Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
blasen wollen/ müssen sie solche Geheimnisse der
Natur ersinnen. Wie wahrhafftig aber solche
eintreffen/ lehret zum öfftern die Erfahrung mit
Schaden. Und gesetzt auch/ [aber nicht gestan-
den/] daß es wahr wäre/ was Nutzen hätte ein
Kind denn wohl davon zu gewarten/ wenn es die
Suppen und andere Speisen so heiß könte hin-
ein fressen? Solte es wohl fein stehen/ wenn
ein Tisch voll erbare Leute sässen/ und ässen von
einer heissen Speise/ wenn alle ihren Bissen
nähmen/ und vorher bliessen/ und sittsam ässen/
es sässe aber ein solcher unersättlicher Fraß dar-
unter/ der so heißhungrig die Speise zu sich
schluckte/ daß er das heisse Essen auch nicht ein-
mahl erst bließ? Aber kurtz von der Sache zu
reden/ so hat die tägliche Erfahrung so viel geleh-
ret/ daß diese Kunst nicht probat sey; Aber so
trifft es gewiß ein/ wenn man nemlich einem klei-
nen Kinde den Brey gantz siedend heiß zu essen
giebt/ so wird sichs hernach nimmermehr an kei-
ner heissen Speise mehr brennen. Probatum
est.

Das 38. Capitel.

Wer will werden reich/ der schneid
das Brod fein gleich.

DIeses ist zwar an und vor sich selbst nur ein
Sprichwort/ aber auch/ mit gewisser Be-

dingung/
E 3

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
blaſen wollen/ muͤſſen ſie ſolche Geheimniſſe der
Natur erſinnen. Wie wahrhafftig aber ſolche
eintreffen/ lehret zum oͤfftern die Erfahrung mit
Schaden. Und geſetzt auch/ [aber nicht geſtan-
den/] daß es wahr waͤre/ was Nutzen haͤtte ein
Kind denn wohl davon zu gewarten/ wenn es die
Suppen und andere Speiſen ſo heiß koͤnte hin-
ein freſſen? Solte es wohl fein ſtehen/ wenn
ein Tiſch voll erbare Leute ſaͤſſen/ und aͤſſen von
einer heiſſen Speiſe/ wenn alle ihren Biſſen
naͤhmen/ und vorher blieſſen/ und ſittſam aͤſſen/
es ſaͤſſe aber ein ſolcher unerſaͤttlicher Fraß dar-
unter/ der ſo heißhungrig die Speiſe zu ſich
ſchluckte/ daß er das heiſſe Eſſen auch nicht ein-
mahl erſt bließ? Aber kurtz von der Sache zu
reden/ ſo hat die taͤgliche Erfahrung ſo viel geleh-
ret/ daß dieſe Kunſt nicht probat ſey; Aber ſo
trifft es gewiß ein/ wenn man nemlich einem klei-
nen Kinde den Brey gantz ſiedend heiß zu eſſen
giebt/ ſo wird ſichs hernach nimmermehr an kei-
ner heiſſen Speiſe mehr brennen. Probatum
eſt.

Das 38. Capitel.

Wer will werden reich/ der ſchneid
das Brod fein gleich.

DIeſes iſt zwar an und vor ſich ſelbſt nur ein
Sprichwort/ aber auch/ mit gewiſſer Be-

dingung/
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</hi></fw><lb/>
bla&#x017F;en wollen/ mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;olche Geheimni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Natur er&#x017F;innen. Wie wahrhafftig aber &#x017F;olche<lb/>
eintreffen/ lehret zum o&#x0364;fftern die Erfahrung mit<lb/>
Schaden. Und ge&#x017F;etzt auch/ [aber nicht ge&#x017F;tan-<lb/>
den/] daß es wahr wa&#x0364;re/ was Nutzen ha&#x0364;tte ein<lb/>
Kind denn wohl davon zu gewarten/ wenn es die<lb/>
Suppen und andere Spei&#x017F;en &#x017F;o heiß ko&#x0364;nte hin-<lb/>
ein fre&#x017F;&#x017F;en? Solte es wohl fein &#x017F;tehen/ wenn<lb/>
ein Ti&#x017F;ch voll erbare Leute &#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ und a&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
einer hei&#x017F;&#x017F;en Spei&#x017F;e/ wenn alle ihren Bi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
na&#x0364;hmen/ und vorher blie&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;itt&#x017F;am a&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
es &#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aber ein &#x017F;olcher uner&#x017F;a&#x0364;ttlicher Fraß dar-<lb/>
unter/ der &#x017F;o heißhungrig die Spei&#x017F;e zu &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chluckte/ daß er das hei&#x017F;&#x017F;e E&#x017F;&#x017F;en auch nicht ein-<lb/>
mahl er&#x017F;t bließ? Aber kurtz von der Sache zu<lb/>
reden/ &#x017F;o hat die ta&#x0364;gliche Erfahrung &#x017F;o viel geleh-<lb/>
ret/ daß die&#x017F;e Kun&#x017F;t nicht <hi rendition="#aq">probat</hi> &#x017F;ey; Aber &#x017F;o<lb/>
trifft es gewiß ein/ wenn man nemlich einem klei-<lb/>
nen Kinde den Brey gantz &#x017F;iedend heiß zu e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
giebt/ &#x017F;o wird &#x017F;ichs hernach nimmermehr an kei-<lb/>
ner hei&#x017F;&#x017F;en Spei&#x017F;e mehr brennen. <hi rendition="#aq">Probatum<lb/>
e&#x017F;t.</hi></p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das 38. Capitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p>Wer will werden reich/ der &#x017F;chneid<lb/><hi rendition="#c">das Brod fein gleich.</hi></p>
        </argument><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>Ie&#x017F;es i&#x017F;t zwar an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nur ein<lb/>
Sprichwort/ aber auch/ mit gewi&#x017F;&#x017F;er Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">dingung/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0091] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. blaſen wollen/ muͤſſen ſie ſolche Geheimniſſe der Natur erſinnen. Wie wahrhafftig aber ſolche eintreffen/ lehret zum oͤfftern die Erfahrung mit Schaden. Und geſetzt auch/ [aber nicht geſtan- den/] daß es wahr waͤre/ was Nutzen haͤtte ein Kind denn wohl davon zu gewarten/ wenn es die Suppen und andere Speiſen ſo heiß koͤnte hin- ein freſſen? Solte es wohl fein ſtehen/ wenn ein Tiſch voll erbare Leute ſaͤſſen/ und aͤſſen von einer heiſſen Speiſe/ wenn alle ihren Biſſen naͤhmen/ und vorher blieſſen/ und ſittſam aͤſſen/ es ſaͤſſe aber ein ſolcher unerſaͤttlicher Fraß dar- unter/ der ſo heißhungrig die Speiſe zu ſich ſchluckte/ daß er das heiſſe Eſſen auch nicht ein- mahl erſt bließ? Aber kurtz von der Sache zu reden/ ſo hat die taͤgliche Erfahrung ſo viel geleh- ret/ daß dieſe Kunſt nicht probat ſey; Aber ſo trifft es gewiß ein/ wenn man nemlich einem klei- nen Kinde den Brey gantz ſiedend heiß zu eſſen giebt/ ſo wird ſichs hernach nimmermehr an kei- ner heiſſen Speiſe mehr brennen. Probatum eſt. Das 38. Capitel. Wer will werden reich/ der ſchneid das Brod fein gleich. DIeſes iſt zwar an und vor ſich ſelbſt nur ein Sprichwort/ aber auch/ mit gewiſſer Be- dingung/ E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/91
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/91>, abgerufen am 21.12.2024.