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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die Bodenverhältnisse und ihre wirtschaftlichen Folgen.
nissen ab: in Ägypten sind es nur 21/2, in Japan nur 16 %; in dem reichen Brittisch-
Indien sind von 427154 Quadratmeilen 190842 unbebaubar. In unseren Breiten
sind die Anteile meist größer: im Kanton Uri sind freilich nur 28, in Finnland 37, in
Norwegen 47, in der Schweiz schon 69 und in den meisten deutschen Staaten 80--90 %
der land- und forstwirtschaftlichen Kultur zugänglich. Noch tieferen Einblick in die
Wirkung der Bodenverhältnisse giebt die Statistik der landwirtschaftlichen Kulturarten,
der Anbauflächen der einzelnen Früchte, der guten und schlechten Böden: die günstigen
Lehmböden machen z. B. in Pommern 6, in Westfalen 41 % aus.

Die höhere, vielseitige wirtschaftliche Kultur, welche Ackerbau, Gewerbe und leben-
digen Verkehr verbindet, ist meist nur in den Vorbergen und Stufenländern mit ihrer
Vielgestaltigkeit des Bodens zu Hause. Gewisse Hochplateaus sind seit Jahrtausenden auch
in den Händen der höheren Rassen nicht über Nomadenwirtschaft hinausgekommen. Die
Gebirge lassen im Süden höher hinauf einen gewissen Anbau und einen gewissen Wohl-
stand zu; im ganzen aber haben sie doch stets mit ihrer Weide- und Waldwirtschaft
nur eine spärliche Bevölkerung kümmerlich ernährt. Bloß vereinzelt hat Haus- und
Fabrikindustrie in den Bergen Platz greifen können; vereinzelt haben wertvolle Erze
Wohlstand ja Reichtum geschaffen.

Eigentlich das Beste, was die Wissenschaft bisher über den Zusammenhang der
Bodenverhältnisse mit der wirtschaftlichen Entwickelung geschaffen, liegt in den Special-
untersuchungen über einzelne Länder und Gegenden, wie sie z. B. die von Cotta für
Sachsen, von Haxthausen für Westpreußen, von Buckland für England, von Gothein
für Baden uns lieferten. Aber ebenso bedeuteten die mehr allgemeinen Untersuchungen
von Kohl über die Abhängigkeit der Verkehrslinien von der Erdoberfläche und über die
hiemit gegebenen Standorte der Städte einen erheblichen Fortschritt im Sinne der Einzel-
erkenntnis. Ihnen schließen sich neuerdings eine Reihe Monographien jüngerer Geographen
mit ähnlichen Tendenzen an. Ratzel und A. Hettner haben diese Studien sehr lehrreich
zusammengefaßt. Man wird als Ergebnis von all' diesen Untersuchungen sagen können:
Das einzelne der Lage von Städten, Dörfern und Höfen, das Alter ihrer Gründung
und Entwickelung, vielfach auch die Planlegung der Fluren, die Zeit und der Ort der
Waldrodung, die Wegelinien, das Entstehen der verschiedenen Hauptgewerbszweige da
und dort, die Verknüpfung der Siedelungen, Gewerbe und Verkehrslinien mit Quellen,
Wasserlinien, Seen und Küsten -- kurz all' dieses einzelne wird nur der voll verstehen,
der außer den historisch-gesellschaftlichen Ursachen mit der geologischen und topographischen
Karte in der Hand die natürlichen Bedingungen der Volkswirtschaft eines Landes studiert.
Außerdem ergeben sich hieraus eine Anzahl allgemeiner volkswirtschaftlicher Wahrheiten,
z. B. daß die Dörfer und Landstädte in ihrer Lage und Entwickelung mehr von der
topographischen Beschaffenheit des Ortes selbst und der allernächsten Umgebung, die
größeren Städte mehr von den natürlichen Bedingungen des Landes, den Strömen, den
Grenzen im ganzen bedingt sind; daß alle Landwege, je weiter wir zurückgehen und
mit unvollkommener Technik rechnen, sich dem Boden, der Erhebung, den Pässen, den
Landrücken anschmiegen, daß auch bei höherer Kultur alle Entwickelung des Wegewesens
von dem Boden abhängig ist, daß stets Siedelungen und Wege gegenseitig sich natürlich
bedingen; daß das Vorkommen von Gold und Silber, von Kupfer und Eisen, von Zink
und Zinn, besonders wenn es sich um reiche Erze handelt, von Salz und Salzquellen
seit alten Zeiten, das von Stein- und Braunkohle, von Ölquellen und ähnlichen Stoffen
in der neueren Zeit den Anstoß zu blühendem Bergbau, zu reichem gewerblichen
Leben geben konnte und kann. Aber alle derartigen Wahrheiten sind so allgemeiner
und bekannter Natur, daß man sie kaum als neue wissenschaftliche Errungenschaften
bezeichnen kann. Man muß sie nur für das Einzelverständnis der wirtschaftlichen,
historisch oder geographisch zu betrachtenden und zu vergleichenden Zustände im Auge
behalten. Hiefür erweisen sie sich als ein fruchtbarer Schlüssel der Erkenntnis.

Vielleicht am allermeisten gilt dies bezüglich des Vorkommens von Wasser, wie
es durch die Bodenkonfiguration sich gestaltet; ich meine die Verteilung der Quellen,
Bäche, Flüsse, Seen und Meeresküsten. Ich möchte hierüber noch ein Wort hinzufügen,

Die Bodenverhältniſſe und ihre wirtſchaftlichen Folgen.
niſſen ab: in Ägypten ſind es nur 2½, in Japan nur 16 %; in dem reichen Brittiſch-
Indien ſind von 427154 Quadratmeilen 190842 unbebaubar. In unſeren Breiten
ſind die Anteile meiſt größer: im Kanton Uri ſind freilich nur 28, in Finnland 37, in
Norwegen 47, in der Schweiz ſchon 69 und in den meiſten deutſchen Staaten 80—90 %
der land- und forſtwirtſchaftlichen Kultur zugänglich. Noch tieferen Einblick in die
Wirkung der Bodenverhältniſſe giebt die Statiſtik der landwirtſchaftlichen Kulturarten,
der Anbauflächen der einzelnen Früchte, der guten und ſchlechten Böden: die günſtigen
Lehmböden machen z. B. in Pommern 6, in Weſtfalen 41 % aus.

Die höhere, vielſeitige wirtſchaftliche Kultur, welche Ackerbau, Gewerbe und leben-
digen Verkehr verbindet, iſt meiſt nur in den Vorbergen und Stufenländern mit ihrer
Vielgeſtaltigkeit des Bodens zu Hauſe. Gewiſſe Hochplateaus ſind ſeit Jahrtauſenden auch
in den Händen der höheren Raſſen nicht über Nomadenwirtſchaft hinausgekommen. Die
Gebirge laſſen im Süden höher hinauf einen gewiſſen Anbau und einen gewiſſen Wohl-
ſtand zu; im ganzen aber haben ſie doch ſtets mit ihrer Weide- und Waldwirtſchaft
nur eine ſpärliche Bevölkerung kümmerlich ernährt. Bloß vereinzelt hat Haus- und
Fabrikinduſtrie in den Bergen Platz greifen können; vereinzelt haben wertvolle Erze
Wohlſtand ja Reichtum geſchaffen.

Eigentlich das Beſte, was die Wiſſenſchaft bisher über den Zuſammenhang der
Bodenverhältniſſe mit der wirtſchaftlichen Entwickelung geſchaffen, liegt in den Special-
unterſuchungen über einzelne Länder und Gegenden, wie ſie z. B. die von Cotta für
Sachſen, von Haxthauſen für Weſtpreußen, von Buckland für England, von Gothein
für Baden uns lieferten. Aber ebenſo bedeuteten die mehr allgemeinen Unterſuchungen
von Kohl über die Abhängigkeit der Verkehrslinien von der Erdoberfläche und über die
hiemit gegebenen Standorte der Städte einen erheblichen Fortſchritt im Sinne der Einzel-
erkenntnis. Ihnen ſchließen ſich neuerdings eine Reihe Monographien jüngerer Geographen
mit ähnlichen Tendenzen an. Ratzel und A. Hettner haben dieſe Studien ſehr lehrreich
zuſammengefaßt. Man wird als Ergebnis von all’ dieſen Unterſuchungen ſagen können:
Das einzelne der Lage von Städten, Dörfern und Höfen, das Alter ihrer Gründung
und Entwickelung, vielfach auch die Planlegung der Fluren, die Zeit und der Ort der
Waldrodung, die Wegelinien, das Entſtehen der verſchiedenen Hauptgewerbszweige da
und dort, die Verknüpfung der Siedelungen, Gewerbe und Verkehrslinien mit Quellen,
Waſſerlinien, Seen und Küſten — kurz all’ dieſes einzelne wird nur der voll verſtehen,
der außer den hiſtoriſch-geſellſchaftlichen Urſachen mit der geologiſchen und topographiſchen
Karte in der Hand die natürlichen Bedingungen der Volkswirtſchaft eines Landes ſtudiert.
Außerdem ergeben ſich hieraus eine Anzahl allgemeiner volkswirtſchaftlicher Wahrheiten,
z. B. daß die Dörfer und Landſtädte in ihrer Lage und Entwickelung mehr von der
topographiſchen Beſchaffenheit des Ortes ſelbſt und der allernächſten Umgebung, die
größeren Städte mehr von den natürlichen Bedingungen des Landes, den Strömen, den
Grenzen im ganzen bedingt ſind; daß alle Landwege, je weiter wir zurückgehen und
mit unvollkommener Technik rechnen, ſich dem Boden, der Erhebung, den Päſſen, den
Landrücken anſchmiegen, daß auch bei höherer Kultur alle Entwickelung des Wegeweſens
von dem Boden abhängig iſt, daß ſtets Siedelungen und Wege gegenſeitig ſich natürlich
bedingen; daß das Vorkommen von Gold und Silber, von Kupfer und Eiſen, von Zink
und Zinn, beſonders wenn es ſich um reiche Erze handelt, von Salz und Salzquellen
ſeit alten Zeiten, das von Stein- und Braunkohle, von Ölquellen und ähnlichen Stoffen
in der neueren Zeit den Anſtoß zu blühendem Bergbau, zu reichem gewerblichen
Leben geben konnte und kann. Aber alle derartigen Wahrheiten ſind ſo allgemeiner
und bekannter Natur, daß man ſie kaum als neue wiſſenſchaftliche Errungenſchaften
bezeichnen kann. Man muß ſie nur für das Einzelverſtändnis der wirtſchaftlichen,
hiſtoriſch oder geographiſch zu betrachtenden und zu vergleichenden Zuſtände im Auge
behalten. Hiefür erweiſen ſie ſich als ein fruchtbarer Schlüſſel der Erkenntnis.

Vielleicht am allermeiſten gilt dies bezüglich des Vorkommens von Waſſer, wie
es durch die Bodenkonfiguration ſich geſtaltet; ich meine die Verteilung der Quellen,
Bäche, Flüſſe, Seen und Meeresküſten. Ich möchte hierüber noch ein Wort hinzufügen,

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[133/0149] Die Bodenverhältniſſe und ihre wirtſchaftlichen Folgen. niſſen ab: in Ägypten ſind es nur 2½, in Japan nur 16 %; in dem reichen Brittiſch- Indien ſind von 427154 Quadratmeilen 190842 unbebaubar. In unſeren Breiten ſind die Anteile meiſt größer: im Kanton Uri ſind freilich nur 28, in Finnland 37, in Norwegen 47, in der Schweiz ſchon 69 und in den meiſten deutſchen Staaten 80—90 % der land- und forſtwirtſchaftlichen Kultur zugänglich. Noch tieferen Einblick in die Wirkung der Bodenverhältniſſe giebt die Statiſtik der landwirtſchaftlichen Kulturarten, der Anbauflächen der einzelnen Früchte, der guten und ſchlechten Böden: die günſtigen Lehmböden machen z. B. in Pommern 6, in Weſtfalen 41 % aus. Die höhere, vielſeitige wirtſchaftliche Kultur, welche Ackerbau, Gewerbe und leben- digen Verkehr verbindet, iſt meiſt nur in den Vorbergen und Stufenländern mit ihrer Vielgeſtaltigkeit des Bodens zu Hauſe. Gewiſſe Hochplateaus ſind ſeit Jahrtauſenden auch in den Händen der höheren Raſſen nicht über Nomadenwirtſchaft hinausgekommen. Die Gebirge laſſen im Süden höher hinauf einen gewiſſen Anbau und einen gewiſſen Wohl- ſtand zu; im ganzen aber haben ſie doch ſtets mit ihrer Weide- und Waldwirtſchaft nur eine ſpärliche Bevölkerung kümmerlich ernährt. Bloß vereinzelt hat Haus- und Fabrikinduſtrie in den Bergen Platz greifen können; vereinzelt haben wertvolle Erze Wohlſtand ja Reichtum geſchaffen. Eigentlich das Beſte, was die Wiſſenſchaft bisher über den Zuſammenhang der Bodenverhältniſſe mit der wirtſchaftlichen Entwickelung geſchaffen, liegt in den Special- unterſuchungen über einzelne Länder und Gegenden, wie ſie z. B. die von Cotta für Sachſen, von Haxthauſen für Weſtpreußen, von Buckland für England, von Gothein für Baden uns lieferten. Aber ebenſo bedeuteten die mehr allgemeinen Unterſuchungen von Kohl über die Abhängigkeit der Verkehrslinien von der Erdoberfläche und über die hiemit gegebenen Standorte der Städte einen erheblichen Fortſchritt im Sinne der Einzel- erkenntnis. Ihnen ſchließen ſich neuerdings eine Reihe Monographien jüngerer Geographen mit ähnlichen Tendenzen an. Ratzel und A. Hettner haben dieſe Studien ſehr lehrreich zuſammengefaßt. Man wird als Ergebnis von all’ dieſen Unterſuchungen ſagen können: Das einzelne der Lage von Städten, Dörfern und Höfen, das Alter ihrer Gründung und Entwickelung, vielfach auch die Planlegung der Fluren, die Zeit und der Ort der Waldrodung, die Wegelinien, das Entſtehen der verſchiedenen Hauptgewerbszweige da und dort, die Verknüpfung der Siedelungen, Gewerbe und Verkehrslinien mit Quellen, Waſſerlinien, Seen und Küſten — kurz all’ dieſes einzelne wird nur der voll verſtehen, der außer den hiſtoriſch-geſellſchaftlichen Urſachen mit der geologiſchen und topographiſchen Karte in der Hand die natürlichen Bedingungen der Volkswirtſchaft eines Landes ſtudiert. Außerdem ergeben ſich hieraus eine Anzahl allgemeiner volkswirtſchaftlicher Wahrheiten, z. B. daß die Dörfer und Landſtädte in ihrer Lage und Entwickelung mehr von der topographiſchen Beſchaffenheit des Ortes ſelbſt und der allernächſten Umgebung, die größeren Städte mehr von den natürlichen Bedingungen des Landes, den Strömen, den Grenzen im ganzen bedingt ſind; daß alle Landwege, je weiter wir zurückgehen und mit unvollkommener Technik rechnen, ſich dem Boden, der Erhebung, den Päſſen, den Landrücken anſchmiegen, daß auch bei höherer Kultur alle Entwickelung des Wegeweſens von dem Boden abhängig iſt, daß ſtets Siedelungen und Wege gegenſeitig ſich natürlich bedingen; daß das Vorkommen von Gold und Silber, von Kupfer und Eiſen, von Zink und Zinn, beſonders wenn es ſich um reiche Erze handelt, von Salz und Salzquellen ſeit alten Zeiten, das von Stein- und Braunkohle, von Ölquellen und ähnlichen Stoffen in der neueren Zeit den Anſtoß zu blühendem Bergbau, zu reichem gewerblichen Leben geben konnte und kann. Aber alle derartigen Wahrheiten ſind ſo allgemeiner und bekannter Natur, daß man ſie kaum als neue wiſſenſchaftliche Errungenſchaften bezeichnen kann. Man muß ſie nur für das Einzelverſtändnis der wirtſchaftlichen, hiſtoriſch oder geographiſch zu betrachtenden und zu vergleichenden Zuſtände im Auge behalten. Hiefür erweiſen ſie ſich als ein fruchtbarer Schlüſſel der Erkenntnis. Vielleicht am allermeiſten gilt dies bezüglich des Vorkommens von Waſſer, wie es durch die Bodenkonfiguration ſich geſtaltet; ich meine die Verteilung der Quellen, Bäche, Flüſſe, Seen und Meeresküſten. Ich möchte hierüber noch ein Wort hinzufügen,

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/149>, abgerufen am 26.04.2024.