mein
Wiederſacher wenigſtens in 3. Tagen nicht
wieder koͤmmt. Vergnuͤget nur mich, und
das, was ihr mir unter das Hertze verſchafft
habt, dieſe Nacht noch einmahl zu guter
letzte, weil ich doch wohl glaube, daß ihr
nachhero von eurer Liebſte nicht viel wer-
der abkommen koͤnnen. Setzet dem Stoͤh-
rer unſeres Vergnuͤgens noch ein rechtſchaf-
fenes Horn auf, ehe ihr ſelbſt in die Sclave-
rey gerathet, welche ich ſo wohl als mein

eige-
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[155/0163] auszog, und ſelbiges ohne ſein Vermercken auf den Boden fallen ließ, weßwegen ich mein Schnupff- Tuch darauf warff, und beydes zugleich aufnahm. Mein Schatz wurde dieſes nicht gewahr, ſondern eilete hurtig fort, ich aber verfuͤgte mich auch ge- ſchwind in meine Schlaff-Cammer, wickelte das verſiegelt geweſene Billet auf, und fand darinnen folgende Worte, welche ich auswendig gelernet, auch nimmermehr vergeſſen werde: Mein Allerliebſter! VJer Naͤchte habt ihr zu meinem groͤſten Vergnuͤgen bey mir zugebracht, aber wo dann die 3 darauf folgenden: Bey eurer Liebſten nicht, das weiß ich gewiß, und wolte wohl errathen wo ſonſten. Allein, ich will voritzo die Liebe mehr als die Eifer- ſucht uͤber mich herrſchen laſſen, und bitten, daß ihr mir die Gefaͤlligkeit erzeiger, und puncto 12. Uhr zu mir kommet, denn die Thuͤr iſt offen, und alles wohl beſtellet, weil mein Wiederſacher wenigſtens in 3. Tagen nicht wieder koͤmmt. Vergnuͤget nur mich, und das, was ihr mir unter das Hertze verſchafft habt, dieſe Nacht noch einmahl zu guter letzte, weil ich doch wohl glaube, daß ihr nachhero von eurer Liebſte nicht viel wer- der abkommen koͤnnen. Setzet dem Stoͤh- rer unſeres Vergnuͤgens noch ein rechtſchaf- fenes Horn auf, ehe ihr ſelbſt in die Sclave- rey gerathet, welche ich ſo wohl als mein eige-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/163>, abgerufen am 21.12.2024.