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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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III.
WESEN DER METHODE ÜBERHAUPT

Wir verstehen unter Methode ein nach Grundsätzen geregeltes Ver-
fahren zur Erreichung eines bestimmten Zweckes. Die Methode der
Volkswirtschaftslehre ist das nach wissenschaftlichen Grundsätzen vor-
gehende Verfahren, das der fortschreitenden Erkenntnis der Volks-
wirtschaft dient und dienen soll, das ein vollständiges Bild der Volks-
wirtschaft nach Raum und Zeit, nach Maß und historischer Folge zu
entwerfen, die volkswirtschaftlichen Erscheinungen dem vergleichen-
den und unterscheidenden Denken zu unterwerfen, sie unter ein ein-
heitliches System von Begriffen zu ordnen, sie zu klassifizieren und in
der Form eines einheitlichen Zusammenhanges zu begreifen behilflich
sein soll.

Die Methode der einzelnen Wissenschaft wird bestimmt:
1. durch den Standpunkt, den die menschliche Erkenntnisgewinnung
überhaupt zur Zeit erreicht hat, d. h. durch die Erkenntnistheorie und
Methodenlehre der Zeit überhaupt, welche für alles menschliche Den-
ken und Erkennen in den Grundzügen nur eine einheitliche sein
kann; die Anwendung empirischer Beobachtung z. B., wie sie Bacon
zuerst energischer forderte, hat fast auf alle Wissenschaften einen
bedeutungsvollen Einfluß ausgeübt. Die Hegelsche Dialektik hat ihre
Wirkung fast auf alle Wissenschaften, jedenfalls auch auf die Wissen-
schaften vom Staate und von der Volkswirtschaft erstreckt.

2. Wird diese Methode bestimmt durch die spezielle Natur des zu er-
forschenden Gegenstandes: wie die Mathematik ein anderes Verfahren
hat als die Physik, diese als die Physiologie, so haben die Geistes-
wissenschaften im ganzen andere Methoden als die Naturwissenschaften,
in ihnen wieder die Psychologie andere als die Staats- und Gesellschafts-
wissenschaften3. Je komplizierter ein Wissensgebiet ist, je mehr es
die Erscheinungen einfacherer Art mit einschließt, desto häufiger ist
für dasselbe die Forderung aufgestellt worden, daß die Methoden zur
Erforschung der einfacheren, aber hier mit eingeschlossenen Er-
scheinungen zugleich zu partiellen Methoden dieses Gebietes werden
müßten. Das ist bis auf einen gewissen Grad wahr. Naturwissenschaft-
liche und mathematische Methoden sind z. B. für manche volkswirt-
schaftliche Fragen ein notwendiges Hilfsmittel; psychologische sind
unentbehrlich für alle Geisteswissenschaften. Aber da gleichmäßige
Herrschaft über alle Wissenschaften und ihre Methoden durch die Be-
schränktheit des menschlichen Geistes ausgeschlossen ist, so bleibt die
Einarbeitung in die eigentümlichen Methoden der eigenen Wissenschaft
doch stets die Hauptsache. Und speziell in den Gesellschafts- und

III.
WESEN DER METHODE ÜBERHAUPT

Wir verstehen unter Methode ein nach Grundsätzen geregeltes Ver-
fahren zur Erreichung eines bestimmten Zweckes. Die Methode der
Volkswirtschaftslehre ist das nach wissenschaftlichen Grundsätzen vor-
gehende Verfahren, das der fortschreitenden Erkenntnis der Volks-
wirtschaft dient und dienen soll, das ein vollständiges Bild der Volks-
wirtschaft nach Raum und Zeit, nach Maß und historischer Folge zu
entwerfen, die volkswirtschaftlichen Erscheinungen dem vergleichen-
den und unterscheidenden Denken zu unterwerfen, sie unter ein ein-
heitliches System von Begriffen zu ordnen, sie zu klassifizieren und in
der Form eines einheitlichen Zusammenhanges zu begreifen behilflich
sein soll.

Die Methode der einzelnen Wissenschaft wird bestimmt:
1. durch den Standpunkt, den die menschliche Erkenntnisgewinnung
überhaupt zur Zeit erreicht hat, d. h. durch die Erkenntnistheorie und
Methodenlehre der Zeit überhaupt, welche für alles menschliche Den-
ken und Erkennen in den Grundzügen nur eine einheitliche sein
kann; die Anwendung empirischer Beobachtung z. B., wie sie Bacon
zuerst energischer forderte, hat fast auf alle Wissenschaften einen
bedeutungsvollen Einfluß ausgeübt. Die Hegelsche Dialektik hat ihre
Wirkung fast auf alle Wissenschaften, jedenfalls auch auf die Wissen-
schaften vom Staate und von der Volkswirtschaft erstreckt.

2. Wird diese Methode bestimmt durch die spezielle Natur des zu er-
forschenden Gegenstandes: wie die Mathematik ein anderes Verfahren
hat als die Physik, diese als die Physiologie, so haben die Geistes-
wissenschaften im ganzen andere Methoden als die Naturwissenschaften,
in ihnen wieder die Psychologie andere als die Staats- und Gesellschafts-
wissenschaften3. Je komplizierter ein Wissensgebiet ist, je mehr es
die Erscheinungen einfacherer Art mit einschließt, desto häufiger ist
für dasselbe die Forderung aufgestellt worden, daß die Methoden zur
Erforschung der einfacheren, aber hier mit eingeschlossenen Er-
scheinungen zugleich zu partiellen Methoden dieses Gebietes werden
müßten. Das ist bis auf einen gewissen Grad wahr. Naturwissenschaft-
liche und mathematische Methoden sind z. B. für manche volkswirt-
schaftliche Fragen ein notwendiges Hilfsmittel; psychologische sind
unentbehrlich für alle Geisteswissenschaften. Aber da gleichmäßige
Herrschaft über alle Wissenschaften und ihre Methoden durch die Be-
schränktheit des menschlichen Geistes ausgeschlossen ist, so bleibt die
Einarbeitung in die eigentümlichen Methoden der eigenen Wissenschaft
doch stets die Hauptsache. Und speziell in den Gesellschafts- und

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[18/0022] III. WESEN DER METHODE ÜBERHAUPT Wir verstehen unter Methode ein nach Grundsätzen geregeltes Ver- fahren zur Erreichung eines bestimmten Zweckes. Die Methode der Volkswirtschaftslehre ist das nach wissenschaftlichen Grundsätzen vor- gehende Verfahren, das der fortschreitenden Erkenntnis der Volks- wirtschaft dient und dienen soll, das ein vollständiges Bild der Volks- wirtschaft nach Raum und Zeit, nach Maß und historischer Folge zu entwerfen, die volkswirtschaftlichen Erscheinungen dem vergleichen- den und unterscheidenden Denken zu unterwerfen, sie unter ein ein- heitliches System von Begriffen zu ordnen, sie zu klassifizieren und in der Form eines einheitlichen Zusammenhanges zu begreifen behilflich sein soll. Die Methode der einzelnen Wissenschaft wird bestimmt: 1. durch den Standpunkt, den die menschliche Erkenntnisgewinnung überhaupt zur Zeit erreicht hat, d. h. durch die Erkenntnistheorie und Methodenlehre der Zeit überhaupt, welche für alles menschliche Den- ken und Erkennen in den Grundzügen nur eine einheitliche sein kann; die Anwendung empirischer Beobachtung z. B., wie sie Bacon zuerst energischer forderte, hat fast auf alle Wissenschaften einen bedeutungsvollen Einfluß ausgeübt. Die Hegelsche Dialektik hat ihre Wirkung fast auf alle Wissenschaften, jedenfalls auch auf die Wissen- schaften vom Staate und von der Volkswirtschaft erstreckt. 2. Wird diese Methode bestimmt durch die spezielle Natur des zu er- forschenden Gegenstandes: wie die Mathematik ein anderes Verfahren hat als die Physik, diese als die Physiologie, so haben die Geistes- wissenschaften im ganzen andere Methoden als die Naturwissenschaften, in ihnen wieder die Psychologie andere als die Staats- und Gesellschafts- wissenschaften3. Je komplizierter ein Wissensgebiet ist, je mehr es die Erscheinungen einfacherer Art mit einschließt, desto häufiger ist für dasselbe die Forderung aufgestellt worden, daß die Methoden zur Erforschung der einfacheren, aber hier mit eingeschlossenen Er- scheinungen zugleich zu partiellen Methoden dieses Gebietes werden müßten. Das ist bis auf einen gewissen Grad wahr. Naturwissenschaft- liche und mathematische Methoden sind z. B. für manche volkswirt- schaftliche Fragen ein notwendiges Hilfsmittel; psychologische sind unentbehrlich für alle Geisteswissenschaften. Aber da gleichmäßige Herrschaft über alle Wissenschaften und ihre Methoden durch die Be- schränktheit des menschlichen Geistes ausgeschlossen ist, so bleibt die Einarbeitung in die eigentümlichen Methoden der eigenen Wissenschaft doch stets die Hauptsache. Und speziell in den Gesellschafts- und

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/22>, abgerufen am 21.11.2024.