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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
Germanisch-mittelalterliche Zeit: J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer. 3. Aufl. 1881. --

L. Königswarter, Histoire de l'organisation de la famille en France. 1851. -- K. Weinhold,
Altnordisches Leben. 1856; -- Ders., Die deutschen Frauen im Mittelalter. 2 Bde. 1851. 2. Aufl.
1882. --
Charles de Ribbe, Les familles et les societes en France avant la Revolution.
1872. 4. Aufl. 1879. --
Bücher, Die Frauenfrage im Mittelalter. 1882.
Neuere Zeit: Riehl, Die Familie. 1854. --
J. Simon, L'ouvriere. 1861; -- Ders., L'ouvrier
a huit ans
. 1867. --
Michelet, La femme. 1860. -- Le Play, La reforme sociale en France,
deduite de l'observation comparee des peuples europeennes
. 3 Bde. 1864. 3. Aufl. 1874; --
Ders., L'organisation de la famille. 1. Aufl. 1871, 3. 1884. --
Fr. v. Holtzendorff, Die Ver-
besserungen in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung der Frauen. 1867. --
J. St. Mill,
Subjection of women. 1869, deutsch 1881. --
Daubie, La femme pauvre au 19. siecle. 3 Bde.
1869--70. --
J. Butler, Womans work and womans culture. 1869. -- M. Reichardt-
Stromberg
, Frauenrecht und Frauenpflicht. 1870. --
v. Nathusius, Zur Frauenfrage. 1871. --
H. v. Scheel, Frauenfrage und Frauenstudium. J. f. N. u. St. 1. F. 22, 1874. -- L. v. Stein,
Die Frau auf dem Gebiete der Nationalökonomie. 1875; -- Ders., Die Frau auf dem socialen
Gebiete. 1880. --
August Bebel, Die Frau und der Socialismus. 1879, 9. Aufl. 1891. --
Pierstorff, Frauenarbeit und Frauenfrage. H.W. 3. Dort die neueste Litteratur.

87. Vorbemerkung. Litteratur. Definitionen. Wir haben im bis-
herigen vielfach das individuelle wirtschaftliche Handeln der Menschen betrachtet und
werden im nächsten Buche, das die Wert- und Verkehrserscheinungen, sowie die Ein-
kommensverteilung behandelt, wieder auf dasselbe zurückkommen. Die Individuen bleiben
stets die aktiven Atome des volkswirtschaftlichen Körpers. Aber ihre Bethätigung erfolgt
doch ganz überwiegend in der Form einer Verknüpfung zu bestimmten Organen, wie
wir oben (S. 61--64) sahen. Die Struktur der Volkswirtschaft wird nur verständlich,
wenn wir die Art und die Haupttypen solcher Verknüpfung studieren. Die wirtschaftliche
Thätigkeit und Stellung, der sociale Rang, das Einkommen und die Versorgung der
einzelnen wird wesentlich bestimmt durch die Art, wie die Individuen in die socialen
Organe eingefügt sind. Die gesellschaftlichen Institutionen, welche die Organbildung für
Jahrhunderte und Jahrtausende bestimmen und in gewissen gleichmäßigen Bahnen fest-
halten, sind das Ergebnis der menschlichen Natur und der Technik einerseits, der geistigen
Mächte andererseits. Die Volkswirtschaft nach ihrer gesellschaftlichen Seite stellt sich dar
als ein Mechanismus von Gruppen socialer Organe in bestimmter Wechselwirkung.

Es handelt sich hauptsächlich um drei Gruppen von solchen Organen: 1. um die
Familie und die Geschlechtsverbände, 2. um die Gebietskörperschaften, von welchen Ge-
meinde und Staat die wichtigsten sind, und 3. um die Unternehmungen. Die ersteren
zwei Formen der Organisation sind die älteren und die nicht bloß wirtschaftlichen, son-
dern ebenso sehr anderen Zwecken dienenden; die Unternehmungen gehören den Zeiten
und Gebieten der höheren Kultur, hauptsächlich der letzten Generationen an, haben wesent-
lich nur wirtschaftliche Funktionen. Jede dieser Gruppen von Organen wird nur klar
verständlich durch eine historische Betrachtung, welche Herkommen, gegenwärtige Ver-
fassung und Entwickelungstendenz aufzudecken sucht. Die Ursachen der Organbildung,
soweit sie nicht dem wirtschaftlichen Leben angehören, werden wir nur so kurz wie
möglich anzudeuten suchen. Einige der wichtigsten aber, die zugleich dem wirtschaftlichen
Leben angehören, müssen wir besonders besprechen, teils um ihrer selbst willen, teils
um durch sie den Boden für die entsprechenden Organe zu gewinnen: die Ansiedlungs-
verhältnisse bedingen das Verständnis der Gebietskorporationen; die Arbeitsteilung, die
sociale Klassenbildung und die Eigentumsverhältnisse sind mit die wichtigsten social-
wirtschaftlichen Erscheinungen überhaupt, aber es kann auch ohne ihre Erörterung das
Wesen der Unternehmung nicht dargestellt werden. Auf einige andere Organe der Volks-
wirtschaft, die in zweiter Linie stehen, wie z. B. den Markt und die Börse, die Arbeiter-
vereine, die Organe des Armen- und Versicherungswesens, die speciellen Organe des Kredits,
kommen wir besser im folgenden Buche. Wir beginnen hier mit der Familienwirtschaft. --

Seit den etwa 50 Jahren, da Gans das Erbrecht, Unger die Ehe in ihrer welt-
historischen Entwickelung zu schildern versuchten, Laboulaye sein glänzendes Buch über
die rechtliche und politische Stellung der Frauen schrieb, hat die Erkenntnis von dem
Wesen und der Geschichte der Familie außerordentliche Fortschritte gemacht. Die Kultur-

Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Germaniſch-mittelalterliche Zeit: J. Grimm, Deutſche Rechtsaltertümer. 3. Aufl. 1881. —

L. Königswarter, Histoire de l’organisation de la famille en France. 1851. — K. Weinhold,
Altnordiſches Leben. 1856; — Derſ., Die deutſchen Frauen im Mittelalter. 2 Bde. 1851. 2. Aufl.
1882. —
Charles de Ribbe, Les familles et les sociétés en France avant la Révolution.
1872. 4. Aufl. 1879. —
Bücher, Die Frauenfrage im Mittelalter. 1882.
Neuere Zeit: Riehl, Die Familie. 1854. —
J. Simon, L’ouvrière. 1861; — Derſ., L’ouvrier
à huit ans
. 1867. —
Michelet, La femme. 1860. — Le Play, La réforme sociale en France,
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Derſ., L’organisation de la famille. 1. Aufl. 1871, 3. 1884. —
Fr. v. Holtzendorff, Die Ver-
beſſerungen in der geſellſchaftlichen und wirtſchaftlichen Stellung der Frauen. 1867. —
J. St. Mill,
Subjection of women. 1869, deutſch 1881. —
Daubié, La femme pauvre au 19. siècle. 3 Bde.
1869—70. —
J. Butler, Womans work and womans culture. 1869. — M. Reichardt-
Stromberg
, Frauenrecht und Frauenpflicht. 1870. —
v. Nathuſius, Zur Frauenfrage. 1871. —
H. v. Scheel, Frauenfrage und Frauenſtudium. J. f. N. u. St. 1. F. 22, 1874. — L. v. Stein,
Die Frau auf dem Gebiete der Nationalökonomie. 1875; — Derſ., Die Frau auf dem ſocialen
Gebiete. 1880. —
Auguſt Bebel, Die Frau und der Socialismus. 1879, 9. Aufl. 1891. —
Pierſtorff, Frauenarbeit und Frauenfrage. H.W. 3. Dort die neueſte Litteratur.

87. Vorbemerkung. Litteratur. Definitionen. Wir haben im bis-
herigen vielfach das individuelle wirtſchaftliche Handeln der Menſchen betrachtet und
werden im nächſten Buche, das die Wert- und Verkehrserſcheinungen, ſowie die Ein-
kommensverteilung behandelt, wieder auf dasſelbe zurückkommen. Die Individuen bleiben
ſtets die aktiven Atome des volkswirtſchaftlichen Körpers. Aber ihre Bethätigung erfolgt
doch ganz überwiegend in der Form einer Verknüpfung zu beſtimmten Organen, wie
wir oben (S. 61—64) ſahen. Die Struktur der Volkswirtſchaft wird nur verſtändlich,
wenn wir die Art und die Haupttypen ſolcher Verknüpfung ſtudieren. Die wirtſchaftliche
Thätigkeit und Stellung, der ſociale Rang, das Einkommen und die Verſorgung der
einzelnen wird weſentlich beſtimmt durch die Art, wie die Individuen in die ſocialen
Organe eingefügt ſind. Die geſellſchaftlichen Inſtitutionen, welche die Organbildung für
Jahrhunderte und Jahrtauſende beſtimmen und in gewiſſen gleichmäßigen Bahnen feſt-
halten, ſind das Ergebnis der menſchlichen Natur und der Technik einerſeits, der geiſtigen
Mächte andererſeits. Die Volkswirtſchaft nach ihrer geſellſchaftlichen Seite ſtellt ſich dar
als ein Mechanismus von Gruppen ſocialer Organe in beſtimmter Wechſelwirkung.

Es handelt ſich hauptſächlich um drei Gruppen von ſolchen Organen: 1. um die
Familie und die Geſchlechtsverbände, 2. um die Gebietskörperſchaften, von welchen Ge-
meinde und Staat die wichtigſten ſind, und 3. um die Unternehmungen. Die erſteren
zwei Formen der Organiſation ſind die älteren und die nicht bloß wirtſchaftlichen, ſon-
dern ebenſo ſehr anderen Zwecken dienenden; die Unternehmungen gehören den Zeiten
und Gebieten der höheren Kultur, hauptſächlich der letzten Generationen an, haben weſent-
lich nur wirtſchaftliche Funktionen. Jede dieſer Gruppen von Organen wird nur klar
verſtändlich durch eine hiſtoriſche Betrachtung, welche Herkommen, gegenwärtige Ver-
faſſung und Entwickelungstendenz aufzudecken ſucht. Die Urſachen der Organbildung,
ſoweit ſie nicht dem wirtſchaftlichen Leben angehören, werden wir nur ſo kurz wie
möglich anzudeuten ſuchen. Einige der wichtigſten aber, die zugleich dem wirtſchaftlichen
Leben angehören, müſſen wir beſonders beſprechen, teils um ihrer ſelbſt willen, teils
um durch ſie den Boden für die entſprechenden Organe zu gewinnen: die Anſiedlungs-
verhältniſſe bedingen das Verſtändnis der Gebietskorporationen; die Arbeitsteilung, die
ſociale Klaſſenbildung und die Eigentumsverhältniſſe ſind mit die wichtigſten ſocial-
wirtſchaftlichen Erſcheinungen überhaupt, aber es kann auch ohne ihre Erörterung das
Weſen der Unternehmung nicht dargeſtellt werden. Auf einige andere Organe der Volks-
wirtſchaft, die in zweiter Linie ſtehen, wie z. B. den Markt und die Börſe, die Arbeiter-
vereine, die Organe des Armen- und Verſicherungsweſens, die ſpeciellen Organe des Kredits,
kommen wir beſſer im folgenden Buche. Wir beginnen hier mit der Familienwirtſchaft. —

Seit den etwa 50 Jahren, da Gans das Erbrecht, Unger die Ehe in ihrer welt-
hiſtoriſchen Entwickelung zu ſchildern verſuchten, Laboulaye ſein glänzendes Buch über
die rechtliche und politiſche Stellung der Frauen ſchrieb, hat die Erkenntnis von dem
Weſen und der Geſchichte der Familie außerordentliche Fortſchritte gemacht. Die Kultur-

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[230/0246] Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. Germaniſch-mittelalterliche Zeit: J. Grimm, Deutſche Rechtsaltertümer. 3. Aufl. 1881. — L. Königswarter, Histoire de l’organisation de la famille en France. 1851. — K. Weinhold, Altnordiſches Leben. 1856; — Derſ., Die deutſchen Frauen im Mittelalter. 2 Bde. 1851. 2. Aufl. 1882. — Charles de Ribbe, Les familles et les sociétés en France avant la Révolution. 1872. 4. Aufl. 1879. — Bücher, Die Frauenfrage im Mittelalter. 1882. Neuere Zeit: Riehl, Die Familie. 1854. — J. Simon, L’ouvrière. 1861; — Derſ., L’ouvrier à huit ans. 1867. — Michelet, La femme. 1860. — Le Play, La réforme sociale en France, déduite de l’observation comparée des peuples européennes. 3 Bde. 1864. 3. Aufl. 1874; — Derſ., L’organisation de la famille. 1. Aufl. 1871, 3. 1884. — Fr. v. Holtzendorff, Die Ver- beſſerungen in der geſellſchaftlichen und wirtſchaftlichen Stellung der Frauen. 1867. — J. St. Mill, Subjection of women. 1869, deutſch 1881. — Daubié, La femme pauvre au 19. siècle. 3 Bde. 1869—70. — J. Butler, Womans work and womans culture. 1869. — M. Reichardt- Stromberg, Frauenrecht und Frauenpflicht. 1870. — v. Nathuſius, Zur Frauenfrage. 1871. — H. v. Scheel, Frauenfrage und Frauenſtudium. J. f. N. u. St. 1. F. 22, 1874. — L. v. Stein, Die Frau auf dem Gebiete der Nationalökonomie. 1875; — Derſ., Die Frau auf dem ſocialen Gebiete. 1880. — Auguſt Bebel, Die Frau und der Socialismus. 1879, 9. Aufl. 1891. — Pierſtorff, Frauenarbeit und Frauenfrage. H.W. 3. Dort die neueſte Litteratur. 87. Vorbemerkung. Litteratur. Definitionen. Wir haben im bis- herigen vielfach das individuelle wirtſchaftliche Handeln der Menſchen betrachtet und werden im nächſten Buche, das die Wert- und Verkehrserſcheinungen, ſowie die Ein- kommensverteilung behandelt, wieder auf dasſelbe zurückkommen. Die Individuen bleiben ſtets die aktiven Atome des volkswirtſchaftlichen Körpers. Aber ihre Bethätigung erfolgt doch ganz überwiegend in der Form einer Verknüpfung zu beſtimmten Organen, wie wir oben (S. 61—64) ſahen. Die Struktur der Volkswirtſchaft wird nur verſtändlich, wenn wir die Art und die Haupttypen ſolcher Verknüpfung ſtudieren. Die wirtſchaftliche Thätigkeit und Stellung, der ſociale Rang, das Einkommen und die Verſorgung der einzelnen wird weſentlich beſtimmt durch die Art, wie die Individuen in die ſocialen Organe eingefügt ſind. Die geſellſchaftlichen Inſtitutionen, welche die Organbildung für Jahrhunderte und Jahrtauſende beſtimmen und in gewiſſen gleichmäßigen Bahnen feſt- halten, ſind das Ergebnis der menſchlichen Natur und der Technik einerſeits, der geiſtigen Mächte andererſeits. Die Volkswirtſchaft nach ihrer geſellſchaftlichen Seite ſtellt ſich dar als ein Mechanismus von Gruppen ſocialer Organe in beſtimmter Wechſelwirkung. Es handelt ſich hauptſächlich um drei Gruppen von ſolchen Organen: 1. um die Familie und die Geſchlechtsverbände, 2. um die Gebietskörperſchaften, von welchen Ge- meinde und Staat die wichtigſten ſind, und 3. um die Unternehmungen. Die erſteren zwei Formen der Organiſation ſind die älteren und die nicht bloß wirtſchaftlichen, ſon- dern ebenſo ſehr anderen Zwecken dienenden; die Unternehmungen gehören den Zeiten und Gebieten der höheren Kultur, hauptſächlich der letzten Generationen an, haben weſent- lich nur wirtſchaftliche Funktionen. Jede dieſer Gruppen von Organen wird nur klar verſtändlich durch eine hiſtoriſche Betrachtung, welche Herkommen, gegenwärtige Ver- faſſung und Entwickelungstendenz aufzudecken ſucht. Die Urſachen der Organbildung, ſoweit ſie nicht dem wirtſchaftlichen Leben angehören, werden wir nur ſo kurz wie möglich anzudeuten ſuchen. Einige der wichtigſten aber, die zugleich dem wirtſchaftlichen Leben angehören, müſſen wir beſonders beſprechen, teils um ihrer ſelbſt willen, teils um durch ſie den Boden für die entſprechenden Organe zu gewinnen: die Anſiedlungs- verhältniſſe bedingen das Verſtändnis der Gebietskorporationen; die Arbeitsteilung, die ſociale Klaſſenbildung und die Eigentumsverhältniſſe ſind mit die wichtigſten ſocial- wirtſchaftlichen Erſcheinungen überhaupt, aber es kann auch ohne ihre Erörterung das Weſen der Unternehmung nicht dargeſtellt werden. Auf einige andere Organe der Volks- wirtſchaft, die in zweiter Linie ſtehen, wie z. B. den Markt und die Börſe, die Arbeiter- vereine, die Organe des Armen- und Verſicherungsweſens, die ſpeciellen Organe des Kredits, kommen wir beſſer im folgenden Buche. Wir beginnen hier mit der Familienwirtſchaft. — Seit den etwa 50 Jahren, da Gans das Erbrecht, Unger die Ehe in ihrer welt- hiſtoriſchen Entwickelung zu ſchildern verſuchten, Laboulaye ſein glänzendes Buch über die rechtliche und politiſche Stellung der Frauen ſchrieb, hat die Erkenntnis von dem Weſen und der Geſchichte der Familie außerordentliche Fortſchritte gemacht. Die Kultur-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/246>, abgerufen am 27.04.2024.